Trotzdem verloren (Teil 1)

Es reicht an einem solchen Berg eben nicht, wenn wir alles geben und kämpfen wie die Löwen. Wir dürfen ausserdem keine Zeit vergeuden, müssen Gelegenheiten rigoros ergreifen, die richtige Strategie wählen, dürfen uns keine Fehler erlauben. Und ein bisschen Glück brauchen wir auch noch. Von jedem ein bisschen hat hier wohl gefehlt.

Ich gehöre nicht zu denen, die das Kunststück fertig bringen, auch noch aus einer Niederlage einen Sieg zu machen. Dazu fehlt mir unter anderem die entsprechende Gemütsverfassung. Ich bin einfach nur niedergeschlagen und traurig, weil wir es nicht geschafft haben. Mich tröstet auch nicht, wie ich eigentlich gedacht hatte, dass wir in dieser Sommersaison am Hidden Peak diejenigen waren, die das Couloir versichert haben und am höchsten gekommen sind. Der Grund dafür ist, dass ich selten so deutlich gespürt habe, dass wir konditionell in der Lage wären, den Gipfel zu erreichen. Wir sind stark genung für ihn und der Weg ist frei.

Unmittelbar nach der Ankunft im Lager 1 nach dem Abstieg von Lager 2 mit knapp 30 Kilo auf dem Rücken. Ich bin vom Spuren völlig am Ende.

Wir sind am Montag (06.08.) losgelaufen. Einen Tag später als es eigentlich für einen geordneten Gipfelangriff nötig gewesen wäre. Trotzdem hatte ich noch Hoffnung, falls wir an diesem Tag Lager 2 erreichen würden. Und wir hatten kein Gepäck! Doch als wir elf Stunden später völlig ausgelaugt von der Spurarbeit im Tiefschnee und am Ende unserer Kraft und auch den Nerven im Lager 1 eintrafen, war mir die Sache klar. An diesem Tag würden wir niemals noch bis zum Camp 2 steigen können. Aber unser Lager 1 gab es ja nicht mehr. Das Zelt lag schon im Basislager. Wir hatten uns völlig verschätzt und befanden uns nun in einer blöden Situation. Die einzige Möglichkeit, die es nun für uns gab, waren zwei winzige, fremde Zelt, die noch in Camp 1 standen. Uns blieb nichts anderes übrig, als die Nacht dort drin zu verbringen. So etwas hab ich noch nie machen müssen. Ich hab mich heute bei den Besitzern dieser Zelte auch dafür entschuldigt.

Der Dachfirst eines dieser beiden Zelte im Lager 1. Bei diesem Anblick kann man vielleicht ahnen, was es hieß, den endlos langen Weg hier hinauf bei permanenter Spaltengefahr und bei fast Null Sicht zu gehen. Ich wäre bei diesen Verhältnissen nie losgelaufen, wenn unser Zeug nicht runter gemusst hätte.

Am nächsten Tag auf dem Weg zum Lager 2 derselbe Horror noch ein weiteres Mal. Kilometerweites Spuren bei teilweise extrem schlechter Sicht. Das zerrt im spaltengefährlichen Gelände gewaltig an den Nerven. Wieder artete diese Etappe in einen kaum vorstellbaren Kraftakt aus. Diese beiden Tage waren für mich die anstrengendsten der gesamten Expedition. Und wie nicht anders zu erwarten, mussten wir oben auf dem Gasherbrumsattel bei extremer Kälte und obligatorischem Sturm wieder einmal das fast völlig zugeschneite Zelt ausgraben. Volle zwei Stunden waren wir damit beschäftigt. Einer schaufelt und einer ruht sich aus, erfriert dabei aber leider fast.

Ich hab es schon oft gesagt. Der Weg, einmal um den halben Hidden Peak herum, ist sicher einmalig an einem Achttausender. Doch bei diesen Bedingungen ist er kaum zu bewältigen, schon gar nicht an einem Tag.

