Everest


Er ist der Traum jeden Bergsteigers und ein Mythos überall auf der Welt. Die Europäer sehen in ihm den dritten Pol. Die Tibeter nennen ihn Chomolungma, die Göttinmutter der Erde und die Nepalesen stellen sich den Berg als Sagamartha vor, also als die Stirn des Ozeans.



Kurzübersicht zur Geschichte des Everest

Wände: Ostwand, Nordwand, Südwestwand
Grate: Nordgrat, Nordostgrat, Westgrat, Südostgrat
Nachbargipfel: Lhotse, 8511 m; Nuptse 7861 m; Changtse, 7583 m, Pumo Ri, 7145 m

Besteigungen bis Ende 2002: 1600 durch 1200 verschiedene Bergsteiger aus 61 Ländern darunter 80 Frauen, davon 88 ohne Flaschensauerstoff, auf 15 verschiedenen Routen, bis 8. 9. 2002 175 Todesopfer, davon 8 Tote bei den Besteigern ohne Sauerstoff


Die Erschliessungsgeschichte der westlichen Zugänge zum Everest


Der Everest von Südwesten, Standpunkt des Betrachters ist das Tal des Schweigens in etwa 6500 m Höhe.
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Umfassende Informationen zum Everest womöglich noch mitsamt seiner Entdeckung- und Erschließungsgeschichte hier auf dieser Homepage zu geben, würde sicher den Rahmen dieser Hompage sprengen. Eine ganze Reihe hervorragender Bücher sind zu diesem Thema verfaßt worden. Deshalb habe ich mich auf die Südwestseite des Berges beschränkt, also auf diejenige Seite des Berges die auf nepalesischem Gebiet liegt und auf welcher unsere Aufstiegsroute zu finden ist. Und ich habe mich bemüht, dabei nur das interessanteste und wichtigste herauszusuchen.

Der erste Mensch, der je einen Blick auf die nepalesische Seite des Everest also in das Tal des Schweigens und auf den berüchtigten Khumbu-Eisfall geworfen hat, war kein geringerer als der vielleicht berühmteste aller Everest-Bergsteiger, der Brite George Mallory. Am 19. Juli 1921 während der ersten britischen Erkundungsexpedition an der Nordseite des Everest erreichte Mallory das Joch zwischen Pumo Ri und Lingtren. Diese beiden Berge stehen nebeneinander dem Everest in südwestlicher Richtung direkt gegenüber. Mallory schaute auf den zukünftigen südwestlichen Zugang zum Everest. Er war sehr beeindruckt von dem gewaltigen Eisfall und hielt ihn für entsetzlich steil und zerklüftet. Das erste Foto vom Eisbruch und dem Tal machte der Neuseeländer L.V. Bryant 1935 vom gleichen Platz aus.


Georg Mallory um 1920

Weil Nepals Grenzen für Ausländer geschlossen waren, dauerte es bis zum Jahre 1951, bis Bergsteiger den Zugang zum Everest von Südwesten und damit den Fuß des Khumbu-Eisbruchs erreichten. Und wieder waren es Briten. Die Expedition unter der Leitung Eric Shiptons fand auch tatsächlich gleich auf Anhieb einen Weg durch den bis dahin für unbezwingbar gehaltenen Khumbu-Eisfall. Doch als sie schon dachten, den schwierigsten Abschnitt hinter sich zu haben, versperrte eine riesige Spalte, an einigen Stellen fast 30 Meter breit, den weiteren Aufstieg. Ein wichtiger Teilerfolg war aber trotzdem errungen, denn nun wußte man, daß der Eisfall zu bewältigen war. Im Jahr darauf hofften die Briten die Früchte ihrer Arbeit am Everest ernten zu können. Aber die Briten hatten ihre Rechnung ohne die nepalesische Regierung gemacht. Die nämlich vergab die einzige Besteigungserlaubnis an eine schweizerische Expedition.


