Mord am Nanga Parbat

Man nennt sie immer Taliban Kämpfer, doch es waren feige Mörder. Sie kamen in der Nacht. Sie hatten sich Uniformen der Militärpolizei besorgt und so offensichtlich alle Kontrollpunkte passieren können. Sie ermordeten vier Ukrainer, drei Chinesen, einen Russen, einen Litauer, einen nepalesischen Sherpa und den pakistanischen Koch der Gruppe im Schlaf in ihren Zelten. Keiner hatte eine Chance. 

Nur Stunden später bekannte sich die Dachorganisation der pakistanischen Taliban zu dem Massaker. Man wolle mit diesem brutalen Terrorakt Rache für einen Drohnenangriff der USA nehmen, bei dem im letzten Monat der stellvertretende Chef der pakistanischen Taliban Wali ur Rehman getötet wurde. Soweit die Fakten.

Wer kann das verstehen? Bei einem Racheakt für einen Drohnenangriff der USA werden wahllos Bergsteiger umgebracht, unter denen kein einziger Amerikaner ist! Wieso kann eine fremde Macht in Pakistan mit Drohnen ohne Verfahren und ohne Kontrolle durch irgendwen Leute töten, und keiner will oder besser darf sie dafür zur Rechenschaft ziehen? Offensichtlich kann jeder machen, was er will, wenn er nur groß und mächtig genug ist. Büßen mussten dafür wieder einmal völlig unschuldige und vor allem gänzlich unbeteiligte Leute, die nichts weiter wollten, als einen Berg zu besteigen.

Der 8125 m hohe Nanga Parbat ist der Westpfeiler des Himalaya. Er zählt zu den schwierigen und vor allem gefährlichen Achttausendern. Aber diesmal waren nicht die Lawinen schuld am Tod von Menschen sondern fanatische Mörder.

Rot eingerahmt die nördlichen Territorien Pakistans, die zu den spektakulärsten Bergregionen der Erde zählen.

Was richtet man dort gerade für Unheil an! Pakistan ist sicher eines der schönsten Länder der Erde. Nirgendwo sonst gibt es so spektakuläre Gebirgslandschaften. Die größten Gletscher ausserhalb der Polargebiete, die höchsten Gipfel der Welt, spektakuläre Felsgestalten, wunderschöne Täler. Und hunderttausende von Pakistanis, die darauf angewiesen sind, dass möglichst viele Menschen aus aller Welt kommen, um sich diese grandiosen Naturräume anzuschauen. Auch sie sind unbeteiligt und wollen nichts weiter, als in Frieden leben und ihren Kindern jeden Tag etwas zu essen auf den Tisch stellen. Die tun mir von allen am meisten leid. Sie haben keine Wahl, so wie wir. Bleiben die Bergsteiger und die Touristen nun gänzlich aus, dann haben sie das größte Problem.

Man richtet gerade die gesamte Tourismusindustrie Pakistans endgültig zu Grunde. Es kamen sowieso fast nur noch die Europäer mit Ausnahme der Briten natürlich. Und die Region Gilgit-Baltistan war bis gestern die letzte halbwegs sichere Hochburg des Tourismus in ganz Pakistan. Das ist nun vorbei. Jeder, der nach Pakistan möchte, weiss jetzt, dass er dort nirgendwo mehr sicher vor den Extremisten ist. Nicht mal in den Basislagern der Achttausender.

Meine nächste Expedition in dieses tolle Land für meinen dritten Versuch am Hidden Peak ist in Planung. Ich wollte mir diesen Berg zu meinem runden Geburtstag im kommenden Jahr selbst zum Geschenk machen. Doch nun ist es fraglich, ob das eine gute Idee ist. Auf der anderen Seite ist es aber auch fraglich, ob es richtig ist, einfach feige den Schwanz einzuziehen und dort nie mehr hinzufahren. Ich weiss es gerade nicht, und das macht mich ziemlich traurig.

