Gaudlitzberg
Ende des vergangenen Jahres hatte ich begonnen, an dieser Stelle die Klettergärten rings um Leipzig vorzustellen. Los ging es mit dem Prunkstück, dem Aktienbruch bei Löbejün. Die beiden nächsten Artikel widmeten sich zwei Klettergärten in den Hohburger Bergen bei Böhlitz, dem Zinkenberg und zuletzt dem Holzberg. Dann gab es expeditionsbedingt eine Pause. Und da ich nach mehr als drei Monaten in Nepal nun endlich wieder klettern kann, geht es auch mit der kleinen Reihe zu unseren Kletterhotspots weiter. Im vierten Teil sind wir heute am Gaudlitzberg. Auch dieser Steinbruch befindet sich in der Nähe von Böhlitz. Nach dem Löbenberg ist der Gaudlitzberg mit 219 m ü. NN die zweithöchste Erhebung in dieser Gegend. Weithin sichtbar ragt die nach Westen ausgerichtete Quarzporphyrwand aus den Wäldern der Umgebung auf.
Vor etwa 280 Millionen Jahren wurden die einst bizarren Steingebilde durch Vulkanausbrüche geformt und anschließend zu den heute sichtbaren Rundhöckern abgetragen. Dabei hatten vor allem die Eiszeiten wesentlichen Anteil an der Ausprägung des heutigen Landschaftsbildes. In diesem Zusammenhang finde ich die Tatsache interessant, dass die Entdeckung der Gletscherschliffe in den Hohburger Bergen durch die sächsischen Geologen Carl Friedrich Naumann und Bernhard von Cotta massgebend für die Entwicklung ihrer Theorie von der Inlandvereisung im Pleistozän gewesen ist.
Irgendwann um 1850 kam man auf die glorreiche Idee, den Quarzporphyr abzubauen und als Baumaterial zu gebrauchen. Das war unser Glück, denn so sind die Leipziger Bergsteiger zu ihren Klettergärten gekommen. Der Quarzporphyr wurde vor allem zu Pflastersteinen sowie Schotter verarbeitet. Die Steine des Leipziger Völkerschlachtdenkmals stammen übrigens nicht aus den Hohburger Bergen sondern aus den Granitporphyrsteinbrüchen bei Beucha.
Der Gaudlitzberg gehört zu den Steinbrüchen, in denen schon lange nicht mehr abgebaut wird. Seit den Sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts herrscht hier Ruhe. Und dass ist der Grund, warum er vielleicht zu den schönsten und gemütlichsten in der Steinbruchfamilie der Hohburger Berge gehört. Die Natur hat sich die Umgebung dieses Steinbruchs zurückgeholt. Er liegt mitten im Wald. Eine Lichtung direkt vor der Wand lädt zum Picknick ein. Ausserdem kann man hier kaum irgendwo herunterfallen oder ertrinken. Und deshalb ist er für Familien mit kleinen und großen Kindern bestens geeignet.
Die zweite Besonderheit dieses Steinbruchs ist seine Anfänger-freundlichkeit. Die Wandhöhen sind mit etwa 20 m moderat, und es gibt eine relativ große Anzahl (um die 25) von teilweise richtig schönen Klettereien in den Schwierigkeitsgraden 3 – 6- (UIAA) wie zum Beispiel „Opium fürs Volk“ (5) von Ralf Görner. Der Name des Weges spielt übrigens auf eine Bemerkung von Karl Marx an, der die Religion als Opium fürs Volk bezeichnete. Mit Drogen hat der Name also nichts zu tun, höchstens damit, dass dieser Weg eine tolle Linie hat, super abgesichert ist und Genuss pur bietet!
Auch die mittleren Schwierigkeiten im 6. und unteren 7. Grad sind gut vertreten. Schwere Wege sind eher die Ausnahme aber auch vorhanden und teilweise sogar recht lohnend. Und ein paar echte Spitzenwege gibt es hier natürlich auch. Im Sektor „Rissplatte“ befindet sich ein Aufstieg von Ingolf Speer namens „13. September“ (6+). Dieser Weg sowie die ebenfalls von Ingolf eingerichtete Ausstiegsvariante „Little Big Crack“ auch 6+, gehört zum besten, was die Hohburger Berge zu bieten haben. Übrigens ist Ingolf Speer sozusagen der Entdecker des Gaudlitzberges. Er war es, der hier die ersten Routen eingerichtet hat.
Es ist wirklich großartig, was die Erschließer unserer Steinbrüche hier geleistet haben. Der Initiative von Leuten wie Ingolf Speer, Ralf Görner, Holger Kühne, René Riedel und auch Falk Heinicke ist es zu verdanken, dass wir diese Möglichkeiten überhaupt haben. Und wir sollten alles dafür tun, dass keines dieser kleinen Kunstwerke dem Trennschleifer zum Opfer fällt, wie derzeit am Zinkenberg mit einigen der lohnendsten Kletterrouten Mitteldeutschlands angedacht.