Zu langsam

Als Fabian die Schneehänge sah, über die wir vorhatten, zum Pass aufzusteigen, war sein Urteil klar. Wäre er im Winter auf Skitour unterwegs, würde er umkehren. Er wollte vernünftig sein, ich wollte das schließlich auch. Doch zwei andere Seilschaften dachten scheinbar gar nicht daran, sich dieses Wetterfenster entgehen zu lassen. Und so war es uns plötzlich gar nicht mehr möglich, zu kneifen. Wir können doch nicht umkehren, wenn andere den Aufstieg wagen! Also schlossen wir uns an. Je höher wir kamen, desto schwieriger wurde die Spurarbeit. Zuerst einen halben Meter dann weiter oben einen Meter Neuschnee hatte es gegeben:

Wie die Schneepflüge kamen wir uns vor. Man bekam das Knie nicht hoch genug, um den nächsten Schritt zu machen. Es war eigentlich sinnlos.

Am Paso angekommen, galt es eine Unterkunft herzurichten. Auf ein Zelt hatten wir verzichtet. Wir fanden glücklicherweise eine alte völlig zugewehte Schneehöhle, gruben sie wieder aus und machten es uns so richtig „gemütlich“. So eine Schneehöhle kann recht komfortabel sein, wenn sie ausreichend geräumig ist und nach ein paar einfachen physikalischen Regeln gebaut wurde. Doch dann haben zwei Leute einen halben Tag zu tun, schon ganz und gar, wenn es eine Eis- und keine Schneehöhle ist. Unsere Höhle war eigentlich eine Katastrophe. Viel zu niedrig und zu eng. Dauernd stieß man sich mit dem Kopf an der Decke. Ausserdem mußte man nach unten statt nach oben in sie hinein kriechen. Deshalb sammelte sich die Kälte in ihr.

Diese Höhle war eben schon halbwegs fertig, und weil wir uns nicht überwinden konnten, eine neue zu bauen, namen wir mit ihr vorlieb.

Am nächsten Tag begannen wir sehr zeitig mit dem Kochen. Wir wollten einfach sehen, wie hoch wir kommen würden. Doch außer uns machte sich niemand bereit, weiter nach oben zu gehen. Zwei Kanadier, die mit uns zum Paso aufgestiegen waren, hatten schon am Vortag die Segel gestrichen. Zwei Amerikaner verbrachten zwar neben uns die Nacht in einem Zelt. Doch als wir aufbrachen, schliefen die beiden noch wie die Steine. Also machten wir uns alleine auf den Weg. Allerdings war relativ schnell klar, dass wir auf verlorenem Posten kämpften. Normalerweise geht man vom Paso superior ein bis zwei Stunden bis zum Einstieg in die Brecha de los Italianos. Wir brauchten fast fünf. Spätestens jetzt hätten wir ruhigen Gewissens umkehren können, doch irgendwie waren wir darauf nicht programmiert. Endlich erreichten wir den Bergschrund. Doch so wie der aussah, würden wir wieder Zeit verlieren.

Es gab keine Stelle, wo der Bergschrund einfach und gefahrlos zu überwinden gewesen wäre. Da ich für die Seillängen im Eis zuständig bin, war es an mir, hier in den sauren Apfel zu beissen.

Anschließend ging es in kombiniertem Gelände weiter. Alles war tief verschneit und so langsam reifte nun doch der Gedanke, dass es keinen Sinn hatte, weiter zu machen. Wir vergeudeten hier einfach nur Kraft und Motivation. Es ist eben noch nicht so weit. Der Berg muss erst wieder ein bisschen abtauen. Alles ist voller Eis. Also kehrten wir um.

Im Nachgang betrachtet, erweist sich die ganze Aktion als ziemlich sinnlos. Dennoch war es irgendwie viel einfacher, weiter zu gehen, als tatenlos vom Paso superior wieder abzusteigen. Vielleicht fehlt uns die Erfahrung und die nötige Geduld, die man hier in Patagonien mehr als anderswo aufbringen muss. Doch wenn man drei Monate Zeit hat, dann ist es leichter, genügend Geduld zu haben. Doch gleich drei Monate im Kühlschrank sitzen und Geld verbrennen? Wann sollte man es dann verdienen? Wir jedenfalls stehen in den Startlöchern und warten auf den nächsten Wetterbericht.

