Devil´s Dancefloor

Die Norweger lieben diese Metapher ganz offensichtlich. Ich bin ihr schon mehrfach begegnet, vor allem auf meinen vier Reisen nach Spitzbergen. Damals zu Fuß oder mit dem Seekajak, heute nun kletternd auf dem Tanzboden des Teufels.

Wieder ist ein Traum in Erfüllung gegangen. Ich hatte wieder Glück mit dem Wetter und mit meinem Partner. Und dieses motivierende und fröhlich machende Gefühl, dort oben gestanden zu haben, wird noch viele Monate anhalten. Wenn es keinen anderen Grund gäbe, dieser reichte aus, um genau zu wissen, warum wir sowas tun.

Allerdings gleich vorweg. Auf den Stetind über den Normalweg zu klettern oder wie wir durch den Südpfeiler und den Normalweg wieder hinunter, ist kein Tanz mit dem Teufel. Ganz im Gegenteil. Es könnte sogar ein Vergnügen sein, denn der Tanzboden ist aus feinstem, rauem Granit, wenn da nicht diese Kälte gewesen wäre.

Der Kletterführer von Mikael af Ekenstam und Lars Thulin lässt kaum Wünsche offen. Die Topos sind in der Regel doppelt vorhanden, als Zeichnung und als eingezeichnete Route in einem Foto. Ein wenig klein geraten sind die Karten mit deren Hilfe der Kletterer seine Ziele auffinden kann sofern er sein Brille nicht vergessen hat.

Die Nacht zuvor war klar, die Luft hatte sich deshalb sehr abgekühlt, und als wir kurz nach halb sieben Uhr eingestiegen sind, lagen die Temperaturen kaum über Null Grad. Wir sind womöglich zu spät im Jahr hier.

Im Kletterführer „Stetind and Narvik“ adeln die Autoren den Südpfeiler am Stetind als die vielleicht schönste Route in ganz Norwegen. Ob das wirklich so ist, kann ich natürlich nicht einschätzen. Fest steht aber, der Südpfeiler am Stetind, mal von der Schlotterei wegen der Kälte abgesehen, ist eine der schönsten Routen, die ich je geklettert bin.

Das Band, auf welchem man zum Einstieg des Südpfeilers gelangt, ist reines Gehgelände. Das Schneefeld, über welches buchstäblich immer berichtet wird, weil man es queren muss auf dem Weg zu diesem Band, ist in diesem Jahr vollständig abgetaut. Und deshalb war sehr deutlich zu sehen, dass es mit seinem oberen Drittel eben nicht auf den abschüssigen Granitplatten aufliegt, sondern auf einem Geröllfeld. Wenn es also hoch genug gequert wird, muss man sich nicht fürchten, mitsamt dem Schneefeld in die Tiefe abzurutschen.

Drei Dinge sind dafür der Grund:

Erstens führt diese Route auf einen atemberaubend schönen Gipfel, siehe das erste Bild des Beitrages. Diese Tatsache bedarf keiner weiteren Erläuterung. Der Anblick des Stetind und die Emotionen, die dabei aufkommen, sind Ursache genug.

Zweitens ist dieser Weg eine besonders schöne und vor allem abwechslungsreiche Kletterei an bombenfestem Fels. Alles wird hier abgefragt: Wand, Reibung, Piazen an Hangelrippen, und vor allem Risse in jeder Darreichungsform. Besonders Rissverschneidungen bietet der Stetind dem gerne klemmenden, stemmenden und stützenden Kletterer in jeder Größe und Schwierigkeit feil.

Hier das Paradebeispiel für eine Rissverschneidung am Stetind. Für uns die Seillänge Nummer 12, die erste der drei Schlüsselseillängen des Südpfeilers. Rissverschneidung deshalb, weil der Winkel nicht geschlossen ist, sondern ein Riss gute Sicherungs- und auch die eine oder andere Griffmöglichkeit bietet.

Der dritte Grund ist aber der wichtigste. Hier im Norden Norwegens klettert man, zumindest am Stetind noch auf eine Weise, die selbst unsere sächsischen Traditionen in den Schatten stellen. Keine Haken, keine gebohrten Stände, ja nicht einmal Schlingenstände. Einfach nichts. Außer einer einzigen Abseilstelle im Normalweg und ein paar Bohrhaken, an denen die Bergung eines Verletzten stattfand, ist der Stetind „clean“.

