Voreilig
Als ich heute morgen einem Kletterer erzählte, dass ich soeben das erste Mal in Chamonix war, wollte er das kaum glauben. Eigentlich sollte ich das ja lieber verschweigen, meinte er. Denn dieser Ort ist schließlich nichts anderes als die Welthauptstadt der Kletterer und Bergsteiger. Das Potential, um sich dort in der Vertikalen zu betätigen, ist überwältigend. Aber wenigstens jetzt weiss ich genau: Dort werde ich, falls ich gesund bleibe, noch öfter sein. Der Hauptgrund nach Chamonix zu fahren, war ja die Idee von Florian, gemeinsam den Mont Blanc zu besteigen. Leider konnte Christoph wegen einer Grippe und Tilo, weil er arbeiten musste, nicht mit dabei sein. Die beiden haben eine Menge verpasst, denn der höchste Berg der Alpen zeigte sich von seiner allerbesten Seite. Es war ein entspannter Aufstieg bei idealen Verhältnissen und Kaiserwetter.
Der Aufstieg auf den Mont Blanc (über Tète Rousse und Gouterhütte) führt über ausgedehnte Firnflanken und unschwere Grate. Alles in allem ein ausserordentlich leichter und ungefährlicher Anstieg von dem kleinen Couloir oberhalb der Tète Rousse Hütte einmal abgesehen. Da kollert immer mal ein Stein herunter.
Auch der einige hundert Meter lange Gipfelgrat stellt den Bergsteiger vor keine besonderen Heraus-forderungen. Was so mancher allerdings unterschätzt, ist die Tatsache, das man an diesem Berg auf fast 5000 m Höhe aufsteigen muss. Schlecht akklimatisiert ist der Mont Blanc eine recht anspruchsvolle Willensleistung.
Nur einen Wermutstropfen gibt es an diesem Berg. Wenn solche Verhältnisse anzutreffen sind, dann ist man dort alles andere als allein. Davon einmal abgesehen, war die Besteigung eine schöne kleine Hochtour. Probleme gab es von einer ganz anderen und völlig unerwarteten Seite. In den Gesprächen, die Florian, Klaus und ich miteinander geführt haben, stellte sich rasch heraus, dass es grosse Differenzen in der Auffassung zu verschiedenen unsere Hidden-Peak-Expedition betreffenden Dingen gibt.
Das Basislager am Mont Blanc an der Tète Rousse Hütte in 3167 m Höhe. Im Hintergrund die Nordflanke der Aiguille de Tricot.
Vor allem die Idee von einer Begleittrekkinggruppe als auch die Möglichkeiten einer Vermarktung der Expedition wurden von uns ganz unterschiedlich bewertet. Florian hat diesbezüglich andere Prioritäten als die anderen Teilnehmer. Auch über die Routenwahl gibt es verschiedene Ansichten. Unsere jeweiligen Notwendigkeiten und Meinungen sind jedenfalls nicht in Übereinstimmung zu bringen. Es wurde sogar ein bisschen unangenehm. Meine Hoffnung, mit Florian einen starken Partner gefunden zu haben, der am Hidden Peak am gleichen Strang ziehen wird, erwiesen sich als voreilig. Das ist sehr schade, denn am Mont Blanc waren wir dann wieder ein harmonisches und gut aufgelegtes Team, wohlgemerkt nach unseren Diskussionen. Wie es weitergehen wird, ist derzeit noch offen.