Nächstenliebe
Woher kommt diese ungeheure Bereitschaft, den Erdbebenopfern in Nepal zu helfen? Ich war regelrecht überwältigt von soviel Anteilnahme in den Wochen nach dem Beben vor allem durch meine ehemaligen Nepalgäste. Gerade gestern gab es wieder so ein Beispiel, was mich sehr angerührt hat. Einer meiner diesjährigen Nepalgäste, Günther Sporn, der Chef meiner Autowerkstatt, hat ein ganz besonderes Resümee seiner Reise zum Fuß des höchsten Berges der Welt gezogen. Er hatte 60 seiner Verwandten, Freunde und Kunden in ein sehr schönes Gartenrestaurant eingeladen, sie aus eigener Tasche bewirtet, mich als Vortragsredner engagiert und dafür um Spenden gebeten. Etwas mehr als 1000 Euro kamen zusammen, die Günther dann aus eigener Tasche noch auf stolze 1500 Euro aufgerundet hat.
Damit sorgt er nicht nur dafür, dass es nun einige obdachlose Nepalesen leichter haben werden, über den Monsun zu kommen. Er hat auch seine Gäste an diesem Abend und nicht zu letzt sich selbst glücklich gemacht. Was für eine tolle Aktion!
Genauso so großartig war auch der Nepalabend im tapir am 20. Mai. Fast das gesamte Team war auf den Beinen. Der Laden wurde in einen Vortragssaal umgewandelt, denn ich sollte den zahlreichen Gästen der tapire mit Bildern die Schönheiten meiner zweiten Heimat zeigen und für Nepal als Reiseland werben.
Sandra und Maren haben es an diesem Abend sogar gewagt, das nepalesische Nationalgericht Dhal Bhat zu kochen. Und zwar obwohl der Laden voller Nepal- und demzufolge auch Dhal Bhat-Kenner sein würde. Soviel geballte Nepalkompetenz kommt selten zusammen. Und es herrschte große Einigkeit, dass selbst ein waschechter Nepalese das Dhal Bhat nicht besser hinbekommen hätte.
Über Spenden und den Verkauf von T- Shirts der in Kathmandu ansässigen Firma „Sherpa“ kamen bis heute 2000 Euro zusammen. Auch hier wieder viele glückliche Gesichter über einen äußerst gelungenen und ebenfalls sehr ergiebigen Abend!
Und die dritte Veranstaltung, auf der ich mit einem Benefiz-Vortrag vertreten war, fand vorgestern im Zeitgenössischen Forum statt. Die Hilfsorganisation Nepalmed e.V. hatte zu einer Jubiläumsmitgliederversammlung geladen. Seit nun schon 15 Jahren fördert Nepalmed Gesundheitseinrichtungen in Nepal und führt Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen von medizinischem Personal durch. In Amppipal betreibt der Verein sogar ein ganzes Krankenhaus. Was dort auf die Beine gestellt wurde und nun schon seit vielen Jahren Tag für Tag an großartiger Arbeit geleistet wird, ist schier unglaublich.
Und obwohl ich selbst in einem anderen Verein (Siddhartha-Hilfe für Nepal e.V.) engagiert bin, musste ich mich irgendwie auch dort einbringen, weil ich die Arbeit und den Enthusiasmus der Leute von Nepalmed so besonders großartig finde.
Soviel Hilfsbereitschaft, so viele Emotionen, wenn es um dieses kleine und so bitter arme Land im Himalaya geht. Die Antwort auf die eingangs gestellte Frage ist einfach. So arm Nepal in materieller Hinsicht auch sein möge, so reich ist es in vielerlei anderen Dingen. Nämlich an grandiosen Gebirgslandschaften und vor allem an Hilfsbereitschaft, Freundlichkeit, Gastfreundschaft, an glücklichen und zufriedenen Menschen, die einen permanent mit ihrer Fröhlichkeit anstecken und einem mit jeder Reise eine Menge Stoff zum Nachdenken mit nach Hause geben. Warum ist das Bruttosozialglück trotz aller Armut und der vielen Probleme, mit denen die Nepalesen an buchstäblich allen Fronten zu kämpfen haben, dort soviel größer als im steinreichen Deutschland?
Dass es tatsächlich so ist, daran besteht zumindest für mich kein Zweifel. Dazu habe ich den Kontrast diesbezüglich schon zu oft auskosten dürfen, wenn ich nach Monaten in Nepal wieder zu Hause eintraf und mich wunderte, warum die Menschen hier so gehetzt, so unfreundlich, so einsilbig und so unzufrieden mit allem und jedem sind. Und das schlimmste! Manchmal ertappe ich mich selbst dabei, ganz genauso zu sein, wenn ich nur lange genug hier bin.
Warum ist das so, wo es uns allen doch so unvergleichlich gut geht? Auch auf diese Frage ist die Antwort nicht so schwierig. Wenigstens wieder für mich. Da brauch ich mir zum Beispiel nur die Absender der Post anzusehen, die einmal mehr viel zu lange unbeantwortet auf meinem Schreibtisch liegt.
Das Missgeschick beginnt doch damit, dass wir manches „Armut“ nennen, was für andere Menschen ein ganz „normales“ Leben ist. Glück verhält sich m.E. in k(l)einster Weise zum finanziellen Einkommen. Wir müssen daher nicht glücklich sein, weil wir mehr als nötig kaufen können und andere müssen nicht unglücklich sein, nur weil sie wenig besitzen. Deine Erfahrungen beweisen es ja…