Schwierige Verhältnisse
Es ist nicht so einfach hier. Das konnte man in den letzten Tagen unter anderem daran erkennen, dass ich mit meinen Prognosen bezüglich der Gehzeiten permanent daneben lag.
Für gestern hatten wir uns vorgenommen, noch ein wenig unsere Akklimatisation zu verbessern, bevor wir auf den Chukhung Ri (5546 m) steigen wollten. Ich schlug die wirklich sehr schöne Tour ins Basislager des Island Peaks vor. Fünf bis sechs Stunden war meine Schätzung für den Hin- und Rückweg. Und diesen Weg kenne ich nun wirklich gut. Wir haben nicht getrödelt und waren trotzdem sage und schreibe neun Stunden unterwegs. Außerdem gab es einen gewissen Schwund in der Gruppe zu verzeichnen. Die harte Spurarbeit forderte ihren Tribut.
Heute nun sollte der Chukhung Ri in Angriff genommen werden. Auch hier war nach dem großen Schnee noch keiner oben. Wir hatten zwar am ersten Abend nach unserer Ankunft in Chukhung (4750 m) auf unserer obligatorischen, allabendlichen Akklimatisationstour bis auf 5000 m eine Spur gelegt. Aber da fehlten eben noch 550 m. Ich hab den Chukhung Ri auch mit Gästen schon in viereinhalb Stunden im Auf- und Abstieg gemacht. Fünf Stunden sind realistisch bei normalem Tempo. Wir waren heute zwischen acht und neun Stunden unterwegs. Und wieder konnten nicht alle das Ziel erreichen.
Umso höher ist die Leistung von Ina, Mario, Helfried und Günther einzuschätzen, die sich bis ganz nach oben gekämpft haben. Einen Orden allerdings hat heute unser Senior Heinz verdient. Er ist mit seinen 75 Jahren bis auf einen Sattel kurz unter dem Gipfel aufgestiegen und hat 5376 m erreicht. Für ihn ein neuer Höhenrekord.
Doch umzukehren, wenn man merkt, dass es gerade heute schlecht läuft, weil nicht ein Tag wie der andere ist, verdient ebenso viel Respekt wie ein Gipfelerfolg. Vielleicht sogar noch mehr! Es gehört sehr viel Mut und Selbstvertrauen dazu, vor der Gruppe Schwäche zuzugeben. Und nichts ist schlimmer, als an Selbstüberschätzung und falschem Stolz leidende Leute einen Berg hinunter tragen zu müssen. Da ist es nämlich sehr schwer, sich zu motivieren.
Nach den ziemlich anstrengenden letzten beiden Tagen werden wir es die nächsten zwei Tage womöglich etwas ruhiger angehen. Morgen könnten wir eine entspannte zweistündige Wanderung 200 Höhenmeter bergauf nach Dughla machen. Oder wir steigen fünf Stunden bis ins 4900 m hoch gelegene Lobuche auf. Das würde bedeuten, dass wir dann übermorgen einen weniger anstrengenden Marsch hinauf nach Gorak Shep (5200 m) vor uns hätten.
Entschieden wird das gemeinsam beim morgigen Frühstück. Gorak Shep ist übrigens unser höchst gelegener Übernachtungsplatz. Von hier aus wollen wir in das Basislager des Everest und auf den buchstäblichen Höhepunkt der gesamten Reise steigen (knapp 5700 m). Hoffentlich haben sich die Verhältnisse bis dahin noch weiter verbessert, damit ich mich nicht wieder so mit den Gehzeiten verschätze.
Glückwunsch zu den letzten 2,schwer erkämpften Tagen.Gipfelsieg und Etappensieg bei solch anstrengenden Bedingungen,freut Euch.Ich würde in Dughla und Gorak Shep übernachten wollen,Lobuche wurde im letzten Jahr seinem Ruf gerecht…Aber jede Tour fordert eigene Entscheidungen und deshald ist es so interessant, Euch weiter begleiten zu können.Weiterhin gutes Gelingen,zur Abwechslung mal gespurte Wege und Sonnenschein.Frühlingsgrüße aus Sachsen von Karin
Super klasse !!
Habt mich also mein Gefühl nicht getäuscht und ihr seid eine klasse Truppe. Und rechtzeitig umdrehen können ist wirklich eine besondere Qualität: ich weiß genau was du meinst 😉
Grüße an den Lobuch East, den Kongma Tse und den Khallar Phatar – all die schönen Orte, die ich so ins Herz geschlossen habe…
Lieber Olaf, danke für Deine Berichte! Wir, zu Hause, sind mit dem Herzen dabei und grüßen Euch alle und wünschen einen guten gesunden Weiterweg. Erhard mit besonderen Grüßen für Ina und Heinz