Fazit und Ausblick, 11.05.2006

An einen Auspruch von Ralf am ersten Abend im Basecamp kann ich mich besonders gut erinnern. Ohne nachzudenken, beim Anblick der vom Abendlicht erleuchteten Berge rings um unser Basislager sagte er nur: "Da geht nichts drüber!"

Für mich ist es nach wie vor spannend, mir Gedanken darüber zu machen, warum Ralf, ich und so viele andere bergbegeisterte Leute so denken. Warum wir auf Berge steigen, dabei fast alles riskieren und vor allem, warum wir es immer wieder tun! Jene Fragen sind für mich nach wie vor nur unzureichend beantwortet, trotz meiner Versuche in einigen meiner Vorträge. Die Anregung, sich abermals damit zu beschäftigen, ist genau ein Resultat dieser Reise zur Ama Dablam, weil an diesem Berg der Abgrund, der sich vor uns auftat, so überdeutlich zu sehen und zu spüren war. Ich hatte noch nie zuvor das Gefühl, das Sterben ein so lapidarer Vorgang sein kann. Ein winziger Fehler bei der Selbstsicherung, ein Fehltritt, einmal Hängenbleiben mit den Steigeisen an den Gamaschen, und schon ist es passiert. Vor nicht allzu langer Zeit ist solch ein Fehler an der Ama Dablam sogar dem professionellen Bergführer von Amical Alpin, Robert Rackl, passiert. Ich bin ihm 1999 am Cho Oyu und 2001 am Gasherbrum II begegnet. Die Berge waren sein Leben und sie beendeten es auch. Todessehnsucht, wie uns das schon oft unterstellt worden ist, scheidet als Motiv jedenfalls aus! Wir alle hängen an unserem Leben mehr als andere, deshalb verbringen wir es auch so intensiv wie möglich. Jerzy Kukuczka, der große polnische Höhenbersteiger, der nach Messner als zweiter alle 14 Achttausender bestieg, war der Meinung, daß er während dreier Wochen an einem Berg mehr erlebe und über sich erfahre als in drei Jahren in der Ebene.


Der Tiefblick von der oberen Dablam auf Lager 3 (für uns Lager 2) und die sich nach links anschließende vom Eise befreite Mushroomridge. Wiederum links von der Ridge der obere Teil des Greytower.

Damit sind wir schon beim Ausblick. In meinem Vortrag über die Ama Dablam wird es also auch um die Lust an der Angst gehen, die ich hatte, bei den tagelangen Aufenthalten auf den gefährlichen Graten und Flanken dieses phantastischen Berges. Die nächste Vortragssaison (siehe Vortragstermine) beschäftigt sich aber noch nicht mit der Ama Dablam, sondern mit den Arktisexpeditionen 2003 und 2004, wo ich zu Fuß und mit dem Kajak versucht habe, den nördlichsten Punkt Spitzbergens zu erreichen. Das war für mich eine der spannendsten und abenteuerlichsten Reisen, die ich je unternommen habe.

Meine Pläne für eine nächste Bergexpedition haben auch schon konkrete Formen angenommen. Im Anschluß an zwei so häufig besuchte Bergen wie dem Everest und der Ama Dablam, zieht es mich nun zu einem völlig unbekannten noch gänzlich unberührten Berg. Nach 1999 am Cho Polu und 2002 am Num Ri könnte es 2007 oder 2008 wieder eine Erstbesteigung geben. Das Ziel kann ich natürlich nicht verraten, weil mir sonst noch jemand diesen Berg wegschnappt. Der Zeitpunkt dieser Expedition hängt natürlich von der Finanzierung ab, die ja wie immer der limitierende Faktor ist. Auch ein Achttausender wird womöglich wieder ein Ziel von mir sein. Mit dem Hidden Peak im Karakorum zum Beispiel, gibt es ja noch sowas wie eine alte Rechnung zu begleichen. Im Jahr 2001 bin ich auf 6400 m aus Zeitmangel und wegen schlechten Wetters an diesem Berg gescheitert. Ein drittes Projekt betrifft wieder die Arktis bzw. die Antarktis. Doch ob das realisierbar bzw. zu finanzieren sein wird, steht derzeit gänzlich in den Sternen. Es gibt also noch genug Träume, die ich mir erfüllen möchte, denn Tania Blixen (Autorin von Jenseits von Afrika) war ja der Meinung, daß der "Unwiderstehlichste Mensch auf Erden der Träumer ist, dessen Träume wahr geworden seien".