Schießübungen im Leipziger Schießkeller 20.6.03
Wer auf Spitzbergen unterwegs ist, muß damit rechnen, Eisbären zu begegnen. Solch ein Aufeinandertreffen kann sehr gefährlich werden. Deshalb ist es Vorschrift, dort oben eine Waffe zu tragen.
Anders als die Grizzlys und die Schwarzbären in Alaska, sind die Eisbären relativ häufig aggressiv, weil sie nicht selten Hunger haben. Die Tiere, denen man auf Spitzbergen begegnen kann, sind in den meisten Fällen junge unerfahrene Männchen, die den Zeitpunkt verpaßt haben, im Frühjahr mit dem Packeis die Insel in Richtung Norden zu verlassen. Also durchstreifen sie jetzt das Archipel auf der Suche nach Nahrung.
Zwar ist die Wahrscheinlichkeit eines Zusammentreffens nicht allzu groß, wenn es aber doch dazu kommt, müssen wir unbedingt gewappnet sein. Das heißt vor allem, daß wir die richtige Waffe dabei haben. Sie soll in erster Linie eine sogenannte "große Stoppwirkung" aufweisen, also möglichst großkalibrig sein. Außerdem sollte sie ein Magazin mit wenigstens fünf Schuß besitzen, so daß wir mindestens zwei oder drei Warnschüsse abfeuern können, um dem Bär die Chance zur Flucht zu lassen, und sie sollte so kurz wie möglich sein, damit wir sie auch im engen Zelt noch handhaben können.
All diese Kriterien erfüllen nur äußerst wenige Modelle. Bei meiner ersten Spitzbergentour traf ich Norweger, die schon seit Jahrzehnten auf der Insel lebten. Die hatten damals großkalibrige Revolver dabei und schworen auf ihre Wirksamkeit und die gute Handhabung im Notfall. Aus der Literatur wußten wir, daß Repetierflinten, seit dem furchtbaren Amoklauf von Erfurt allen als Pumpgun in schlimmer Erinnerung, eigentlich die Waffen der Wahl waren. Also wollten wir mit solchen Waffen umgehen lernen und meldeten uns im Leipziger Schießkeller an. Hier fanden wir nicht nur die Waffen unserer Wahl sondern auch außerordentlich fachkundige Einweisung und Beratung (Schiesskeller Leipzig).
Nach einer gründlichen Sichtung der in Frage kommenden Waffen, ging es auf die Schießanlage. Zuerst begannen wir mit einem Revolver .44 Magnum, Smith and Wesson zu üben. Eine gewaltige Faustfeuerwaffe, die mit einem Geschoßdurchmesser von 11,7 mm ganz bestimmt auch einen Eisbären davon abhalten würde, sich mit uns den Magen vollzuschlagen. Das Abfeuern eines solchen Revolvers ist gar nicht so einfach und jagt einem schon einen Schauer über den Rücken. Trotzdem trafen wir alle erstaunlich gut. Ich war überrascht, hatte ich doch angenommen, mit einem Revolver zu treffen, ist so gut wie unmöglich und nur über eine extrem kurze Distanz denkbar. Wir aber trafen auch aus 15 m Entfernung immerhin mit jedem Schuß die Scheibe.
Ein wenig alptraumhaft war die dann zweite Waffe, mit der wir üben wollten. Uns wurde eine Repetierflinte Kaliber 12/70 Remmington in die Hand gedrückt. Sie hat das stärkste verbreitete Kaliber. Der Geschoßdurchmesser beträgt sage und schreibe 18 mm. Wie man eine solche "Kanone" auf einen Menschen richten kann, ist mir ein Rätsel. Ich hatte schon eine gewisse Abneigung die Pumpgun überhaupt in die Hand zu nehmen. Ihr Knall war selbst mit Gehörschutz ohrenbetäubend und der Rückstoß dieser Riesenknarre einfach nur unangenehm und schmerzhaft. Obwohl dieses Ungetüm noch nicht mal eine Kimme hat und man nur über den Lauf und das Korn zielen kann, war es wieder erstaunlich, wie gut wir alle trafen.
Geradezu ungeheuerlich ist die Durchschlagskraft dieses Monsters. Das Foto zeigt eine von unseren Geschossen durchschlagene mehrere Millimeter dicke Stahlplatte. Nichts Lebendes kann solch gewaltigen Geschossen mit dieser Durchschlagskraft widerstehen, auch kein Eisbär.
Fest steht, daß wir uns alle einig darüber sind, möglichst eine solche Waffe bei den beiden Touren mitzuführen. Die Wirkung, die ausreichende Treffsicherheit und die einfache Handhabung hat uns mehr als überzeugt. Auf unserer Tour 2004 jedenfalls, werden wir auf jeden Fall eine solche Repetierflinte dabei haben. Ob wir uns diese Waffe in Spitzbergen leihen können oder wir sie von hier mitnehmen, also eine Waffenbesitzkarte erwerben müssen, daß werden wir auf unserer Erkundungstour, die ja nun in wenigen Wochen beginnt, herausfinden.