Everest Basecamp

Schöne neue Alpinistenwelt! Jeden Tag Viergänge-Dinner, TV-Zelt, Heating-Zelt, natürlich Kommunikations- und selbstverständlich Meeting-Zelt. Da frage ich mich doch sogleich, warum man nicht ein paar von den Zelten zusammen legen konnte. Ich habe volle zwei Tage im Everest-Basislager zugebracht und die abgefahrendsten Sachen entdeckt. Dinge, die man nicht für möglich hält.

Dass ich sie zum Teil anschauen und sogar fotografieren durfte, lag daran, dass die „großen Bosse“, also die Expeditionsleiter, oft gleichzeitig auch Chefs der bedeutenden ausländischen Agenturen, noch nicht im Basislager anwesend sind. Sie, wie auch die Klienten kommen erst, wenn alles fertig ist. Und bis alles fertig ist, sind die Sherpas die Bosse. Und da ich weiss, wie man ihnen umgehen muss, durfte ich fast alles. Ist die Saison erst einmal richtig losgegangen, wird es nicht mehr so einfach sein, hinter die Kulissen zu schauen.

Mein Favorit: Die Treppe! Damit die indischen Millionäre vom Mess- in das TV-Zelt möglichst unverletzt kommen, bauten die Sherpas eine Treppe!

Dieser Blogbeitrag soll nicht wertend sein. Und hört er sich dennoch an manchen Stellen so an, dann ist das unbeabsichtigt. Urteile können andere fällen. Er soll nur zeigen, an kleinen aber sehr typischen Beispielen, was sich an einem der seltsamsten Orte auf diesem Planeten alle Jahre wieder abspielt. Und es wird von Jahr zu Jahr seltsamer, jedenfalls in meinen Augen. Denn alle wissen doch so ungefähr, was im Everest-Basislager und am Berg selbst wirklich los ist.

Auch nicht von schlechten Eltern. Das Magazin einer sehr großen neuseeländischen Agentur. Auf der anderen Seite gabs noch so ein 10-Meter-Regal. Wer der Chef da gewesen, hätte ich nie dort hinein gedurft.

Eigentlich müsste sich der Trend zu immer mehr Komfort, immer mehr Sherpas, immer mehr Absicherung doch irgendwann umkehren, weil die ganze Sache sonst mit der Zeit lächerlich zu werden droht. Aber nein, in den acht Jahren, die ins Land gegangen sind, seit ich meinen privat organisierten Versuch am Everest hatte, ohne Sauerstoff und leider auch ohne Ofenzelt, hat sich die Infrastruktur noch einmal extrem aufgebläht. Täglich etwa 20 bis 25 Yakkarawanen (4-15 Yaks, ein Yak trägt ca. 50-60 Kilo) mit durchschnittlich 200 bis 750 Kilo Ausrüstung, Verpflegung und Brennstoff treffen so ungefähr vier Wochen lang jeden Tag im Basislager ein. Von Mitte März bis Mitte April dauert der Aufbau und die Einrichtung des mit riesigem Abstand größten Basislagers der Welt. In den Wochen danach wird zwar kaum noch Ausrüstung aber weiterhin Nahrung und Brennstoff fast in gleicher Menge dort hinauf geschafft. 1000 Mann futtern was weg.

Ebene Flächen zu planieren, das ist die Hauptaufgabe der Vorhut-Armee. Diese Jungs versuchten es auf die umgekehrte Art. Anstatt Kubikmeter von Eis weg zu hacken, wollten sie eine Eisfläche so dick mit Steinen bedecken, dass sie nicht schmilzt.

In Hochzeiten werden hier tatsächlich zwischen 1000 und 2000 Menschen anwesend sein. In diesem Jahr gibt es wohl die größte kommerzielle Gruppe, die je am Everest zu Gange war. 35 Klienten und 70! Sherpas. Dazu kommen natürlich noch Köche und eine Menge weiteres Hilfspersonal. Mehrere andere Gruppen sind aber nicht viel kleiner. Hierüber liegen mir übrigens ziemlich genaue Angaben vor, da ich ja eine Menge Leute dort kenne.

Das Basislager ist ausgestattet mit Internetcafé, Bäckerei, Krankenstation und Hubschrauberlandeplatz. Man kann problemlos mit seinem Handy „nach Hause“ telefonieren. Satellitentelefone sind am Everest nicht mehr nötig. Aber es ist auch ein gut organisierter und dementsprechend teurer Fäkalienabtransportservice eingerichtet. Ist im Toilettenzelt die Tonne voll, wird sie umgehend durch eine leere ersetzt. Alles andere wäre ja auch eine Schweinerei. Muss aber natürlich extra bezahlt werden. Auch der Abtransport sämtlicher anderer Überbleibsel funktioniert so gut, dass zumindest im Everestbasislager fast nichts zurückbleibt. Von Müllhalde am Basislager keine Spur.

Auch ein wichtiges Foto. Die Touristen sollen möglichst vom eigentlichen Basislager ferngehalten werden, was natürlich vernünftig ist. Deswegen gibt es heute einen Viewpoint, von dem man zumindest einen Blick riskieren darf. Aber die allermeisten sind dankbar dafür, dass sie nicht noch weiter laufen müssen.