Es stürmte und schneite die ganze Nacht. Von Wetteränderung und eventueller Gipfelchance nicht die geringste Spur. Als es gegen Abend kurzzeitig etwas weniger windig war, machten wir uns daran, unser Zelt so freizulegen, dass wir es am nächsten Morgen abbauen konnten. Nicht nur die Verankerungen mussten freigehackt werden. Das ganze Zelt hatte sich in den Untergrund eingeschmolzen und wurde nun mit dem Pickel Zentimeter um Zentimeter vorsichtig freigelegt. Trotz aller Sorgfalt hat mein schönes Zelt einiges an Blessuren und Löchern abbekommen.

Unser Zelt im Camp 2. am 7. August. Für diesen Tag war eigentlich der Gipfel geplant. Darüber allerdings brauchten wir auch für den nächsten Tag nicht mal nachzudenken. Wir kamen also leider nicht in Versuchung, und das ist schon mehr als traurig.

Von dieser Vorarbeit profitierten wir vorgestern morgen. Ein Gipfelversuch kam also gar nicht mehr in Frage. Wir konnten froh sein, wenn wir es an diesem Tag bei diesem Wetter mit unserer Riesenlast bis ins Lager 1 schaffen würden. Das Wetter besserte sich zwar im Tagesverlauf. Aber das hatten wir auch nötig, denn wir waren am Ende unserer Kräfte. Um sechs Uhr morgens begannen wir nach einem bitterkalten Zeltabbau mit dem Abstieg. Kurz vor zwölf Uhr trafen wir im Lager 1 ein und stellten hier unser arg lediertes Zelt wieder auf. Den letzten Abstieg von Lager 2 zum Lager 1 hatten wir in der Hälfte der Zeit bewältigt. Wieder musste fast der gesamte Weg neu angelegt werden, denn der Wind hatte unsere Aufstiegspur verweht.

Christoph im Abstieg kurz unterhalb des Gasherbrumsattels im "Oberen Eisbruch". Es war extrem kalt an diesem Morgen. Aber wenigstens sehen konnten wir etwas.

Im Lager 1 dann endlich ein wenig Entspannung. Hier unten war es im Vergleich zum Sattel regelrecht windstill. Wir konnten in Ruhe kochen und aßen alles auf, was wir noch hatten. Doch die Nacht war kurz. Schon dreiviertel Drei begannen wir zu trinken. Ich wollte unbegingt die flache und extrem spaltenreiche Etappe auf dem oberen Gasherbrumgletscher ohne Sonneneinstrahlung hinter mich bringen. Um Fünf wollten wir starten. Dann kämen wir auf drei Stunden Zeit ohne Sonne bis zum Beginn des „Unteren Eisbruchs“. Das sollte wohl zu schaffen sein. Ab hier war es nur noch schwierig mit unserer Last aber auf alle Fälle weniger gefährlich, wenn die Sonne schien.

Der Abstieg von Lager 1 ins Basislager, vor dem ich mich noch mal ziemlich gefürchtet hatte, ging reibungslos vonstatten. Die Spalten werden zwar immer bedrohlicher, denn der Sommer ist fortgeschritten, aber wenn die Brücken durchgefroren sind, dann stehen die Chancen immer noch gut, ohne Abstürze durchzukommen.

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Eine Antwort

  1. ERGO sagt:

    Hallo Olaf, hallo Christoph,
    endlich eine mit Spannung erwartete Nachricht. Gut zu erfahren, dass der Abstieg vom Berg bis ins Basislager gesundheitlich gut und ohne Unfall verlaufen ist. Nicht traurig sein, dass der Gipfel nicht erreicht wurde. Das Wetter war nicht euer bester Freund. Die bestandenen Herausforderungen bringen eine Menge an Erfahrung und Erfolgserlebnisse. Seid zufrieden, mehr war sicher nicht verantwortbar.
    Für den weitern Rückweg wünsche ich euch und euren Begleitern gesunde Heimkehr.
    Die Karte von „Hidden Peak 2012“ ist schon da. Besten Dank!

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