artour und die Berge
Hochkultur und Hochgebirge! Passt das zusammen? Auf jeden Fall finden die Macher des MDR-Kulturmagazins artour die Frage interessant, was die Faszination der Berge ausmacht. Warum steigen Leute auf hohe Gipfel und riskieren dabei Gesundheit und sogar ihr Leben? Und wieso gehen immer mehr Leute klettern? Diese offensichtlich gefährliche und anstrengende Spielart des Bergsports gehört sicher zu den derzeit weltweit am stärksten boomenden Sportarten überhaupt. Das Phänomen ist so auffällig, dass auch passionierte Flachländer darauf aufmerksam werden. Deshalb widmet die Redaktion des MDR-Kulturmagazins dem Thema Berg am kommenden Donnerstag um 22.05 Uhr eine ganze Sendung. Ich bin eingeladen worden, zur Aufklärung dieses Rätsels beizutragen. Und die passende Kulisse für das Nachdenken über diese Fragen liegt ja direkt vor der Haustür. Wir sind also mit einem Kamerateam und einem Redakteur in die Sächsische Schweiz gefahren. Ich sollte dort für die Kamera klettern und in einem Interview meine Meinung zu verschiedenen Fragen rund um das große Thema Berg kundtun.
Dabei ging es unter anderem auch darum, wie sich die Vorstellung der Menschen in Bezug auf die Berge in den vergangenen drei Jahrhunderten geändert hat. Es ist nämlich keineswegs so, dass die Menschen von den Bergen schon immer fasziniert waren, ganz im Gegenteil! Man empfand sie als unbrauchbar und selbst in ästhetischer Hinsicht als abstoßend. Man bezeichnete sie als „Warzen“, „Geschwulste“ und „Wucherungen“. Zu dem waren die Berge äußerst gefährliche Aufenthaltsorte und das nicht nur, weil man abstürzen, von Steinen erschlagen oder von Lawinen verschüttet werden konnte. Die Berge waren der Sitz des Übernatürlichen und Feindseligen und mußten um jeden Preis gemieden werden.
Doch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts änderte sich diese Einstellung allmählich. Ein Meilenstein, der diese Entwicklung maßgeblich beeinflusste, war die Erstbesteigung des Mont Blanc 1786. Man begann plötzlich, aus anderen Gründen als unvermeidlicher Notwendigkeit in die Berge zu gehen. Anfangs scheute man sich noch davor, gänzlich sinnfrei also nur um des Erlebnisses selbst willen auf die Berge zu klettern. Also schob man wissenschaftlichen Erkenntnisdrang vor. In der Frühzeit des Bergsports hatte man immer Gerätschaften dabei, um irgendwelche wissenschaftliche Untersuchungen durchzuführen. Doch das änderte sich bald. Die Berge begannen, eine immer stärkere Anziehungskraft auf die Menschen auszuüben. Und bald ging man zu ihnen einzig und allein, um sich an ihrer Schönheit und Größe zu erfreuen und ihre Erhabenheit in sich aufzunehmen. Die Berge gewannen eine immer stärkere und in zunehmendem Maße verhängnisvolle Macht über den menschlichen Geist. Die Erstbesteigung des Matterhorns ist ein Sinnbild für diese Entwicklung. 1862 behauptete der englische Kunstmaler John Ruskin von seinem Lieblingsberg, dass „die Wirkung dieses seltsamen Matterhorns auf die Vorstellungskraft tatsächlich so groß ist, dass selbst die ernsthaftesten Philosophen sich ihr nicht entziehen können“. Bei der gelungenen Erstbesteigung drei Jahre später durch Edward Whymper und anderen stürzten vier der erfolgreichen Bergsteiger beim Abstieg in den Tod.
Doch solche Tragödien haben der zunehmenden Huldigung der Berge keinen Abbruch getan, sondern bewirkten das genaue Gegenteil. Heute verehren Millionen Menschen die Berge. Das Raue, Unbarmherzige und Wilde der Gebirgslandschaften zieht uns magisch an. Und je tiefer wir hineingezogen werden in die mechanistischen Welten unserer Zivilisation, in der wir scheinbar alles unter Kontrolle haben, die aber in Wahrheit uns kontrolliert und die uns angeblich Untertan ist, deren Untertanen aber in Wirklichkeit wir sind, desto mehr sehnen wir uns nach der Unberechenbarkeit und auch nach der Gefährlichkeit der Berge.
Hallo Olaf,
ich schaue am Donnerstag, na klar!!! Wenn ich bis dahin nicht geschmolzen bin, pffff …. ist das eine Hitze!
Veronica