Mein Element
Es ist kein Laut zu hören. Vielleicht streicht ab und zu mal eine leichte Windböe über unser Lager. Selbst die räuberischen Dohlen sind verschwunden, seit sie festgestellt haben, dass wir unser Essen und sogar unseren Müll in die Tonnen verpacken. Wir sind vollkommen allein hier oben.Hier geht kein Telefon oder Internet. Hier oben wird man so ganz und gar, sozusagen mit Haut und Haaren auf sich selbst zurück geworfen. Dinge treten in den Vordergrund, die Daheim bei all der Hast und dem Luxus gar nicht mehr ins Bewusstsein treten. Hier oben, von aller Welt weit entrückt, bekommen sie wieder den rechten Stellenwert. Hier bin ich in meinem Element. Immer wieder stelle ich genau das fest. Und daran wird sich vermutlich nichts mehr ändern.
Bei uns im über 5200 m hoch gelegenen Basislager am Nirekha sind ein gutes Zelt und ein bisschen Brot mit Wurst die Objekte unserer Begierde. Wenn wir keine Kopfschmerzen haben und in der Nacht wenigstens ein paar Stunden schlafen konnten und wenn die Verdauung funktioniert, dann ist das unser Glück.
Vorgestern, am 1. März, hat sich unsere Gruppe in Tagnag getrennt. Der größere Teil der Gruppe ist mit meinem Guide Kumar schon morgens um 6 Uhr zum Cho La (Pass) aufgebrochen. Etwas später sind wir mit unseren vier Yaks zum Nirekha Peak marschiert. Im Basislager angekommen, haben wir vier Zelte aufgestellt, eingerichtet, gekocht und sind dann gegen 15 Uhr wieder nach Tagnag zurück gelaufen. Wir wollten uns an diesem Tag noch etwas besser akklimatisieren, bevor wir die erste Nacht hier oben verbringen.
Die anderen haben den fast fünfeinhalbtausend Meter hohen Pass gemeistert und sind heute am 3. März hoffentlich wohlbehalten in Gorak Shep eingetroffen. Wahrscheinlich noch heute Abend, dass hängt wie alles hier von Wetter ab, wollten alle noch den Kalar Pattar besteigen, um abermals und diesmal ganz aus der Nähe den höchsten Berg der Welt im Abendlicht zu bewundern. Morgen werden sie zum Everest Basecamp wandern.
Ich hatte gehofft, auch über den anderen Teil der Gruppe auf den neuesten Stand zu kommen, weil es auf der Hauptroute zum Everest Handyempfang gibt. Deshalb habe ich heute mehrfach versucht, Kumar mit meinem Satellitentelefon anzurufen. Aber ich konnte ihn leider nicht erreichen. Höchstwahrscheinlich ist mit dem Handynetz dort drüben irgend etwas was nicht in Ordnung.
Für vier von uns hieß es schon heute das erste Mal so richtig zu zeigen, was in uns steckt. Nachdem wir gestern endgültig für die kommenden sechs Tage unser Lager bezogen haben, war unser Ziel heute der schon fast 5700 m hohe Cho La Col. Das ist ebenfalls ein Pass und sozusagen der größere Bruder des Cho La. Hier oben wollten wir ein Seildepot anlegen.
Wir sind heute morgen um 6 Uhr bei fast 20 ° Frost losmarschiert und haben alle mächtig gefroren. Dennoch sind wir mit etwa 400 m unserer Fixseile auf dem Col angekommen.
Morgen nun kommt ein harter Tag auf mich zu. Kharma Rita wird am Abend zu uns stoßen, und wir beide wollen zusammen die Route mit Seilen versichern. Wenn möglich bis fast zum Gipfel. Ganz bis zum Gipfel ist das nicht nötig, da die letzten Meter unschweres Gehgelände sind.
Da Mario sehr stark und auch sehr sicher unterwegs ist, wird er uns morgen vielleicht sogar begleiten. Mal sehen, wie er sich heute Abend fühlt.
Anschließend gibt es für uns drei einen Ruhetag und dann werden wir am 6. März den ersten Gipfelversuch starten. Spannende Neuigkeiten sind also garantiert. Daumendrücken zu Hause ist in den nächsten Tagen sicher nicht vergeblich…
Klar, hier werden alle verfügbaren Daumen gedrückt 😉
Hallo ihr lieben Sternche da hoch oben,
ich lese jeden Bericht mit sooo viel Freude, und natürlich auch mit Tränen in den Augen.. es ist eine völlig andere Welt …man muß da gewesen sein…. aber diese Welt macht auch sehr glücklich und nachdenklich und hält lange an… ja, bei mir ist und war das so…. alles liebe und Gute für euch …liebe Grüße Elke
Liebe Grüße an den Kumar… nein… an die lieben Porter… die das alles erst möglich machen Knutzscher
Hallo Leute!
Das hört sich alles sehr gut an. Ich fiebere mit Euch und hoffe, dass Ihr Eure Ziele bestens umsetzen könnt. Auf die Nirekha-Tour hätte ich ja auch nochmal Lust, Olaf. Hoffentlich spielt das Wetter mit. Genießt alles in vollen Zügen, auch wenn es anstrengend wird. Liebe Grüße an die Mannschaft und an die Träger!
Euer Mayk!