Erlebnisdichte
Auf Feuerland am Monte Sarmiento zu sein, hat womöglich sogar etwas künstlerisches. Die Kunst besteht darin, allem, selbst den widrigsten Umständen, noch etwas Gutes abzugewinnen. Schafft man das nicht, dann wird man sich womöglich tatsächlich irgendwann die inzwischen schon sprichwörtliche Kugel in den Kopf jagen. Diese Metapher vom Ralf Gantzhorn hat sich bei mir tief eingebrannt.
Unser unverschämtes Wetterglück der ersten Woche ist vorbei. Sicher hat das vor allem auch damit zu tun, dass wir uns nun entscheidend näher an der Westküste befinden, wo die Niederschlagsmengen exorbitant höher sind als zum Beispiel im nur 100 Kilometer entfernten Punta Arenas. Feuerland zeigt uns nun sein wahres Gesicht, und die Erlebnisdichte hat, ehrlich gesagt, in den letzten Tagen doch stark abgenommen.
Seit 48 Stunden regnet es so anhaltend und stark, dass in Deutschland vermutlich der Weltuntergang ausgerufen würde. Unser scheinbar trockenes Plätzchen hinter der Düne verwandelt sich zusehends in einen See. Das Wasser drückt von unten unweigerlich in das Zelt. Ich liege in einer Pfütze. GUT, dass ich einen Schwamm habe, mit dem ich das Wasser immer mal aufsaugen kann.
Auch GUT, dass mein Zelt von oben offensichtlich dicht ist. Ich bin nun sehr froh, Stunden damit zugebracht zu haben, die Zeltnähte noch einmal sorgfältig abgedichtet zu haben. GUT ist auch, dass hier ständig Wind weht. So werden die Klamotten im Zelt nicht gar so klamm. Geradezu GLÜCKLICH bin ich über meinen Uribag. Nicht auszudenken, wenn ich zum Pinkeln jedes Mal in den strömenden Regen hinaus müsste. Wie viel Nässe kommt auf diese Weise nun nicht in mein Zelt! Und wie sehr FREUE ich mich jetzt schon darauf, dass der Regen ganz sicher irgendwann auch mal aufhören wird. Und wenn ich weiter angestrengt nachdenken würde, fielen mir sicher noch mehr gute Dinge ein.
Dieses offensive, positive Denken wird im Moment geradezu überlebenswichtig, denn wenn ich es nicht schaffe, in Regen und Sturm, abgesoffen in einer großen Pfütze, meine Motivation trotz allem zu hegen und zu pflegen, dann wird sie irgendwann einfach verschwunden sein.
Motivation entsteht bei mir während der Vorbereitung auf ein Projekt. Ein großartiges Ziel zieht mich magisch an. Ich investiere viel Kraft, Zeit und Geld in diese Vorbereitung. Ich identifiziere mich immer mehr mit meinem Projekt. Der Motivationsberg wächst! Irgendwann kann ich es kaum noch erwarten, aufzubrechen.
Und dann plötzlich findet man sich in irgendwelchen bleiernen Behörden wieder, sitzt störrischen Beamten gegenüber, muss sich mit schmierigen Verbindungsoffizieren arrangieren, streiken die Träger, verlangen Bootsbesitzer astronomische Summen, die ein normaler Mensch niemals bezahlen kann oder säuft mit seinem Zelt in einem nicht enden wollenden Dauerregen ab.
Der Motivationsberg beginnt zuerst kaum merklich zu schrumpfen. Es ist ein schleichendes Gift. Jeden Tag verliert er etwas von seiner Größe. Und die Kunst ist nun, diesen Prozess irgendwie zu verlangsamen. Aufzuhalten ist wohl kaum.
Ihr macht das richtig: schönes gelbes Zelt und gemütlich eingerichtet…
Lasst eucg bloß nict die Laune verderben, sonst komm ich noch zu euch runter ^^
Ich drücke alle Daumen für trockenes Wetter!!!