Fast alle westlichen Bergsteiger haben einen sogenannten Personalsherpa. Er ist zuständig von der Reichung der Wasser- bis zum Anlegen einer neuen Sauerstoffflasche. Und wenn nötig, dann nimmt er seinen Personalklienten auch ans kurze Seil. Und das ist oft nötig. Ganz sonderbar wird es, wenn er ihnen auch noch die Steigeisen anlegen muss. Das könne nun wirklich nicht sein, meinen sie? Dann lese man Krakauer oder glaube mir, denn das hab ich mit eigenen Augen schon gesehen. Jedenfalls gibt es sehr interessante Geschichten zu hören, wenn die Sherpas erst einmal anfangen, zu erzählen. Das Basislager am höchsten Berg der Welt ist ein ganz spezieller Ort mit noch spezielleren Menschen darin. Die waren noch nicht da, als ich soeben dort gewesen bin. Aber gerade das hat meinen Aufenthalt so spannend und ergiebig gemacht.

Wenn es um das BC des Everest geht, dann ginge dort vermutlich nichts, ohne sie. Es gibt nur noch einen einzigen funktionstüchtigen Lastenhubschrauber russischer Bauart im ganzen Land.

Ganz nebenbei hab ich aber auch meine selbst gestellte Aufgabe erfüllt und bin fast hinauf ins knapp 6000 m hoch gelegene Lager 1 des Pumo Ri gestiegen, um das im letzten blog erwähnte Panoramafoto zu erstellen. Fast erfroren wäre ich dabei, so windig und kalt war es dort oben. Aber ich glaube, es ist etwas gutes dabei heraus gekommen. Das untenstehende Bild zeigt den wichtigsten Ausschnitt aus diesem Foto.

Der noch einen Tick bessere Blick auf Everest, Lhotse und Nuptse als vom Kalar Pattar aus. Man sieht die Lhotseflanke mit dem Genfer Sporn, den gesamten Khumbu-Eisfall, das Basislager, die Westschulter des Everest, den Nuptse, sogar einen Teil der Nordwand des Everest. Aber man muss ein bisschen Einsatz zeigen für dieses Bild.

Ich bin inzwischen wieder in Namche eingetroffen und geniesse die Annehmlichkeiten der „Großstadt“ mit Wifi, Bakery und Strom aus der Steckdose. Das ist übrigens eine echte Erleichterung, nicht darauf achten zu müssen, wie viel Minuten ich den Rechner noch anschalten darf bzw. kann. Ich packe derzeit die Expeditionstonnen und schaffe sie hinunter nach Lukla, wo die Baruntse-Expedition am 11. April sozusagen offiziell beginnt. Unser Plan, von Phaplu aus loszugehen, hat nicht funktioniert, weil der kleine Flugplatz dort derzeit saniert wird.

Bevor es dann also zum wiederholten Mal „losgeht“, melde ich mich noch einmal. Namche mitten in der Saison ist sicher auch einen etwas intensiveren Blick wert. Ausserdem wollte ich noch meine Nonnen in Thamo besuchen und eine Puja machen. Womöglich ist ihr Segen vom letzten Mal inzwischen schon aufgebraucht?

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5 Antworten

  1. Veronica sagt:

    Hallo Olaf,
    das ist ja unglaublich, was da im Everest-Basislager los ist! Davon hat doch der „Flachlandtiroler“ überhaupt keine Ahnung!
    Danke für den interessanten Bericht!
    Veronica

  2. Richard sagt:

    Eine traurige Entwicklung, heute werden Stufen gebaut, morgen vielleicht eine Rolltreppe auf dem Mt. Everest, all jene, die nicht aus eigener Kraft auf den Berg kommen haben dort oben nichts verloren. Die wahren Helden sind wie immer die Sherpas vor denen ich tiefen Respekt habe und einige kennen lernen durfte. Viele (offensichtlich oft reiche?) Menschen haben den Sinn des Trekkings bzw. einer Expedition einfach nicht verstanden … mögen sie dennoch alle sicher wieder zurück kommen.

    Toller Bericht! Danke und lg, Richard

  3. Christian sagt:

    Sehr interessanter Bericht. Das sind schon sehr skurile Zustände dort. Ist ja auch wieder ein Jubiläumsjahr: 60 Jahre Everest-Erstbesteigung.
    Aber zum Glück gibt es ja noch unzählige andere Berge auf der Welt, wo nicht so ein Rummel ist! Einige stehen ja gleich um die Ecke.

    Viele Grüße
    Christian

  4. Wolfhard Hammer sagt:

    Hallo Olaf, Glückwunsch für die erste Hälfte. bei soviel Luxus den Du jetzt am Basislager erlebst, könntest du Dir doch auch einen privaten Cherpa leisten, der Dir auf dem nächsten Gipfel ein batteriebetriebenes Warmluftgebläse hält, damit Du nicht wieder frieerst. Vielleicht gibt es auch inzwischen Cherpas, die das Fotografieren den Bergsteigern abnehmen, damit diese dann auch die schöne Aussicht „geniesen„ können.
    Zum Kommentar von Richard: Es ist eine Tragödie, das alles zu höhren und lächlich und abwertend zugleich für die, welche es aus eigener Kraft schaffen wollen und es mit dem Berg zu `bergspezifischen Umständen` anlegen. Vielleicht gibt es ja bald eine Rollstuhlrampe für mich-ich glaube das würde ich boykotieren-!
    Olaf denke an den Spruch von Ralf Brummer bei unseren Outdoorwochenende in der Sächs. Schweiz „Das besondere an der Kälte ist, alles erfriert, nur die Nase nicht!„
    Viel Glück und Kraft fürs weitere. Berg heil wünscht Wolfhard

  5. Mark sagt:

    Olaf, und da sprichst Du immer von Entbehrungen. Das sieht ja voller aus als unser alter Konsum.

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