Noch am Donnerstagabend, sofort als wir niedergeschlagen ohne Tonnen vom Flughafen zurückkamen, habe ich die Firma angerufen, die unser Gepäck nach Nepal transportiert hat. Die wiederum hat unverzüglich Kontakt zur Fluggesellschaft Martin Air aufgenommen, welche die Luftfracht nach Kathmandu geflogen hat. Martin Air hat seinerseits nachgeforscht und festgestellt, daß das gesamte Gepäck ordnungsgemäß in Amsterdam eingescheckt wurde, und dann direkt nach Kathmandu geflogen sein müßte. Theoretisch befindet sich das Gepäck also in hier in der Stadt. Das ist der Stand der Dinge, den ich heute morgen via E-Mail von Menlo Worldwide mitgeteilt bekommen habe. Unsererseits sind, wie gestern schon erwähnt, keine Nachforschungen möglich, da gegenwärtig weder beim Zoll noch bei der Martin Air, die zumindest ein Büro in Kathmandu hat, jemand zu erreichen ist.
Meine sieben Gäste sind jetzt so eine Art Vorauskommando. Jana ist bei ihnen.
Gute Nachrichten gibt es von meinen Gästen. Sie sind heute morgen pünktlich um 8.00 Uhr Richtung Everestregion abgeflogen und befinden sich jetzt, also am Samstagabend, in Monjo, wo heute die erste Station gemacht wird. Sie haben es gut, denn morgen schon erreichen sie Namche Basar und sehen das erste Mal den Mount Everest. Gestern Abend gab es noch ein ausgelassenes gemeinsames Abendessen im Decheling Garden Restaurant, meiner persönlichen Lieblingsgaststätte hier in Kathmandu.
Nima Sherpa ist der Chef unserer Agentur Multiadventure und ein großartiger Organisator.
Am Nachmittag rief mich plötzlich Nima im Hotel an. Wir hätten einen außerplanmäßigen Termin im Tourismusministerium. Wie konnte das nun sein? Schließlich ist heute Sonnabend und keine staatliche Behörde arbeitet. Doch offensichtlich kann man sich selbst darauf nicht verlassen. Also fuhren wir in das Ministerium. Hier sollte plötzlich und unerwartet das offizielle sogenannte Briefing stattfinden und wir unser Expeditionspermit erhalten.
Ein ranghoher Offizier des Tourismusministeriums übergibt mir das teuerste Stück Papier meines Lebens.
Briefing bedeutet, daß wir noch mal von offizieller Stelle auf unsere Pflichten aufmerksam gemacht werden, um anschließend von den Behörden verabschiedet zu werden. Bei dieser Gelegenheit trifft man dann in der Regel auch zum ersten Mal den Verbindungsoffizier der Expedition. Das alles war nun wirklich sehr verwunderlich, weil wir diesen Termin erst am Montag haben sollten. Unsere Agentur hatte das Briefing von Donnerstagabend auf Montag verlegt, wegen der Schwierigkeiten mit dem Cargo. Aber ich denke inzwischen über solche Dinge gar nicht mehr nach. Mit uns wurden heute Nachmittag noch eine Reihe anderer Expeditionen gebrieft und ich vermute, daß es schon einen guten Grund hatte, das außerhalb des offiziellen Tagesgeschäftes zu machen.
In der Mitte neben Nima und einem Beamten des Ministeriums steht unser Liasion-Offizier Ram Prasad Panday.
Zum Beispiel konnte man heute mit dem Verbindungsoffizier besser mauscheln. Der bekommt etwas zusätzliches Geld von der Expedition und bleibt dafür aber nicht die ganze Zeit der Expedition im Basislager. Das wiederum spart der Expedition Geld, weil die ihn dann nicht verpflegen muß, und sie hat außerdem vor den neugierigen Blicken des Regierungsbeamten Ruhe. Zum Beispiel dann, wenn sie elektronische Geräte betreiben will, für die sie eine teure Genehmigung braucht, die sie nicht bezahlen kann oder will, wie zum Beispiel ein Satellitentelefon. Unser Offizier hat da allerdings ganz schlechte Karten, denn wir haben für alles die Genehmigung.
Genehmigungen braucht eine Expedition übrigens für buchstäblich alles. Sogar für die Funkgeräte muß eine Betriebserlaubnis beantragt und auch eine saftige Gebühr bezahlt werden. Ebenso für das Satellitentelefon und natürlich für eine Videokamera. Ganz wild wird es, wenn eine Genehmigung zum Filmen gebraucht wird, vom Permit mal ganz zu schweigen. Jedenfalls braucht der, der hier in Nepal eine Expedition auf einen großen Berg organisieren will vor allem anderen auch starke Nerven.
Wir haben jetzt, wenn schon nur die Hälfte unserer Ausrüstung, wenigstens die Besteigungserlaubnis für den höchsten Berg der Welt. Nima und Lakpa jedenfalls waren hellauf begeistert dieses Papier endlich in den Händen zu halten. Jetzt müssen nur noch unsere Tonnen wieder auftauchen, dann wäre eigentlich nichts wirklich schlimmes oder unerwartetes passiert. Denn reibungslos und verlustfrei verläuft ein Expeditionsstart äußerst selten.
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