Gipfelreif

Ein Jahrhundert-Wetterfenster sollte es werden. Geworden sind es zwei halbwegs gute und ein sehr guter Tag. Wahrscheinlich muss man drei solcher Tage hier tatsächlich so nennen.

Wir jedenfalls waren überglücklich, dass unser Flehen doch erhört wurde, denn nichts wäre frustrierender gewesen, als nach drei Wochen im strömenden Schneeregen unverrichteter Dinge wieder abreisen zu müssen. Doch nun haben wir unsere Chance an diesem grandiosen Eisriesen bekommen und sie auch bis an unsere Grenzen und darüber hinaus genutzt.

Unser Ziel war eine Route durch die extrem steile, noch undurchstiegene Südwestwand des Hauptgipfels. Überhaupt gibt es auf den Hauptgipfel des Sarmiento nur zwei Besteigungen, wobei die erste stark angezweifelt wird, was ich nach den Erfahrungen der letzten Tage auch gut verstehen kann.

Der Sarmiento von Südwesten. Der niedrigere Nordwestgipfel (links) ist in diesem Foto wolkenverhangen. Dafür ist rechts daneben der Hauptgipfel und unsere Wand sehr schön zu erkennen.

Mit Wetterfenstern ist das erfahrungsgemäß so eine Sache. Auf welche Weise nutzt man sie, wann ist der oder sind die idealen Tage? Wie lange wird die Schönwetterphase dauern? Gibt es genug Zeit für einen zweiten Versuch?

Wir hatten ja das Problem, dass noch niemand zuvor auf dem von uns geplanten Weg unter diese Wand vorgedrungen ist. Wir wussten deshalb nicht, wie lange wir brauchen würden, um von unserem Hochlager zum Wandfuß zu gelangen. Vor allem ahnten wir nicht einmal, mit welchen Schwierigkeiten wir auf diesem Weg zu rechnen hatten.

Um soviel Zeit wie möglich von diesem Wetterfenster zu nutzen, sind wir am Mittwoch (13.01) mit großen Rucksäcken zu unserem Depot aufgestiegen und haben es zu einem relativ komfortablen Hochlager ausgebaut. Für mindestens drei Tage waren wir mit Nahrung und Brennstoff ausgestattet. Länger sollte das Wetter auf keinen Fall halten.

Unser Hochlager bot einen unglaublich schönen Blick über den Magdalena-Kanal und die Cordillera Darwin. Man sieht auf diesem Foto auch ein Stück von dem See, über den wir eigentlich noch paddeln wollten. Selten war ich an einem schöneren Ort in meinem Leben.

Unser Plan sah vor, schon am nächsten Tag mit aller Kraft einen sehr ernsthaften Gipfelversuch zu wagen. Denn wer wusste schon, ob wir es tatsächlich mit einem Jahrhundertwetterfenster zu tun hatten? Doch wir hatten die Länge und die Schwierigkeiten des Weges an den Wandfuß unterschätzt. Vor allem eine lange Etappe über einen sehr spaltenreichen Gletscher hat uns sehr viel Zeit gekostet.

So standen wir erst gegen 9.00 Uhr am Einstieg in unsere Wand. Dass dies deutlich zu spät war, erfuhren wir aber erst hoch oben am Berg. Um möglichst schnell vorwärts zu kommen, entschieden wir uns, bis zum absoluten Limit seilfrei zu klettern. Uns war die Gefahr natürlich bewusst. Jeder Fehltritt und jeder kleine Eisbrocken, der an der falschen Stelle traf, hätte das Ende bedeuten können.

Seilfrei zu klettern hat aber dennoch viele Vorteile. Auch in punkto Sicherheit. Man ist rasch unterwegs, setzt sich den objektiven Gefahren also kürzer aus. Und bei schlechten Möglichkeiten der Absicherung sind nicht gleich beide hinüber, wenn es einen trifft.

Etwa 250 m unter dem Gipfel, es war gegen 14 Uhr, begann die Sonne in die Wand zu scheinen. Und sofort ging es mit dem Eisschlag los. Uns blieb keine Wahl, wir mussten uns so rasch wie möglich aus der Wand zurückziehen. Damit war der erste Versuch definitiv gescheitert. Aber für uns bedeutete er dennoch einen Teilerfolg.

Wir waren ziemlich hoch gekommen und konnten eine Menge Erfahrungen sammeln. Wir wussten jetzt, dass wir einen Großteil des Weges bis unter die Wand in der Nacht zurücklegen mussten. Und da wir den Weg nun einigermaßen kannten, sollte das auch machbar sein. Und wir hatten auch ein Gefühl für die Wand selbst bekommen, fühlten uns den Schwierigkeiten gewachsen. Wir lernten auch mit dem Risiko umzugehen.

An unserem Umkehrpunkt schauen wir schon deutlich von oben auf den Sattel zwischen den beiden Gipfeln des Monte Sarmiento hinunter. Wir wussten an dieser Stelle, dass wir es bei einem zweiten Versuch vielleicht schaffen können.

Nach 20 Stunden trafen wir völlig erschöpft wieder in unserem Hochlager ein. Am nächsten Tag war also definitiv ein Ruhetag fällig. Nun hing wieder mal alles vom Wetter ab. Würden wir tatsächlich noch genug gutes Wetter für einen zweiten Versuch haben?

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5 Antworten

  1. Christian sagt:

    Hallo Olaf, hallo Falk,
    das ist ja der Wahnsinn! Andere kommen nicht mal an den Berg, geschweige denn hinauf. Und Ihr kommt gleich im ersten Versuch bis fast auf den Gipfel und dann noch auf einer neuen Route. Ich freue mich riesig für euch und wünsche Euch eine zweite Chance. Die habt Ihr verdient!
    Viele Grüße aus CB

  2. Veronica sagt:

    Schön von euch zu hören, besser gesagt zu lesen!! Das Daumendrücken für gutes Wetter geht also weiter, ich drücke so fest ich kann!!!

  3. Bin seeeehr beeindruckt, lieber Olaf, lieber Ralf! Gut, dass es noch solche Menschen und solche Abenteuer gibt.
    Nun doch noch ziemlicher Neid, aber gerechterweise mit großer Hochachtung vor Eure Leistungen. Aber ich weiß, was dahinter steht. Bin mit dem Herzen dabei und wünsche Euch viel Erfolg und eine gesunde Rückkehr. Euer Bergfreund Erhard (und: tolle Berichte, tolle Bilder, alles Gute!)

  4. Gundula Nescholta sagt:

    Hallo Ihr Beiden,
    Faszination unberührte Natur zu sehen, zu fühlen, zu betreten, zu erleben…
    Auch von mir Daumendrücken für einen unbeeinflussbaren Faktor: das Wetter. Ich wünsche euch den maximalen Erfolg, ausreichend Kraft und das nötige Quäntchen Glück. Seid vorsichtig und kommt gesund wieder.
    Herzliche Grüße aus der Lausitz

  5. Mayk Zieschang sagt:

    Hallo Olaf!
    Es wird höchste Zeit, dass ich mich einmal bei Euch melde. Wieder begeistert von Deinen Erlebnisberichten, verfolge ich Deine Beiträge mit großem Interesse. Ich drücke Euch aus der Ferne eine erlebnisreiche Tour und dass Ihr unversehrt bleiben möget. „Möge das Wetter mit Euch sein!“
    Beste Grüße aus der Heimat in Plaue!

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