Under Construction
Also sie ist schon eine Zumutung. Und den Namen Straße verdient sie schon lange nicht mehr. Seit man begonnen hat, die ehemalige Straße nach Jiri auszubauen, ist sie nach unseren Maßstäben vollkommen unbefahrbar. Aber unsere Maßstäbe gelten hier eben nicht.
Einer von den Schlüsselratschlägen, den man beherzigen sollte, wenn man sich auf den Weg nach Nepal macht, ist der: Man lege seine Maßstäbe möglichst vollständig ab und nehme den Beobachterstatus ein. Dann fährt man am besten. Heute im wahrsten Sinne des Wortes.
Meine Gäste konnten den ganzen Tag lang beobachten, wie sich ein Bus über eine total zerstörte Panzerstraße quält und wie sich das auf den menschlichen Körper auswirkt.
Und wir hatten zwischendurch, wie könnte es anders sein, eine Stunde lang Actionkino. Ein riesiger LKW war mitten in einer Haarnadelkurve direkt vor uns liegengeblieben. Die Anforderungen an Mensch und vor allem an das Material sind aber auch zu mörderisch. Im Nu bildete sich in beide Richtungen ein Stau. Aber wie es immer so ist, die im Umgang mit solchen Problemen geübten Nepalis begannen sofort, an einer Lösung zu arbeiten.
Sandhaufen wurden umgeschaufelt, Steine zusammengetragen, um die Kurve auf die Schnelle ein bisschen auszubauen. Allerdings hielt sich der Raumgewinn trotzdem so sehr in Grenzen, dass ich es für unmöglich hielt, dieses Problem auf diese Weise zu lösen. Und wiedereinmal wurde ich eines Besseren belehrt. Irgendwie hatten die Jungs einen sehr präzisen Blick, was geht und was nicht sowie eine Menge Gottvertrauen.
Irgendwie zirkelte sich unser Riesenbus auf den paar hingeworfenen Steinen an dem liegengebliebenen Lastwagen vorbei. Und wir trafen mit lediglich einer Stunde Verspätung in Jiri ein.
Der Bus hielt vor unserer Lodge und wer wartete da schon auf uns? Bis heute zum frühen Nachmittag waren alle unsere Träger nach mehreren Tagesmärschen aus ihren Heimatdörfern hier eingetroffen. Also hat auch das ganz hervorragend funktioniert.
Nun kann uns so schnell nichts mehr aufhalten. Und wenn doch, dann sind das die Dinge, denen wir uns stellen wollen, wegen denen wir eigentlich auch hier sind: Schlechtes Wetter, die Höhe, lange, anstrengende Passüberquerungen, unsere Schwächen. Aber von jetzt an wird mit offenem Visier gekämpft und unseren Gegner kennen wir gut. Denn das sind vor allem anderen wir selbst und unser innerer Schweinehund.
Ach, und es wird nicht jeden Tag eine neue news geben. Jetzt sind wir auf dem Weg, alle sind gesund und munter, und wir haben nun die ganzen Unwägbarkeiten hinter uns gelassen. Und ich für mein Teil bin nun schon viel ruhiger geworden…