Erlösung

Fatalismus hatte sich bei mir breitgemacht. Wieder waren es die Nachrichten, die uns erreichten. Immer mehr Lasten stauten sich eine Tagesetappe vor Concordia, weil die Maultiere Concordia und die großen Basislager von K2, Broad Peak und den Gasherbrum nicht erreichen konnten.

Ich hatte mich damit abgefunden, dass zumindest wir drei nichts tun konnten, außer zu warten. Es gab viel zu wenig Träger für viel zu viele Lasten. Und es war ganz einfach. Deren Lasten würden als erstes transportiert werden, die am meisten zahlten. Und wir drei Hanseln würden das ganz sicher nicht sein können.

Sahid, unser Basislagermanager war der einzige, der vielleicht etwas ausrichten konnte. Zumindest war er davon überzeugt. Also ist er am Freitag nach Concordia marschiert, um zu sehen, ob sich etwas machen lässt. Er ist seit zwanzig Jahren hier auf dem Baltoro im Geschäft und kennt buchstäblich jeden.

Und dann war es am vergangenen Sonntag plötzlich tatsächlich soweit. Am späten Vormittag trafen nach und nach 40(!) Träger bei uns ein und brachten uns alle noch fehlenden Lasten. Es fühlte sich für mich wie ein kleines Wunder an. Plötzlich waren aus den Losern im Basislager, die sich von den anderen was zu essen leihen mussten, die geworden, bei denen als einzige im Basislager gar nichts mehr fehlte.

Unsere Ausrüstungstonnen sind endlich da! Es war ein spannendes Schauspiel, als plötzlich 40 Träger unser Lager bevölkerten. Jede einzelne Last wurde noch einmal gewogen, und jeder erhielt einen Zettel mit seinem Namen, dem Lastengewicht und der Bestätigung, dass alles heil bei uns eingetroffen ist. Alle bekamen eine Suppe, und ich behandelte diverse mehr oder weniger schlimme Wehwehchen.

Und nun gab es bei uns natürlich kein Halten mehr. Eine ganze Woche haben wir verloren, die wir akklimatisationstechnisch auch nicht mehr aufholen können. Aber nun lag es an uns, nicht noch mehr Zeit zu vertrödeln. Also gab es noch am Sonntag eine große Packaktion. Wir packten sämtliche Tonnen so um, dass wir nun viel leichter finden können, was wir suchen. Die Tonnen sind jetzt sortenrein geworden: Also nur Getränke, nur Trekkingmahlzeiten, nur Ausrüstung usw.

Dann packten wir auch noch die Rucksäcke für den Aufstieg über 850 Höhenmeter ins erste Hochlager auf knapp 5900 m, den wir gleich am nächsten Tag, also am gestrigen Montag, in Angriff nehmen wollten. Dabei war das Ziel, es schon beim ersten Anlauf auf Anhieb komplett bewohnbar machen.

Gestern früh um zwei klingelte der Wecker, kurz nach drei brachen wir auf. Wir hatten ein wenig Sorge wegen des Wetters, welches ziemlich schlecht für diesen Tag vorhergesagt war. Aber es liegt durch den Schnee eine Spur, die uns auch bei schlechter Sicht den Weg weisen würde.

Nachdem der etwa 400 m hohe Eisbruch überwunden ist, öffnet sich ein außerordentlich weitläufiges Hochtal, welches von den sechs Gasherbrums eingerahmt wird. Im Bild der Gasherbrum II (8035 m) rechts sowie zwei seiner kleineren Geschwister (III und IV).

Doch das Wetter präsentierte sich deutlich besser als vorhergesagt und so erreichten wir ohne Probleme nach reichlich sieben Stunden Aufstieg das Lager. Wir stellten Jacobs großes Fünf-Mann-Zelt auf, so dass wir jetzt dort oben eine komfortable Bleibe haben und stiegen in weiteren fünf Stunden wieder ins Basislager ab. Für eine Übernachtung dort oben war es noch zu früh.

Aber ohne Wermutstropfen geht es hier wohl nicht ab. Ausgerechnet seit gestern, und dies ist wirklich ein sehr undankbares Zusammentreffen, denn der Tag war weiß Gott nicht gerade ein Zuckerschlecken, plagt mich massiv Shivas Rache. Ich war irgendwann auf dem Abstieg dermaßen geschwächt, dass ich Mühe hatte, überhaupt das Basislager zu erreichen.

Der zweite Aufstieg, den wir für morgen geplant haben, um dann auch das erste Mal im Lager 1 zu übernachten, kommt für mich nicht in Frage. Das ruft bei Sven und Jacob natürlich nicht gerade Euphorie hervor.

Es bleibt also schwierig, zumindest bei mir.

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2 Antworten

  1. Andreas sagt:

    Liebe Bergfreunde! Ich wünsche Euch verdammt viel Glück und gutes Gelingen bei der Besteigung des G 1!!!!!!!!!
    Toi, toi, toi Andreas
    Nur zu Erinnerung – wir stiegen parallel bis zum Concordia auf und wollten zeitgleich den Gondogoro La überqueren…. tja wollten :-((((((

  2. Stephan Seifert sagt:

    Hallo Jungs am Hidden Peak,
    herzliche Grüße aus Leipzig sendet Euch Stephan. Wie Ihr sicher schon wisst, sind wir gut in der Heimat angekommen und es gab genügend Gelegenheit, von dieser phantastischen Tour zu berichten.
    Und so wie wir mit gemischten Gefühlen auf den Gondogoro La verzichten mussten, wird Euch der Verzicht auf den Laila Peak letztlich zweitrangig sein, wenn Ihr auf dem Gipfel des GI stehen werdet. Dazu drücken wir Euch ganz sehr die Daumen.
    Alles Gute und beste Grüße an Zahid, Serfaz und Noor.
    Stephan & Petra

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