Schon die Brecha de los Italianos ist keineswegs mal so eben geklettert. Das Fotos zeigt Fabian am Beginn der zweiten Seillänge im Nachstieg.

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9 Antworten

  1. Jens K. sagt:

    Hi Olaf, ein Satz in Deinen letzten News hat mich etwas beunruhigt: „Und so war es uns plötzlich gar nicht mehr möglich, zu kneifen.“ Eindeutig falsch! Das haben sicher schon viele vor Euch gedacht, aber … es geht, und verlangt darüber hinaus noch mehr Mut! Also, macht keinen Quatsch und geht bitte nur an, was Ihr selbst (!) als vertretbar einschätzt. Wann die Geduld am Ende ist, fehlt vielleicht der selbst erhobenen Zeigefinger, deshalb von hier meiner. Ich bin überzeugt, Euer Wetterfenster kommt dann, wenn Ihr es am wenigsten erwartet. Denn warum sollte der Wetterbereicht bei Euch zielsicherer sein als hier!
    In der Ruhe liegt die Kraft!
    Beste Grüße und bestes Wetterglück aus der winterlichen Heimat wünscht Euch
    Jens

  2. Ralf Brummer sagt:

    Hallo Olaf, hallo Fabian,
    Euch weiterhin viel Kraft, Wille und die notwendige Portion Glück.
    Bin in den Gedanken sehr oft bei Euch.
    Olaf, habe mich über Deinen Anruf am 07.12. sehr gefreut!
    Berg heil, Ralf

  3. Hi Fabian, hi Olaf,

    Puh – gerade noch mal gut gegangen!?? Abgesehen vom Wind ist das wetter hier auch nicht viel besser. Aber es gibt wenigstens einen warmen Ofen. Passt auf euch auf, bitte!
    beste Wünsche und viel Glück,
    Christine und vVolker

  4. Veronica sagt:

    Passt auf euch auf!!!! Diese Schneemassen an den steilen Hängen sehen für mich als Laie verd…. gefährlich aus!!!
    Veronica

  5. Jana sagt:

    Hallo lieber Olaf,
    als ich damals am Everest nach dem Hirnödem den Entschluss fasst, nicht noch mal hoch zu gehen, fandest du das gut und richtig. Und auf jeder Tour, die wir im lawinen- bzw. eisschlaggefährdetem Gelände unterwegs waren, hast du endlose Vorträge drüber gehalten und gewarnt und ermahnt. Bleib dir treu und bringe tolle Fotos mit den dazugehörigen grandiosen Abenteuern nach Hause, nicht unbedingt vom Gipfel!!!
    Liebe Grüße aus dem ebenfalls winterlichen Karlsfeld
    Jana

  6. Salve Fabian + Olaf,
    schön cool bleiben, ob im Schneeloch oder beim Bulgaren-Schach,setzt euer wertvolles Leben nicht aufs Spiel für`n Roy Fitz´e!
    Wie Jens sagte:in d.Ruhe,Gedult,liegt d.Kraft,+R.Karl:noch überwiegt d.Vorfreude,doch Emotionen verpuffen,u.Berge bleiben teilnahmslose Zeugen!!
    Ihr seht gut aus,sollte auch mal gesagt werden.
    Evi + ich glauben an euren Erfolg,was d.Wetter glaubt weiß nur Mother-Patagonia!
    Liebste Grüße aus em Allgäu,wir sin bei euch … Evi + Ralf

  7. David sagt:

    Hallo Olaf,
    gestern habe ich Steffi beim Klettern im No Limit kennen gerlernt. Sie hat mir über deine spannenden Projekte berichtet.

    Nun bin ich auf deinem Blog und bin vollends begeistert über deine Berichterstattung.

    Ich wünsche euch, dass das nächste Wetterfenster nicht so lange auf sich warten lässt und ihr dem Eisriesen mal gehörig auf den Leib rücken könnt.

    Vielleicht sehen wir uns ja mal beim klettern. Es würde mich riesig freuen!

    Ich drück euch die Daumen für euren Erfolg.

    sportliche Grüße David

  8. David sagt:

    Beste Grüße auch an Fabian!

  9. Name sagt:

    So so, ein Hirnödem am Everest. Immer fest daran glauben. Das nennt man übrigens Ideoplasie.

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