Mir war ehrlich gesagt der Gedanke nicht geheuer, daß das Lager, in dem
ich die nächsten fünf oder sechs Wochen verbringen werde, von jemandem
anderen eingerichtet worden ist, als von mir selbst. Das hatte es noch
nicht gegeben, war aber durch die Umstände nicht zu ändern. Am Cho Oyu
und auch am Gasherbrum hatte ich erfahren, wie wichtig es ist, seine
Ruhe zu haben, um sich zu erholen und sich auf den nächsten Aufstieg
vorzubereiten. Daß am Everest auch zu können, ist besonders wichtig.
Doch gerade hier würde es auch besonders schwierig sein, ein ruhiges und
etwas abseitiges Plätzchen zu finden, von dem aus es nicht weit zum
Einstieg in den Khumbu-Eisbruch ist und wo es auch sauberes Wasser
möglichst in der Nähe gibt. Aber Chengba, Dawa und Kami haben dieses
Kunststück fertiggebracht.
Auf dem Bild ist mein Zelt zu sehen. Ich kann mich nicht
erinnern, je an einem so spektakulären Ort mein Basislager aufgeschlagen
zu haben.
Wir liegen direkt am Einstieg zum Eisbruch, auf einer Art Schotterinsel.
Rings um uns ragen Eistürme auf, so daß uns niemand zu nahe kommen
könnte, selbst wenn er es wollte. Alles war bestens für unsere Ankunft
vorbereitet und wir waren regelrecht glücklich, so einen perfekten
Lagerplatz vorzufinden und so ein umsichtiges und tüchtiges Team zu
haben.
Ein Blick in die Sherpaküche. Hier wird gekocht und gegessen
zugleich. Im hinteren Zelt lagern wir die Ausrüstung.
Die ersten beiden Tage vergingen natürlich mit der Einrichtung der
Zeltplätze und der üblichen Verrichtungen. Ich habe zum Beispiel zu
allererst den ganzen Krempel gesichtet, den ich mit habe und ihn dann
auf das Zelt aufgeteilt und auf die Plastetonnen. Es muß eine ziemliche
Ordnung gehalten werden mit den vielen Dingen, die man so braucht, sonst
vergeht die meiste Zeit mit Suchen.
Gestern wurden die Auf-, Weg- und Umräumarbeiten durch heftigen
Schneefall erschwert. Das ganze Lager ist von einer dicken Schneeschicht
bedeckt. Ich finde das übrigens sehr gut, denn eigentlich würde mich
nichts mehr im Basislager halten. Ich möchte aufsteigen und die
Highcamps einrichten. Aber bevor Jana und Thorsten im Basislager
eingetroffen sind, wird keiner auch nur einen Fuß in den Eisbruch
setzen. Der Grund ist die zuvor erforderliche Pujazeremonie, bei der
alle anwesend sein müssen. Es wäre unsererseits unverzeihlich, auch nur
irgendeine Aktivität am Berg zu entfalten, bevor die Sherpas diesen für
sie so existentiellen Ritus durchgeführt haben. Die Sherpas sind alle
ohne Ausnahme davon überzeugt, daß eine Puja zwingend notwendig ist, um
Unheil abzuwenden. Sie brauchen dieses Opferfest für ihren
Seelenfrieden, so wie ich übrigens inzwischen auch.
Also werden wir frühestens am 24. April das erste Mal in den
gefürchteten Khumbueisbruch aufsteigen, weil Janas Ankunft erst am Tag
zuvor erwartet wird. Thorsten will einen Tag eher, also am 22. April
hier im Lager sein. Doch die vier Ruhetage, die Thomas und ich dadurch
hier im Basislager haben, sind sowieso nötig, um uns hier besser
einzurichten und sich weiter zu akklimatisieren. Und da das Wetter zur
Zeit wirklich hundsmiserabel ist, kommen dumme Gedanken eben gar nicht
erst auf.
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