Gestern um 14.00 Uhr Ortszeit, meldete sich Thomas das erste Mal bei uns
im Basislager. Er war gerade im Camp 2 eingetroffen. Das Wetter beim
Aufstieg half ihm. Die Sonne schien und ein leichter Wind ließ ihn bei
der Durchquerung des Tales des Schweigens die Hitze nicht ganz so
spüren. Er klang erschöpft, aber dennoch froh, dort oben angekommen zu
sein. Der Weg vom Basislager bis zum Lager 2 ist endlos lang und umfaßt
1200 Höhenmeter von immerhin 5300 m bis 6500 m. Ich empfinde diesen Weg
als außerordendlich anstrengend, vor allem aber das letzte Stück. Das
Lager 2 ist sichtbar, man geht direkt darauf zu, aber es kommt und kommt
nicht näher.
Auf dem Bild geht der Bergsteiger direkt auf das Lager 2 zu.
Über seinem Kopf sind gerade noch die Zelte auf der kleinen Moräne zu
erkennen. Die Felsen darüber stellen die gewaltige Südwestwand des
Everest dar. Von dem Fotostandpunkt aus läuft man noch eine knappe
Stunde zum Lager.
Heute morgen um 9.00 Uhr hatten wir abermals Funkkontakt zu Thomas. Zu
diesem Zeitpunkt befand er sich gerade am Einstieg in die Lhotseflanke
(6800 m). Sein heutiges Tagesziel ist das Lager 3 (7300 m). Er will dort
hinauf und wieder runter ins Lager 2 (6500 m). Dort will er auch die
kommende Nacht verbringen. Die vergangene Nacht beschrieb er als
erwartungsgemäß sehr unangenehm. Er hätte gar nicht geschlafen. Es gab
aber auch keine Beschwerden, wie zum Beispiel Kopfschmerzen. Seinen
momentanen Zustand beschrieb er als schlapp aber er fühle sich dennoch
in der Lage, seine Ziele bei diesem Akklimatisationsaufstieg weiter zu
verfolgen.
Thomas im Aufstieg durch den Khumbu-Eisbruch
Thomas geht mit diesem Aufstieg nach seiner Erkältung ein hohes Risiko
ein. Für ihn ist es aber die einzige Möglichkeit, seine Chance auf den
Gipfel zu wahren. Er weiß das, und deshalb zieht er diesen eisenharten
Akklimatisationskurs so konsequent durch. Morgen will er, wenn möglich,
ein weiteres Mal zum Camp 3 aufsteigen, vielleicht dort sogar
übernachten, dann ins Basislager zurückkehren. Ich wünsche ihm, daß er
das durchhalten kann. Denn das würde ihm auch wieder die nötige
Zuversicht verschaffen, daß er sein großes Ziel doch noch erreichen
kann. Ich drücke Dir die Daumen Thomas und habe große Hochachtung vor
dem, was Du gerade tust.
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