Der Große Ganges
Auf unserem Weg in die Berge besuchten wir eine Zeremonie in Rishikesh am Ufer des Ganges. Männer schwangen zu Ehren Shivas beeindruckende Feuertöpfe, sangen und produzierten eine Menge Rauch.
Ich hatte Probleme beim Fotografieren, denn das ging nur mit ausgestreckten Armen über die Köpfe der Menschenmassen hinweg. Endlich gab es eine Lücke in der Mauer aus Leibern ganz unten am Wasser.
Doch als ich hinunter ging und mich auf betonierten Stufen dem Ufer näherte, wurde ich sehr unsanft zurückgestoßen. Ein Pilger war ganz offensichtlich wütend auf mich. Erst verstand ich nicht, warum ich ihn wütend machte. Doch dann wurde mir klar, dass ich mit meinen schmutzigen Schuhen dem Wasser des heiligsten aller Flüsse zu nah gekommen war.
Der Ganges hat für die Inder eine ganz besondere Bedeutung. Nicht nur, weil er durch eine der am dichtesten besiedelten Regionen der Erde fließt. Hunderte Millionen Menschen leben an seinen Ufern, bewässern mit ihm ihre Felder und trinken sein Wasser!
Doch viel mehr als das zählt für die Inder seine immense religiöse Bedeutung. Das Bad im Ganges vermag die Menschen von ihren Sünden zu reinigen und verspricht Absolution. Am liebsten würden die Inder sogar am Ganges sterben und sähen es gerne, wenn man ihre Asche im Fluss verstreute.
Ich habe nur einen halben Tag in Rishikesh am Ganges verbracht. Das hat aber ausgereicht, um sehr beeindruckt zu sein, von der innigen Hingabe, mit der die Inder ihren Ganges und sein mächtiges Wasser verehren.
Umso schockierender ist dann allerdings die Tatsache, dass dieser Fluss, dessen Wunder-Wasser auf keinen Fall meine Schuhe berühren durfte, hemmungslos vergiftet wird. Fünf Millionen Kubikmeter Abwässer werden TÄGLICH in den Fluss geleitet. Die Konzentration von Kolibakterien beträgt das 2000fache des in Indien vorgegebenen Grenzwertes. Ebenfalls um ein Vielfaches werden die Werte von Blei, Quecksilber, Cadmium, Phenol und Chrom überschritten. Mein schmutziger Schuh hätte den Kohl sicher nicht fett gemacht.
Ganz bestimmt fehlt mir Überblick, Verständnis und Wissen. Aber wenn ich Inder wäre, würde ich wollen, dass alles dafür getan wird, dass das Wasser wenigstens einigermaßen sauber ist, mit dem ich und Millionen meiner Landsleute unsere Sünden abwaschen und aus dem wir vor allem anderen auch trinken!!
Die Atommacht Indien bekommt das aber nicht hin. Ein 1985 begonnenes Projekt zur Reinigung des Ganges gilt als auf der ganzen Linie gescheitert. Die Bauruinen der nie fertig gewordenen Klärwerke kann man entlang des Flusses überall bestaunen, so wie auch hier in Rishikesh. Offensichtlich gibt es sehr viel drängendere Projekte in diesem Land, als den vergifteten, heiligen Fluss zu sanieren. Zum Beispiel mit Pakistan um die Wette zu rüsten und Atombomben zu bauen.
Nun, ich werde das nicht ändern. Und vermutlich steht mir nicht einmal zu, mich darüber zu echauffieren. Aber ich darf mich schon über den wütenden Pilger wundern und womöglich auch besorgt sein, denn die täglich fünf Millionen Kubikmeter Abwasser fließen mit dem Ganges schließlich ins Meer. Und der Ganges ist nicht der einzige Fluss dieses Kalibers in Asien, welcher dermaßen vergiftet ist.
Seit zwei Tagen fahren wir nun in Richtung Norden. Am ersten Tag noch in der Ebene, seit heute schon durch die Vorberge des Himalaya. Wir mussten dafür extra Bus und Fahrer wechseln, denn ich Indien braucht der Fahrer eine „Mountainfitness drivers licens“. Und auch für den Bus benötigen wir eine Sondergenehmigung für eine Fahrt in die Berge.
Inzwischen sind wir auch nicht mehr entlang des Ganges sondern am Baghirathi, dem größeren der beiden Quellflüsse des Ganges, unterwegs. Er ist übrigens genauso heilig wie der Ganges selbst.
Morgen (12.09.) werden wir in Barsu eintreffen, wo wir unseren zehntägigen Akklimatisationstrek durch das Garhwal Himal beginnen werden. Unser Weg wird durch weitgehend unberührte Urnatur führen, in der es keine Siedlungen oder ähnliches mehr geben soll. Wir müssen also alles dabei haben und deshalb begleiten uns ab morgen neben unserer Küchenmannschaft 16 Träger.
Ich bin gespannt und freue mich sehr auf die kommenden Tage des Unterwegsseins, denn es gibt für mich kaum etwas aufregenderes, als unberührte Urnatur zu erleben.
Lieber Olaf, wie schön von Euch zu hören – auch wenn es diesmal sich wirklich schwierig gestaltet. Wir sind ebenfalls -etwas- abgetaucht?? – im Roten Meer (Urlaub vom Mepalfilm-Projekt)?. Aber Gegensätze sollen sich ja anziehen?! In diesem Sinne, passt auf Dich auf und wir denken an Euch. LG, Anne und Jens