21.04.2005: Im Basislager des Mount Everest.

Mir war ehrlich gesagt der Gedanke nicht geheuer, daß das Lager, in dem ich die nächsten fünf oder sechs Wochen verbringen werde, von jemandem anderen eingerichtet worden ist, als von mir selbst. Das hatte es noch nicht gegeben, war aber durch die Umstände nicht zu ändern. Am Cho Oyu und auch am Gasherbrum hatte ich erfahren, wie wichtig es ist, seine Ruhe zu haben, um sich zu erholen und sich auf den nächsten Aufstieg vorzubereiten. Daß am Everest auch zu können, ist besonders wichtig. Doch gerade hier würde es auch besonders schwierig sein, ein ruhiges und etwas abseitiges Plätzchen zu finden, von dem aus es nicht weit zum Einstieg in den Khumbu-Eisbruch ist und wo es auch sauberes Wasser möglichst in der Nähe gibt. Aber Chengba, Dawa und Kami haben dieses Kunststück fertiggebracht.


Auf dem Bild ist mein Zelt zu sehen. Ich kann mich nicht erinnern, je an einem so spektakulären Ort mein Basislager aufgeschlagen zu haben.

Wir liegen direkt am Einstieg zum Eisbruch, auf einer Art Schotterinsel. Rings um uns ragen Eistürme auf, so daß uns niemand zu nahe kommen könnte, selbst wenn er es wollte. Alles war bestens für unsere Ankunft vorbereitet und wir waren regelrecht glücklich, so einen perfekten Lagerplatz vorzufinden und so ein umsichtiges und tüchtiges Team zu haben.


Ein Blick in die Sherpaküche. Hier wird gekocht und gegessen zugleich. Im hinteren Zelt lagern wir die Ausrüstung.

Die ersten beiden Tage vergingen natürlich mit der Einrichtung der Zeltplätze und der üblichen Verrichtungen. Ich habe zum Beispiel zu allererst den ganzen Krempel gesichtet, den ich mit habe und ihn dann auf das Zelt aufgeteilt und auf die Plastetonnen. Es muß eine ziemliche Ordnung gehalten werden mit den vielen Dingen, die man so braucht, sonst vergeht die meiste Zeit mit Suchen.

Gestern wurden die Auf-, Weg- und Umräumarbeiten durch heftigen Schneefall erschwert. Das ganze Lager ist von einer dicken Schneeschicht bedeckt. Ich finde das übrigens sehr gut, denn eigentlich würde mich nichts mehr im Basislager halten. Ich möchte aufsteigen und die Highcamps einrichten. Aber bevor Jana und Thorsten im Basislager eingetroffen sind, wird keiner auch nur einen Fuß in den Eisbruch setzen. Der Grund ist die zuvor erforderliche Pujazeremonie, bei der alle anwesend sein müssen. Es wäre unsererseits unverzeihlich, auch nur irgendeine Aktivität am Berg zu entfalten, bevor die Sherpas diesen für sie so existentiellen Ritus durchgeführt haben. Die Sherpas sind alle ohne Ausnahme davon überzeugt, daß eine Puja zwingend notwendig ist, um Unheil abzuwenden. Sie brauchen dieses Opferfest für ihren Seelenfrieden, so wie ich übrigens inzwischen auch.

Also werden wir frühestens am 24. April das erste Mal in den gefürchteten Khumbueisbruch aufsteigen, weil Janas Ankunft erst am Tag zuvor erwartet wird. Thorsten will einen Tag eher, also am 22. April hier im Lager sein. Doch die vier Ruhetage, die Thomas und ich dadurch hier im Basislager haben, sind sowieso nötig, um uns hier besser einzurichten und sich weiter zu akklimatisieren. Und da das Wetter zur Zeit wirklich hundsmiserabel ist, kommen dumme Gedanken eben gar nicht erst auf.