Teil 4, Tonsai/Railey

Nun kann ich mitreden, wenn vom Klettern in Thailand die Rede ist. Und ich weiß jetzt, dass es dort momentan nur ein Gebiet gibt, in welches sich die Reise lohnt, falls man in Thailand tatsächlich klettern möchte. Die bis zu 130 m hohen, versinterten Kalksteinfelsen über den benachbarten Stränden von Tonsai und Railey bieten mehr als 50 verschiedene Sektoren an denen mehrere hundert Routen eingerichtet sind.

Tonsai Beach (vorn) und Railey (hinten) von hoch oben aus der "Monkey World", einem Sektor in Tonsai.

Tonsai Beach (vorn) und Railey (hinten) von hoch oben aus der „Monkey World“, einem Sektor in Tonsai.

Doch wenn man aus der Ferne diese Zahlen liest oder auch Bilder sieht, so versteht man eben noch lange nicht, was den schon fast legendären Ruf dieses Spots unter den Sportkletterern begründet. Es ist so eine Art Gesamtkunstwerk, was die Natur hier geschaffen hat und was die Gilde der jugendlichen Sportkletterer offensichtlich so sehr fasziniert.

Kaum etwas ist hier einfacher, als sich irgendwo mit einem Boot hinschaffen zu lassen. Die Longtailboote sind in Thailand allgegenwärtig. Auch um nach Tonsai und Railey zu kommen, braucht man sie.

Kaum etwas ist hier einfacher, als sich irgendwo mit einem Boot hinschaffen zu lassen. Die Longtailboote sind in Thailand allgegenwärtig. Auch um nach Tonsai und Railey zu kommen, braucht man sie.

Da ist als erstes die traumhaft schöne Umgebung der beiden Strände von Tonsai und Railey. Extrem steile Wände ragen über ihnen direkt aus dem Meer auf. Buchstäblich von überall schaut man auf den Ozean. Doch diese Verbindung von Klettern, Strand und Meer gibt es auch anderswo.

Nach dem Klettern bei Bier, Joint und Thaifood umgeben von einer solchen Kulisse über das Motiv des nächsten Tattoos zu philosophieren, ist schon ziemlich cool.

Nach dem Klettern bei Bier, Joint und Thaifood umgeben von einer solchen Kulisse über das Motiv des nächsten Tattoos zu philosophieren, ist schon ziemlich cool.

Mich haben am meisten die teilweise riesigen Sinter fasziniert. Sie entstehen durch die Kristallisation von im Wasser gelöstem Calziumcarbonat. Es gibt sie an den Wänden hier in allen Farben, Formen und vor allem Größen. Noch nirgends auf der Welt bin ich auf solche mächtigen Kalksinter gestoßen. Sie sind sozusagen der Stoff an dem hier zum großen Teil geklettert wird. Und das ist schon eine ziemlich abgefahrene Sache.

Tropfsteine aus Kalk wachsen nicht besonders schnell. 8-15 mm pro einhundert Jahre. Wenn das zuträfe, dann sind diese hier auf dem Foto, locker zwischen fünf und zehn Meter lang, mehrere hundertausend Jahre alt.

Tropfsteine aus Kalk wachsen nicht besonders schnell. 8-15 mm pro einhundert Jahre. Wenn das auf jene hier tatsächlich auch zuträfe, dann sind die auf dem Foto, locker zwischen fünf und zehn Meter lang, mehrere hunderttausend Jahre alt.

Die Cat Wall am nordwestlichen Ende von Tonsai Beach. Einer der Lieblingssektoren hier. Ab Mittag in Schatten, regensicher, 20 Meter bis zum Strand, 100 bis zur nächsten Bierkneipe. Perfekter Spot also :-)

Die Cat Wall am nordwestlichen Ende von Tonsai Beach. Einer der Lieblingssektoren hier. Ab Mittag im Schatten, regensicher, 20 Meter bis zum Strand, 100 bis zur nächsten Bierkneipe. Perfekter Spot also 🙂

Als nächstes ist da natürlich das Wetter. Wenn es sich am frühen Morgen mal auf 25 Grad abgekühlt hat, dann ist das selbst Ende Dezember also mitten im tiefsten „Winter“ schon kalt. T-Shirt, Flip-Flops, kurze Hosen. Mehr braucht man hier nicht zum Anziehen. Und auch wenn es manchmal regnet. Geklettert wird trotzdem. Die fast durchgehend überhängenden Wände schirmen Nässe perfekt ab.

Und dann ist da noch die besondere Atmosphäre. Hier hat sich so eine Art Kommune entwickelt, in welcher die Kletterer aus der ganzen Welt eine Heimat auf Zeit finden können. Alles ganz cool und megaentspannt. Und natürlich auch sehr preiswert.

