Shivaratri

Ich bin uneins mit mir selbst. Einerseits ist Religion hier dermaßen kompliziert, dass man bald geneigt ist, seine Bemühungen um Verständnis aufzugeben. Andererseits stößt man in Nepal beinahe ständig auf Feste, Rituale und Verhaltensweisen, die man aber unbedingt verstehen will. So geschehen gestern und heute. 

Der Tempel ist eine Pagode mit zwei Dachebenen, die mit vergoldeten Kupferplatten abgedeckt sind. Die vier Eingänge sind mit Silberplatten verkleidet.

Gestern haben wir einen Buss gechartert und einen wesentlich kompetenteren Kulturreiseführer als ich es je sein werde, engagiert. Wir wollten uns die Königsstadt Bhaktapur und das wichtigste hinduistische Heiligtum, die Tempelanlage von Pashupatinath ansehen. Doch wir hatten uns einen besonderen Tag für unseren Besuch ausgewählt. Es war der Tag vor dem großen Fest des Shivaratri.

Diese beiden hatten sich mit ihrem Outfit wirklich ganz besondere Mühe gegeben.

Für die Hindus und besonders für die sogenannten Shivaiten ist Shivaratri das höchste Fest und die heiligste aller Nächte. Es gibt also unter den Hindus, wie scheinbar überall in den verschiedenen Religionen unterschiedliche Ansichten. Die Shivaiten sehen in Shiva die Manifestation des „Höchsten“, die Verehrer der vishnuitischen Traditionen halten Vishnu für den mächtigsten der drei wichtigen Hindugötter. Der dritte im Bunde ist übrigens Brahma, der Schöpfer. Vishnu ist der Erhalter und Shiva der Zerstörer. Letzterer hat aber darüber hinaus auch die Rolle des Erlösers und des Retters inne. Die Seite des Retters beinhaltet auch, dass er von Sünden befreien kann. Und dieser Aspekt Shivas steht während des Shivaratri-Festes im Vordergrund.

Wichtig für die spirituelle Inspiration ist das Rauchen von Marihuana.

Deshalb feiern Hindus aller Traditionen diesen Tag in besonders inniger Weise. Sie fasten, beten und durchwachen die heilige Nacht in der Hoffnung, ihre Sünden loszuwerden. Vielen von ihnen nehmen die anstrengenden Strapazen einer Pilgerfahrt auf sich. Und einer der wichtigsten Pilgerorte in der hinduistischen Welt ist eben Pashupatinath.

Frauen erbitten an einem Lingam, dem womöglich wichtigsten Symbol der Hindus, Fruchtbarkeit und den "Segen" für ihre Männer.

Schon in vorchristlicher Zeit stand hier eine heilige Stätte. Der Tempel selbst wurde im 5. Jahrhundert errichtet und später mehrmals umgebaut und erneuert. Im Inneren des Tempels befindet sich eine Statue Shivas, welche nur von vier Priestern berührt werden darf, die aus dem Süden Indiens stammen müssen. Nichthindus haben zum Tempel keinen Zutritt. Das gilt glücklicherweise aber nicht für die äusseren Bereiche des Tempelbezirkes. Und hier befinden sich die Verbrennungsstätten der verschiedenen Kasten und viele andere interessante Dinge.

Pashupati hat für gläubige Hindus eine besondere Bedeutung als Ort für die "letzten Riten". Seine Leiche hier verbrennen zu lassen, gilt als besonders erstrebenswert.

Und gestern nun strömten schon hunderte Pilger durch Pashupatinath. Viele sogenannte Sadhus, also heilige Männer, die sich einem streng asketischen Leben verschrieben haben, waren auf der Suche nach guten Plätzen, um den Tag und die Nacht hier zu verbringen und ein heiliges Feuer zu entzünden.

Ich hätte stundenlang an diesem Ort bleiben können, denn das Angebot an besonderen Fotomotiven war ungewöhnlich. Doch wir wollten bzw. mussten ja auch noch Bhaktapur ansehen, denn diese Stadt ist ebenfalls ein „Muss“.

Ein Ausschnitt aus dem Durbar Square von Bhaktapur. Ganz links der Königspalast mit den berühmten 55 Holzfenstern.

