Pan di Zucchero
Matteo ist Surfer. Und der entspannteste Mensch, den ich seit neuestem kenne. Sehr entspannt und sehr cool. Er betreibt eine Surfschule in Masua. Matteo hat eine schöne Frau, ein süßes Kind und ein Boot. Er meinte, dass es vielleicht ginge, zum Einstieg der von uns favorisierten Route auf den Pan di Zucchero zu springen. Einen Strand oder ähnliches hat dieser Felsen im Meer nicht zu bieten. Nur senkrechte Wände.
Die erste Seillänge vom Boot aus zu sichern, dass ginge selbstverständlich nicht. Scharfkantiger Kalk und Brandung sind eine ungünstige Kombination. Da sei nichts zu machen. Sein Boot ist ihm heilig. Aber irgendwie bekämen wir das schon hin. Und wenn nicht, auch nicht schlimm. Dann sollten wir eben woanders klettern. Wir könnten ja mal schauen. Für zehn Euro fährt er uns raus. Für wieviel Euro? Das ließen wir uns nicht zwei Mal sagen.
Fünf Minuten später waren wir sprung- und kletterbereit in seinem Boot. Nun muss man natürlich folgendes dazu sagen. Er wäre in unserer Sache womöglich nicht ganz so entspannt und wir nicht ganz so zuversichtlich, was den Sprung in den Einstieg anbelangt, wenn dieser Tag nicht so ausserordentlich ruhig begonnen hätte. Und das sollte er möglichst auch bleiben, denn schließlich wollten wir ja auch wieder vom Felsen abgeholt werden. Da würde dann ja noch ein Sprung fällig.
Zuerst umrundeten wir den Pan, damit ich in Ruhe fotografieren konnte. Dann fuhren wir zum Einstieg. Es war, wie Matteo vorhergesagt hatte, nur ein kleiner Sprung. So was durfte sprungerprobte Leute aus dem Elbsandstein doch nicht abschrecken. Matteo fuhr uns nur so nah heran, dass sein Boot nicht in Gefahr kam und dann sprangen wir einfach. Schon im nächsten Moment hatte er sein Boot gewendet und fuhr davon. Wir sollten ihn anrufen, wenn wir fertig seien. Nummer hatte ich, Telefon hatte ich nicht vergessen, alles gut, Gott sei Dank!
Irgendwie drapierten wir das Seil auf einem kleinen Absatz, und da blieb es sogar und fiel wider Erwarten nicht ins Wasser. Und dann ging`s los. Die erste Seillänge leicht, kein Problem. Die zweite Seillänge sollte es auch sein, sechster Grad (UIAA), höchstens. Aber hier hatte es irgendwer nicht gut mit seinen Wiederholern gemeint.
Also falls jemand die „Didi“ am Pan di Zucchero machen will. Die zweite mit 5c (französische Skala) eingestufte Seillänge ist die schwerste. Ich habe mich regelrecht gefürchtet, vor allem, weil ich ja auf Genuss eingestellt war. Die drei folgenden Seillängen, mit 6a+ und 6b bewertet, waren wirklich ein Klacks dagegen. Bewertungen sind nun mal eine sehr subjektive Sache und zumindest hier ganz und gar von den Vorlieben des Erstbegehers abhängig. Diese stimmen in dieser Route jedenfalls mit meinen so gar nicht über ein.
Doch eigentlich war die Kletterei auf den Pan di Zucchero ausnahmsweise einmal Nebensache. Einfach nur dort sein zu dürfen, auf dem Gipfel herumzulaufen und absolut allein zu sein, hat mich vor allem anderen fasziniert. Wir hatten den windumtosten und von der Brandung malträtierten Felsen ganz für uns allein. Doch das wird nicht lange so bleiben. Gerade hat man einen sehr bequemen Klettersteig fertig gestellt, den selbst der ungeübteste Nichtkletterer raufsteigen kann. Und bald gibt es auch einen Bootssteg. Touristen sollen angelockt werden mit einer Perle der Natur, die nun bald keine mehr ist.
Unser Rückweg über diesen Steig und einen bequemen Einstieg an seinem Ende ins Boot war also sehr unspektakulär. Selbst das Wetter hat an diesem Tag tadellos mitgespielt. Es blieb windstill. Eigentlich war alles perfekt. Eigentlich…
Was für tolle Bilder!!!