05.05.2005: Gute Nachrichten von Lager 1

Ein ist ein schönes Wunder, denn es herrscht fast die frohe Gewißheit, daß niemand im Lager 1 getötet wurde. Wir sind alle sehr erleichtert. Gestern wurden die Verletzten den Khumbu-Eisfall heruntergebracht. Der Schock legt sich langsam im Basislager. Es ist dem fortgeschrittenen Stadium der Vorbereitungen auf den Gipfelgang zuzuschreiben, daß sich offensichtlich so wenige Leute im Lager 1 aufgehalten haben. Die meisten verbringen die Nächte jetzt im Lager 2.

Hätten sich in diesen Zelten Menschen befunden, dann wäre es wohl eine noch viel größere Tragödie geworden. Als ich das zerstörte Lager gestern in Augenschein nahm, rechnete ich mit mindestens 20-30 Leuten, die hier oben im Lager 1 die Nacht verbracht haben. Es waren aber nach den bisherigen Erkenntnissen nur acht! Davon sind die meisten mit leichten Verletzungen davongekommen, lediglich ein Sherpa ist ernsthafter verletzt. Die Lawinenkatastrophe am Everest ist also relativ glimpflich ausgegangen. Dennoch wird man wohl darüber nachdenken müssen, wo die Zelte für Lager 1 in Zukunft aufgebaut werden müssen.


Thomas packt seinen Rucksack für den Abstieg nach Pangboche.

Bei uns im Basislager gab es eine Entscheidung von Thomas und Thorsten. Da die Besserung seiner Erkältung keine genügenden Fortschritte macht, hat Thomas sich entschlossen, 1000 Höhenmeter abzusteigen. In einer Lodge unterhalb von Dingboche will er sich vier bis fünf Tage auskurieren. Thorsten hat sich entschieden, Thomas zu begleiten. Er gibt drei Gründe für seinen Entschluss an. Einmal will er Thomas nicht allein absteigen lassen. Der zweite Grund ist der Bewegungsmangel hier oben. Da Thorsten nicht mit auf dem Permit steht, worüber er sehr froh ist, wie er immer wieder sagt, muß er sich nach unten hin Bewegung verschaffen. Der dritte Grund sind chronische Halsschmerzen, die er loswerden will.

Der Entschluß von Thomas, 1000 m abzusteigen, ist in meinen Augen der einzige, den er nach den vorangegangenen Tagen fassen konnte. Seine Erkältung, die sich hier oben nicht durchgreifend bessern konnte, ließ keine andere Entscheidung zu. Natürlich ist es nun sehr schwierig, weiter gemeinsam zu planen. Ich werde auf alle Fälle auch in den kommenden Tagen den Lageraufbau vorantreiben und mich auf den Gipfelgang vorbereiten. Dazu ist als nächstes eine Übernachtung im Camp 3 notwendig und der Aufbau von Lager 4. Da Thomas als Kameramann aus der Planung für den Lastentransport ausgeklammert war, fällt sein vorübergehendes Ausscheiden dafür nicht so sehr ins Gewicht.

Allerdings bin ich persönlich über sein zeitweises Ausscheiden sehr unglücklich, weil es wohltuend ist, mit Thomas am Berg unterwegs zu sein. Wir waren schon am Cho Oyu ein gutes Team und sind es hier noch mehr. Aber ich weiß, daß Thomas mit frischen Kräften wiederkommen wird.