Letztes Training
Der Aufstieg am fixierten Seil mit der Steigklemme, auch Jümar genannt und das Abseilen sind die beiden wichtigsten Fähigkeiten, die meine Gäste am Island Peak haben müssen. Hunderte Meter müssen dort hinauf gejümart, ebenso viele Meter abgeseilt werden. Beide Dinge kann man heute, in den Zeiten des Sportkletterns aber fast nirgendwo mehr wirklich lernen. In Kletterhallen seilt man nicht mehr ab und den Umgang mit einer Steigklemme kann man schon gar nicht erfragen, weil so ein Ding dort keiner kennt.
Das Jümaren kann auf die Dauer ziemlich anstrengend sein, hat Thomas gesagt!
Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass ich vor Ort in Nepal immer wieder auf Seilschaften treffe, die Teilnehmer mit dabei haben, die keinerlei Ahnung von diesen Dingen haben und deshalb sich und andere regelmäßig in Gefahr bringen. Ich bin jedenfalls sehr dankbar, wenn meine Gäste weder Kosten noch Mühen scheuen, sich diese Fertigkeiten anzueignen, bevor wir am Berg sind. Denn so können wir uns am Berg auch auf andere Dinge konzentrieren.
Doris kämpft mit der Schwerkraft. Doch mit jedem Aufstieg geht es leichter.
Das wichtigste ist aber das Ziel, das meine Gäste sich in die Lage versetzen, am Berg für sich selbst die Verantwortung zu übernehmen. Denn es ist eine Tatsache und jeder, der etwas anderes behauptet, überschätzt sich maßlos, dass das niemand anderes für einen tun kann. Auch kein Bergführer und schon gar kein Sherpaguide, der zwar unheimlich stark sein mag, aber sonst wenig oder gar keine Ahnung hat.
An einem Sechstausender im Himalaya muss jeder soviel wissen und können, dass er zur Not auch allein zurecht kommen kann. Einem anderen die Verantwortung zu überlassen und von ihm zu verlangen, dass er einen schon auf den Gipfel bringen muss, wo man doch bezahlt hat, kann ganz böse ausgehen.
Doris ist oben angekommen und nun müssen die 40 Meter wieder abgeseilt werden. Aber das kann Doris nicht mehr schrecken.
Jeder, der sich vornimmt, einen Berg zu besteigen und sei es auch nur in der Sächssichen Schweiz oder in den Alpen, sollte so an die Sache heran gehen und nur sich selber vertrauen. Ich kann meinen Gästen die notwendigen Fähigkeiten vermitteln, Ratgeber sein, meine Erfahrungen zur Verfügung stellen, vor Ort helfen und mit ihnen gemeinsam unterwegs sein. Aber klettern mit allem was dazu gehört, um heil und gesund wieder nach Hause zu kommen, voller unauslöschlicher Eindrücke und Erfahrungen, das muss schon jeder selbst!