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6 Antworten

  1. ulf sagt:

    einfach krass, ich wüsste es auch nicht. am ende schläfst du mit der knarre im arm einen unruhigen schlaf an einem ort wo du dich eigentlich erholen willst …

  2. Sehr geehrter Herr Rieck,

    Taliban sind tatsächlich keine Kämpfer, sondern mittlerweile bestialisch mordende Monster. Selbst wenn militärische Intervention immer das letzte Mittel sein muß, ist es ggf. konsequent einzusetzen. Die bestialischen Morde an den zehn Bergsteigern haben auch nichts mit Schuld oder Sühne zu tun, sondern sind Ausdruck einer unsäglichen Mißachtung unserer Werte und des Lebens. Es geht hier auch nicht mehr „nur“ um Bergsteigen, sondern um viel mehr. Tatsächlich sind die USA und vielleicht auch Rußland und China die einzigen Staaten die die Gefährlichkeit der Taliban erkennen. Insofern ist die konsequente Eindämmung des weltweiten Talibanterrors auch durch Drohnen ggf. gerechtfertigt; denn was wollen die Taliban rächen? Daß sie allein mehr als 3000 Menschen am Nine-Eleven in den Tod gerissen haben, wehrlose Frauen und Mädchen abschlachten, archaischen Islamismus mittlerweile auch bei uns in Deutschland geltend machen wollen? Ständig Attentate verüben? Die Taliban müssen endlich weltweit in Schranken gewissen werden, um auf dieser Basis konsequent ein demokratisches Grundprinzip in diesen Ländern einzuführen. Berge sind faszinierend, noch faszinierender ist aber eine Taliban-freie, internationale Gemeinschaft, die fern von Geschlecht und Glaube ein freies Leben gewähren kann. Der Islam ist jedenfalls nicht die richtige Lebens- und Gesellschaftsform hierzu. Ich hoffe, dass man dies endlich auch bei uns versteht. Berg-„Heil“ finden wir nur auf diesem Wege.

    Weiterhin viele schöne Bergerlebnisse
    wünsche ich Ihnen
    V. Keil aus Wü

    • Olaf sagt:

      Sehr geehrter Herr Keil, vielen Dank für Ihren Kommentar. Wir stimmen natürlich in den allermeisten Ansichten vollkommen überein. Nur in einer nicht. Die Erfahrung zeigt, dass Gewalt immer nur Gegengewalt erzeugt. Die Spirale der Gewalt dreht sich immer schneller, je mehr man auf dieses Mittel setzt. Und in bestimmten Fällen hat sie unabsehbare Folgen. Ein toter Talibanführer, tausende Baltis ohne Job und die Bergsteiger dieser Welt können nun nicht mehr nach Pakistan, weil es vor einem selbst unverantwortbar geworden ist. Und was das schlimmste ist: Pakistan wird immer mehr zu einem Kriegsschauplatz. Ist das nicht ein hoher Preis für einen Anführer, der in dem Moment, als er getötet wurde, schon ersetzt war? Ich möchte vor allem in einer Welt leben, in der sich die Leute nicht gegenseitig umbringen. Und wenn man dann noch ein unabhängig von Geschlecht und Glaube freies Leben führen könnte, wäre unsere Welt ein Paradies.

      • Thomas Schmidt sagt:

        Jawoll, das sehe ich genauso und man hätte es wohl kaum treffender formulieren können !!

    • uwe sagt:

      Was mich grad fasziniert hat ist vor allem Ihre klare Sichtweise auf die Dinge der Welt Herr Doktor Keil! Und wie Sie trotz der emotionalität alle Faktoren beachtet haben und sich nicht haben leiten lassen von gesellschaftlichen Strömungen. Man spürt richtig wie Sie versucht haben sich in deren Lage zu versetzen.

      Ich möchte so werden wie Sie!

      http://altitudepakistan.blogspot.com.au/2013/06/nanga-parbat-massacre-who-is-tehrik-e.html

  3. Thomas Schmidt sagt:

    Hallo,
    Das ist echt ziemlich schockierend !!! Aus welchen Motiven bitte sehr tut man sowas? Gewiss nicht für’s Allgemeinwohl. Kapiert denn da keiner, dass Rache keine Lösung ist? Naja, das wird uns positiv denkenden (bergbegeisterten) Menschen wohl ewig ein Rätsel bleiben 😉
    Danke auf jeden Fall für den Beitrag, ich leite das gleich mal weiter an 4 Leute unserer DAV-Gruppe, welche im Juli nach Pakistan wollen, in der Hoffnung dass ihnen davon NICHT die Lust / der Mut vergeht…

    Kleiner Tipp: Nicht traurig sein über Dinge, die man selbst nicht (mehr) ändern kann,
    Thomas

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