Die Geschichte dieser Stadt geht bis ins 8. Jahrhundert zurück. Vom 12. bis 15. Jahrhundert war sie sogar die Hauptstadt Nepals, später dann eine von den drei Königsstädten des Kathmandutales. Das besondere an Bhaktapur ist vor allem die Architektur, also die kunstvollen Paläste und Pagoden und vor allem der Durbar Square (Königsplatz). „Gäbe es nichts anderes in Nepal, ausgenommen dem Durbar Square , wäre sein Anblick es immer noch wert, um die halbe Welt zu reisen. (E. A. Powell in: Das letzte Zuhause von Geheimnis).

Bhaktapur ist auch berühmt wegen der hier beheimateten Handwerkskunst. Viele Meisterstücke der Bildhauerei, Terrakottakunst und vor allem der Holzschnitzerei sind überall, aber vor allem eben auf dem Durbar Square in verschwenderischer Pracht zu finden.

Bhaktapur ist eine Art Museum voll von pulsierendem Leben. Die Kultur des Volkes der Newar, ihr Leben, ihre Arbeit, Rituale und Feste kann man hier ungefiltert und hautnah „mitleben“. Ein solcher Ort zum mitleben ist zum Beispiel der Potter Square. Hier werden Töpferwaren noch traditionell auf großen Holzrädern gefertigt und dann auf dem Platz zum Trocknen ausgelegt, bevor sie in die Brennöfen kommen.

Als Bernado Bertolucci 1993 seinen Film „Little Buddha“ drehte, der sich mit Reinkarnation und der buddhistischen Religion beschäftigt, fand er in Bhaktapur die idealen Kulissen. Übrigens wendet er sich in diesem Film an Kinder, um ihnen diese Religion näher zu bringen.

In meinem Lieblingsrestaurant wurde es bei der Verabschiedung von Kumar richtig rührselig. Das war schön!

Heute und morgen werden wir noch Swayambunath und die große Stupa von Boddnath besuchen. Und gestern hat sich die Gruppe ganz offiziell von Kumar verabschiedet. Das hätte ich eigentlich filmen müssen. Es gab ein richtiges Ständchen der Gäste und anschließend eine Rede von Kumar, die mich doch einigermaßen überrascht hat. Kumar ist nicht nur ein erfahrener Guide, dem ich voll vertraue. Er kann sogar aus dem Stand Reden halten!

So langsam aber sicher geht nun die Zeit der ersten Gruppe zu Ende, und die nächste steht schon in den Startlöchern. Dazwischen melde ich mich noch einmal. Und ganz zum Schluss noch die Nachricht von Karin. Sie ist inzwischen operiert, und ihr geht es den Umständen entsprechend gut. Und wenn ich es richtig gelesen habe, dann wird sie schon morgen nach Hause entlassen. Und nun werde bitte schnell wieder gesund!

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6 Antworten

  1. Christian sagt:

    Hallo Olaf,
    nun ist die erste Tour schon vorbei. Wir haben wie immer alles verfolgt. Schade, dass es mit dem Nirekha nicht geklappt hat. War eigentlich auf die Bilder davon gespannt.
    Aber so ist das nun mal in den Bergen…
    Hier ist schon der Frühling da, die Klettersaison beginnt diesmal recht zeitig.
    Viele Grüße
    Christian

    • Olaf sagt:

      So frühlingshaft ist es schon? Eben war noch Februar! Wenn ich zurück bin, seid ihr alle schon topfit und eingeklettert. Na ja, man kann nicht alles haben.

      Ich habe die erste Gruppe soeben zum Flughafen gebracht. Und wenn ich morgen so ganz allein zum Frühstück runtergehe, dann werde ich sie schon vermissen…

  2. Ute sagt:

    Wir Dich auch Olaf!
    Viele liebe Grüße vom Istanbuler Flughafen- noch sitzen wir alle zusammen – gleich geht’s in getrennten Fliegern weiter…wir vermissen Nepal jetzt schon!
    Deine Februargruppe

  3. Veronica sagt:

    Auch wenn es hier nicht um die Berge geht, ist es wieder eine sehr interessante und informative News! Danke!

  4. Anja E. sagt:

    …ohhh, da wird doch wohl kein Trübsal aufkommen :-P, denn die nächsten stehen schon in den Starlöchern und können es kaum noch erwarten. Alles fix und fertig gepackt. 🙂
    Bis in 3 Tagen.
    LG Anja

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