Hier kann man für wenige Euros pro Tag sein Leben fristen, klettern und jeden Abend Party machen. Diese Feten in Tonsai sind legendär. Das ist übrigens auch der Grund, warum die Wände, aus denen ab Mittag die Sonne verschwindet, deutlich beliebter sind, als diejenigen, welche bis Mittag im Schatten liegen.

Für mich war das hier allerdings ziemlich hart. Wo man hinsah, gebräunte, waschbrettbäuchige, rastalockige, superentspannte Jungs kaum je über 30, die in der Mehrzahl auch noch richtig gut klettern konnten. Denn das muss man hier.

Tonsai und Railey bietet nahezu nichts für Anfänger. Sehr viel athletische und technisch anspruchsvolle Kletterei in extrem steilem Gelände und dann auch noch sehr abgespeckt. Das ist übrigens einer der drei unbedingt zu erwähnenden Minuspunkte hier. Vor allem in den beliebten Routen der bevorzugten Sektoren ist dies ein weniger schöner Aspekt. Teilweise fühlen sich die Griffe an, wie das Whiskyglas vom Vorabend. Dazu kommt dann natürlich noch die feuchte Hitze und nicht zu vergessen die Moskitos.

Janina in der Schlüsselstelle von "Big Wave" am Ende der fünften Seillänge im Sektor mit dem bezeichnenden Namen "Monkeyworld".

Janina in der Schlüsselstelle von „Big Wave“ am Ende der fünften Seillänge im Sektor mit dem bezeichnenden Namen „Monkeyworld“.

Als Vorsteiger ist es oft ein wenig beruhigender Anblick, wenn der Sicherungsmann oder die -frau wild gestikulierend sich mehr mit der Insektenabwehr als mit dem Sichern beschäftigt. Das trug zumindest bei mir nicht immer zur Entspannung in den diversen Schlüsselstellen in stark überhängenden Seillängen 80 m über dem Boden bei. Dennoch war diesbezüglich das Verständnis groß.

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Routenstudium im Sektor „Wild Kingdom“. Das hier ist das klassische Gelände in Tonsai und Railey: Überhängende Kletterei häufig an Sintern in ein bis zwei Seillängen. Überwiegend wird mit langen Seilen toprope geklettert. (Foto: Janina Graeber)

Das Fazit fällt insgesamt trotzdem positiv aus. Wieder habe ich ein neues Klettergebiet kennengelernt. Es wird zwar sicher nicht mein Lieblingsgebiet werden. Dazu ist es viel zu weit weg, und ich klettere dafür vermutlich auch nicht gut genug. Aber vor allem bin ich eben doch nicht so wärmeliebend wie ich immer dachte. Schwer klettern und Hitze passt bei mir irgendwie nicht wirklich zusammen.

Es ist sicher eine Besonderheit beim Klettern in Thailand, dass man sicher sein muss, dass seine Sicherungsfrau beim Erscheinen eines solchen Besuchers nicht schreiend Reisaus nimmt und ihren Vorsteiger seinem Schicksal überlässt.

Es ist eine Eigenheit beim Klettern in Thailand: Man sollte sich möglichst darauf verlassen können, dass seine Sicherungsfrau beim Erscheinen eines solchen bestimmt anderthalb Meter langen Besuchers nicht schreiend Reisaus nimmt und ihren Vorsteiger seinem Schicksal überlässt.

Die Schönheit der Landschaft und die Eigenart des so stark versinterten Kalksteins hat mich aber sehr fasziniert und lohnt die Reise nach Thailand allemal. Doch ein paar Alternativen zum Klettern auf Lager zu haben, ist sicher keine schlechte Idee. Tauchen zum Beispiel.

Die Leuchtkraft der Wände in tiefstehendem Licht der Abendsonne ist schier überwältigend. Hier Pra-Nang-Beach in Railey mit der gleichnamigen Wand.

Die Leuchtkraft der Wände im tiefstehenden Licht der Abendsonne ist schier überwältigend. Hier Pra-Nang-Beach in Railey mit der gleichnamigen Wand.

So und nun hat mich der Alltag auch schon wieder. Die Vorbereitung auf die beiden Touren mit meinen Nepalgästen an den Fuß des Mount Everest laufen nun an, und natürlich freue ich mich schon sehr auf den letzten Vortrag der Saison am 28. Januar um 17.00 Uhr im Zeitgeschichtlichen Forum in Leipzig. Noch einmal geht es um meine kombinierte Kajak-Berg-Expedition nach Feuerland zum Monte Sarmiento gemeinsam mit Falk Liebstein. Nicht vergessen, noch rasch eine Karte zu besorgen, denn obwohl das nun schon der dritte Termin in Leipzig ist, sind auch dafür inzwischen mehr als die Hälfte der Tickets verkauft!! Als kleiner Vorgeschmack hier noch mal unser Vortragstrailer. Viel Spaß dabei!

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