Der Khumbu-Eisfall von Südwesten

1952 witterten die Schweizer nun ihre große Chance. Sie durchstiegen den Eisfall, überwanden mit einer Seilbrücke eine gigantische Spalte. Damit waren sie die ersten Menschen, die im Tal des Schweigens standen. Nach der Durchquerung des Tals kletterten sie über die Lhotseflanke auf den Südsattel in knapp 8000 m Höhe. Von hier aus lag der Weg zum Gipfel klar vor ihnen und deshalb setzten sie alles auf eine Karte. In einem dramatischen Gipfelversuch kämpften sich Tenzing Norgay und Raymond Lambert bis knapp unter den Südgipfel also auf eine Höhe von cirka 8600 m. Doch hier ging ihnen der Sauerstoff aus, und sie mußten zu Tode erschöpft umkehren. Zu dieser Zeit galt Tenzing Norgay als der erfahrenste Everestbergsteiger überhaupt, da er ja schon vorher drei Mal mit britischen Expeditionen am Everest gewesen war.


Raymond Lambert und Sherpa Tenzing Norgay

Nach dem Scheitern der Schweizer im Jahre 1952 waren im darauffolgenden Frühling wieder die Briten an der Reihe. Sie wußten, was auf dem Spiel stand. Nachdem sie in den zwanziger und dreißiger Jahren soviel am Everest geleistet hatten, war das nun die letzte Chance auf die Erstbesteigung. Außerdem sollte am 2. Juni 1953 die Krönung Elizabeth II. stattfinden. Der Expeditionsleiter war Oberst John Hunt, ein erfahrener Bergsteiger und glänzender Organisator. Er führte seine Leute mit militärischem Drill und überließ nichts dem Zufall. 13 Tonnen Ausrüstung ließ er an den Berg schaffen. Bei der Vorbereitung der Expedition hatte er sogar Windkanäle und Unterdruckkammern der Royal Air Force genutzt und die Ausrüstung in der Schweiz getestet. Sogar ein Granatwerfer zum Auslösen von Lawinen brachten die Briten mit an den Everest. Und doch wäre diese gigantische Materialschlacht beinahe an einem winzigen Adapter für eine Sauerstoffflasche gescheitert. In der letzten Nacht vor dem Gipfelsturm konnte Hillary eine Spezialflasche nicht an seine und Tenzing Norgays Atemmaske anschließen, weil das Verbindungsstück fehlte. Dadurch verringerte sich ihr Sauerstoffvorrat dramatisch. Trotzdem erreichten Edmund Hillary und Sherpa Tenzing Norgay am 29. Mai 1953 als erste Menschen den höchsten Punkt unseres Planeten.


Tenzing Norgay und Edmund Hillary nach dem Gipfelerfolg im Lager 4

Anfang der Sechziger Jahre begannen die Bergsteiger neue Routen am Everest zu eröffnen. 1960 wurde zum ersten Mal der Everest durch eine chinesische Expedition von Norden her bezwungen. Im Frühjahr 1963 hatte sich eine von Norman Dyhrenfurth geleitete amerikanische Expedition zwei große Ziele gesetzt: Den Gipfel über die britisch-schweizerische Südsattelroute zu erreichen und eine neue Route über den Westgrat zu eröffnen. Am 22. Mai 1963 erreichten zwei Bergsteiger, Tom Hornbein und Willi Unsoeld den Gipfel über diese neue Route. Zuerst stieg die Seilschaft vom Tal des Schweigens aus auf die Westschulter, folgte dann dem Westgrat etwa 500 Höhenmeter und wich anschließend wegen zu großer technischer Schwierigkeiten auf dem Grat in die Nordwand aus. Auf dem Abstieg folgten sie dann aber der Südsattelroute. Damit gelang diesen beiden Bergsteigern erstmalig eine Überschreitung des Mount Everest.


Die Rinne in der Nordwand, der Hornbein und Unsoeld folgten, als der Westgrat zu schwierig wurde. Sie ist heute nach Tom Hornbein benannt.

Die Südwestwand erhebt sich 2500 m aus dem Tal des Schweigens. Bis 1975 waren sechs Expeditionen an dieser Wand gescheitert. Doch am 24. September 1975 gelang einer britischen Expedition unter Chris Bonington erstmalig der Aufstieg durch diese Wand. Die Schlüsselstelle in der Route ist oberhalb der schneegefüllten Rinne die Überwindung des gewaltigen Felsbandes. Fünf Bergsteiger erreichten den Gipfel, einer kam beim Abstieg ums Leben. Doug Scott und Dougal Haston mußten auf dem Abstieg unvorhergesehen eine Nacht in 8763 m Höhe verbringen. Da sie kein Zelt bei sich trugen gruben sie eine Schneehöhle. Zu allem Überfluß ging um 20.30 Uhr der Sauerstoff und um Mitternacht der Brennstoff für den Kocher zu Ende. Trotzdem überlebten die beiden unversehrt neun lange Stunden in dem bis dahin höchsten Lager. Die Route durch die Südwestwand ist bis heute eine der bedeutendsten in den Gebirgen der Welt überhaupt und markiert den Beginn der Eroberung der anderen großen Himalayawände.


