Verletzlich
Das Erste, was Georg heute morgen anmerkte, war ein Kommentar zu meinem letzten Satz in der News von gestern. Denn über Nacht ist der Luftdruck tatsächlich im freien Fall gesunken, und es donnert gerade ein Sturm über uns hinweg. Solch eine Naturgewalt über einen hereinbrechen zu sehen, ist, gelinde gesprochen, immer wieder eine sehr unangenehme Erfahrung. Wir befinden uns hier völlig schutzlos in immerhin fast 1400 m Höhe auf dem Plateau des patagonischen Inlandeises. Hier gibt es kein Hindernis für den Wind. Es herrscht ein solcher Lärm im Zelt, dass man sein eigenes Wort nicht versteht. Die Zeltwände schlagen dermaßen, dass man sich besser von ihnen fernhält. Die Vorstellung, sie könnten den Kräften des Sturmes nicht standhalten, ist schon beängstigend. Man wird sich seiner Verletzlichkeit bewusst. Wir sind den entfesselten Elementen ausgeliefert und können nicht viel mehr tun als warten und hoffen, dass unser Zelt auch diesen Sturm übersteht.
Und man ist ständig am überlegen, wie es zu verhindern wäre, raus vor das Zelt zu müssen. Georg hat es soeben erwischt. Er konnte eine bestimmte, unter diesen Umständen sehr unschöne, Angelegenheit nicht weiter aufschieben. Doch hat er das Beste daraus gemacht und anschließend auf der Windseite eine Mauer um das Zelt errichtet. Nun ist es hier drinnen schon ein ganzes Stück erträglicher geworden.
Wir wissen nicht, wie sich das im Laufe des Tages noch weiter entwickeln wird. Wahrscheinlich können wir heute nicht mehr weiter. Das wäre ein Novum auf dieser Tour, denn bisher sind wir immer irgendwie noch ein Stückchen vorangekommen, wenn es auch nur ein paar hundert Meter waren.