Schlechte Nachrichten
Wieder zu Hause! Es ist schon ein bisschen deprimierend, wie schnell ich mich an den Alltag hier anpasse. Fast will es mir schon nach zwei Tagen in Leipzig scheinen, als wäre ich nie weggewesen. Aber vier Wochen Nepal sind auch nicht wirklich lange. Ich werde die Zeit hier geniessen, denn lange dauert es ja nicht mehr, bis es wieder losgeht. Alle Aufmerksamkeit gilt jetzt der Vorbereitung der neuen Expedition zum Hidden Peak in Pakistan. Doch leider gibt es diesbezüglich eine schlechte Nachricht. Die betrifft allerdings nicht uns sondern die Expedition des österreichischen Bergsteigers Gerfried Göschel. Er und sein Team wollten den Hidden Peak erstmals im Winter besteigen. „Wir befinden uns 450 m unterhalb des Gipfels. Ich glaube, wir schaffen es. Ich melde mich später wieder“. Diese Meldung via Satellitentelefon am 8. März ist das letzte Lebenszeichen des 39-jährigen und seiner beiden Kameraden, ein Schweizer und ein Inder. Zum letzten Mal gesehen wurden die drei von polnischen Bergsteigern kurz unterhalb des Gipfels. Zum Zeitpunkt des letzten Kontaktes war im Gebiet des inneren Karakorums eine Schlechtwetterfront im Anzug. Die Sicht lag die darauffolgenden Tage bei Null, die Temperaturen sanken auf unter minus 30 Grad.
Doch Gerfried Göschel ist einer der besten und erfahrensten Höhenbergsteiger der Welt. Den Everest bestieg er ohne Zusatz-sauerstoff und Trägerhilfe als erster Österreicher. Den Nanga Parbat bewältigte er auf einer neuen Route im Alpinstil. Es besteht also durchaus noch Hoffnung, dass er und seine Begleiter es geschafft haben könnten, in ein Lager unterhalb der Todes-zone, also tiefer als 7000 m abzusteigen. Nur dort hätten sie die Chance, lange genug zu überleben, um das schlechte Wetter auszusitzen.
Ich werde oft gefragt, ob mich solche Ereignisse nicht abschrecken. Und in diesem speziellen Fall werden das wohl besonders viele Leute fragen. Doch die Antwort darauf ist einfach. Das Höhenbergsteigen führt einen häufig sehr weit weg von Sicherheit und Berechenbarkeit. Genau das macht ja den Reiz des Ganzen aus. Wüssten wir vorher schon, wie die Sache ausgeht, dann würden wir sie nicht so extrem intensiv und authentisch erleben können. Jeder, der dort hinauf in die Todeszone steigt, weiss, worauf er sich einlässt. Er schlägt die Tür hinter sich zu. Ihm ist vollkommen klar, dass er nur sich selbst helfen kann und auf Rettung von aussen vergeblich wartet. Gerfried Göschel hat etwas gewagt, was zu den absolut extremsten Unternehmungen zählt, die überhaupt denkbar sind. Ich wünsche ihm von Herzen, dass er und seine Kameraden dafür nicht den höchsten Preis zahlen müssen.
Die Nachrichten werden leider immer schlechter. Alle Rettungsaktionen und Helikopterflüge verliefen heute ergebnislos. Nirgendwo ein Zeichen der drei Bergsteiger.
Nach menschlichem Ermessen gibt es für Gerfried Göschel und seine beiden Begleiter inzwischen keine Hoffnung mehr. Der einzige Trost kann nur der Gedanke sein, dass die drei ihrer Passion nachgingen, als sie ums Leben kamen. Das macht ihren Tod zumindest nach meiner Ansicht nicht sinnlos. Dennoch bleibt für mich die Frage: Warum bricht man zu so einem Unternehmen auf, wenn man eine Frau und zwei kleine Kinder hat?
Ich finde, Bergsteiger sollten sich überlegen, wie extrem die Unternehmung sein muss!? Eine Besteigung im Winter? Und auch noch auf einer neuen Route? Außerdem ist wirklich die Frage, wie die Rahmenbedingungen sind – bei 2 kleinen Kindern muss man sich doch nun wirklich nicht über alle Maßen in Lebensgefahr bringen!
Doch es ist halt wie mit allem – hat man bestimmte Ziele erreicht, will man immer und immer mehr…!