Der Platz an dem Scott und Haston die Schneehöhle gegraben hatten.

Eine der größten Herausforderungen am Everest war der direkte Westgrat, eine Route, die dem Westgrat vom Bergfuß bis zum Gipfel folgte. 1974 versuchte eine französische Expedition diesen Anstieg. Doch am 9. September passierte die Katastrophe. Fünf Sherpas und ein Franzose kamen in einer verheerenden Lawine ums Leben. Fünf Jahre später nahm eine jugoslawische Expedition unter Tone Skarja die Herausforderung erneut an. Nach orkanartigen Stürmen, welche die Gruppe für fünf Tage im Hochlager festgenagelt hatten, ständigen technischen Problemen mit ihrer Sauerstoffausrüstung sowie zwei fehlgeschlagenen Gipfelversuchen erreichten am 13. Mai 1979 Andrej Stremfelj und Nejc Zaplotnik den Gipfel. Bei ihrem Aufstieg überwanden die beiden die schwierigsten Felspassagen die bis dahin jemals am Everest geklettert worden waren.

  
Andrej Stremfelj und Nejc Zaplotnik

1980 war das Jahr, in dem ein weiteres verlockendes Ziel auf der Südsattelroute am Everest in Angriff genommen wurde: eine Winterbegehung. Polnische Bergsteiger nahmen die Herausforderung an. Doch die Schwierigkeiten waren gewaltig. Die Expedition hatte mit Tiefsttemperaturen von unter minus 45 Grad zu kämpfen und gegen Windgeschwindigkeiten von fast 200 Kilometern in der Stunde. Mehrmals ruinierten die wiederholten Stürme ihre Hochlager. Krankheit und Erschöpfung lichteten die Reihen der Polen laufend und zeitweise sah es so aus, als wäre ein Scheitern der Expedition unvermeidlich. Die britische Zeitschrift "Mountain" schrieb, die polnischen Bergsteiger hätten sich dauernd auf der "Grenzlinie zwischen Willenskraft und Wahnsinn bewegt." Trotzdem erreichten Leszek Cichy und Krzysztof Wielicki am 17. Februar den höchsten Punkt. Dieser Erfolg markiert zusammen mit der ersten vollständigen Durchsteigung des Westgrates den vorläufigen Höhepunkt der Erschließung der Südwestseite des Berges. In den folgenden Jahren konzentrierten sich die Bergsteiger deshalb vor allem auf die Ostwand und die Nordwand. Die Südsattelroute entwickelte sich nun zunehmend zur wichtigsten Aufstiegroute am Berg, auf der 1985 mit Dick Bass, dem damals mit 55 Jahren ältesten Everestbesteiger, das erste Mal auch zahlende Kundschaft von professionellen Bergführern auf den Gipfel gehievt wurden.


Die polnische Mannschaft von 1980

Im Frühjahr 1996 versuchten zehn Teams darunter fünf große kommerzielle Expeditionen, deren Klienten teilweise völlig unerfahren waren, den Aufstieg über die Südsattelroute. Vor allem auf Grund von Verzögerungen an den Engpässen in der Aufstiegsroute erreichten am 10. Mai viele Bergsteiger den Gipfel zu spät und gerieten in einen Orkan. In den folgenden Stunden starben acht Bergsteiger, fünf davon noch am Südostgrat, zwei auf dem Südsattel unweit vom rettenden Lager. Sie konnten im Sturm die Zelte nicht finden. Der Amerikaner Beck Weathers wurde dreimal von seinen Kameraden für Tod gehalten und zurückgelassen, jedes Mal rappelte er sich wieder auf. Doch der Preis, den er zahlen mußte, ist grausam. Auf Grund furchtbarer Erfrierungen verlor er eine Hand, die Finger der anderen und seine Nase. Doch es blieb in diesem Jahr nicht bei diesen acht Opfern. Insgesamt bezahlten 15 Bergsteiger 1996 ihren Gipfeltraum am Everest mit ihrem Leben.


Beck Weathers in Lager 2 mit erfrorener Hand

Am Everest gibt es bis heute insgesamt 15 Routen. Sechs befinden sich hier auf der Südwestseite, sieben sind auf der Nordseite und weitere zwei auf der Ostseite des Berges. Am 11. Mai 1995 wurde die vorerst letzte große Route am Mount Everest durch eine japanische Expedition vollendet. Diese Route befindet sich auf der Nordseite des Berges und folgt dem langen und markanten Nordostgrat. Nach wie vor ist aber die Südsattelroute die meistbegangene am Everest.


Geologie des Everests

Wenn zwei Autos zusammenprallen, zum Beispiel bei einem Auffahrunfall, dann sieht man zumindest wenn es ordentlich gekracht hat, wie die Motorhaube des Auffahrenden durch den Druck des Aufpralls gefaltet und nach oben gepresst worden ist. Indien fährt gerade auf Asien auf, soll heißen seit etwa 50 Millionen Jahren. Dabei bohrt es sich zur Zeit etwa drei Zentimeter pro Jahr in den asiatischen Kontinent. Einst trennte die beiden Kontinente ein großes Meer namens Tethys. Dies war aber jetzt durch die zunehmende Annäherung der Kontinente verschwunden. Nun aber, durch den gewaltigen Zusammenprall schob sich der Boden dieses Meeres nach oben und wurde gemeinsam mit dem Rand der indischen Kontinentalplatte in ein komplexes Faltensystem gezwungen, den Himalaya.

Unter dem gewaltigen Druck und extremer Hitze, die durch den Zusammenstoß der Kontinente ausgelöst wurden, veränderte sich das Gestein. Es unterlag mitunter sogar mehrmals einer sogenannten Metamorphose. Gerade im Chomolungma-Massiv, zu dem die vier großen Gipfel Everest, Lhotse, Nuptse und Changtse gehören, bestehen die unteren Schichten hauptsächlich aus diesem metamorphen Gestein, welches aus dem Erdmantel in die Basis des Massivs gepresst wurde. Es handelt sich dabei um grobkörnige Schiefergesteine, die sich leicht in dünne Platten spalten lassen, Gneise und Migmatiten, denen man regelrecht ansehen kann, dass sie unter großem Druck und starker Hitze standen.

Weiter oben, also im unteren Teil der großen Wände, findet man große sogenannte Einsprengungen von Granit, hell gefärbt und markant in riesigen Blöcken erodierend. Noch weiter oben in über 7500 Metern Höhe liegen Sedimentgesteine, die sich einst am Grund des Tethys-Meeres befanden und nur in sehr geringem Maße der Metamorphose unterlagen. Diese Tone, Schlicke und Kalküberreste von Seetieren wurden in Sandstein, Schiefer und Kalkstein umgewandelt. Noch heute können Überreste von Meerestieren hoch oben im Himalaya gefunden werden, zum Beispiel Korallen. Diese Schicht hat eine helle gelbliche Färbung und wird von den Bergsteigern als "Gelbes Band" bezeichnet. Es hat zwei Formationen. An der Südwestseite des Everest liegt es niedriger als in der Nordseite. Dort ist es etwa 120 Meter dick und liegt weit über 8000 Meter.

Die oberste Gipfelpyramide des Everest, also die letzten Meter des Berges bestehen aus reinem Kalkstein, grau mit sandigen Einlagerungen und anderem Schutt. Der Gipfel des Everest war demnach noch vor wenigen hundert Millionen Jahren Meeresgrund, also noch vor ganz kurzer Zeit, wenn wir mit geologischen Maßstäben messen. Und noch ein faszinierender Aspekt: Die Auffaltung des Himalaya ist nach wie vor in vollem Gange. Der Everest wächst somit noch. Allerdings nur wenige mm im Jahr. Zukünftige Bergsteigergenerationen müssen sich also noch ein bisschen in Geduld üben, bis sie den ersten Neuntausender besteigen können.