Ein gut gelegter Keil, wie hier im Bild, ist eine verlässliche Zwischensicherung. Man muss nur darauf achten, dass er nicht durch die Bewegung des Seils von seiner Stelle weg „geruckelt“ wird. Das gilt übrigens auch für die Friends, die außerdem noch die Angewohnheit haben, gerne mal in den Tiefen des Risses zu verschwinden, wenn der sich nach innen erweitert. Und schwupp sind 70 oder auch mal 80 Euro vom Berge verschluckt…

Das macht die ganze Sache um so viel spannender und herausfordernder. Bohrhaken zu klinken ist einfach, macht schnell und verschafft ein gutes Gefühl der Sicherheit. Man kann an ihnen abseilen, falls man nicht weiterkommt. Vor allem aber können sich die Kletterer an diesen Haken sehr gut orientieren, also den Verlauf der Route erkennen. Sie sparen dadurch zum einen enorm viel Zeit, zum anderen auch enorm viel Ausrüstung am Gurt.

Uwe im Nachstieg in der mittleren der drei Schlüsselseillängen. Eine flache, ziemlich steile Verschneidung in der sich die eine Winkelseite als griffige Hangelrippe präsentierte. Gute Tritte suchte man hier aber häufig vergeblich.

Gibt es keine Bohrhaken, muss der Verlauf der zu kletternden Linie selbst gefunden werden. Man versucht sich an den Felsstrukturen zu orientieren. Wo wäre ich entlang gestiegen, wenn ich der Erstbegeher gewesen wäre? Das kostet Zeit, ganz besonders viel, wenn man sich mal bei der Wegfindung verhauen hat, wie man bei uns sagt.

Noch mehr Zeit kostet das Anbringen der mobilen Sicherungsgeräte. Ständig ist der Kletterer auf der Suche nach Gelegenheiten zum Anbringen seiner Zwischensicherungen: Schlingen, Keile, Klemmgeräte von uns Kletterern fast liebevoll „Friends“ genannt, weil ein gut sitzender „Friend“ auch wirklich ein Freund, manchmal sogar ein Lebensretter ist.

Der Daumen wird auf den farbigen Kopf des Steges gesetzt, an welchem die Schlinge befestigt ist. Mittel- und Zeigefinger ziehen an dem schwarzen Griff die Schenkel des Klemmgerätes zusammen. So wird es in den Riss geschoben. Dort spreizen sich die Schenkel wieder und der Friend steckt fest. So fest, wenn er denn richtig gesetzt wurde, dass sogar weite, schwere Stürze in diese Zwischensicherung möglich sind, ohne das er seinen Platz verlässt.

Und dann müssen auch noch Möglichkeiten gesucht und gefunden werden, um einen Standplatz zu bauen, an dem sich der Vorsteiger festmachen und seinen Nachsteiger zu sich hoch sichern kann. Der muss also wenigstens das Reinrutschen des Nachsteigers ins Seil aushalten. Ach so und wie hält man das überhaupt mit dem Vor- und Nachstieg? Klettert einer immer voran und der andere hinterher? Wechselt man sich ab? Oder gibt es noch andere Möglichkeiten?

Und wer verbirgt sich eigentlich hinter dem klingenden Namen Hamaroyskaftet?

Uwe und ich auf dem Gipfelplateau des Stetind, welches übrigens groß genug ist, um dort oben ein Fußballspiel auf Großfeld zu veranstalten. Der Stetind ist wirklich ein sehr gewaltiger Stein! Im Hintergrund sind sogar noch die Lofoten sichtbar.

Zu erzählen gibt es viel, wie immer wenn man eine Reise tut. Doch das machen wir dann im nächsten Blog. Zuviel Text ist heutzutage gar nicht gut…


Schon den 26. Oktober notiert? Da gibt es meinen brandneuen Multivisionsvortrag  zu unserer Shivling-Expedition in der Leipziger Stadtbibliothek um 17.00 Uhr.

Karten sind in meinem Online Shop und beim tapir erhältlich.

Und gleich hier gibt es noch einmal Teil 3 des Trailers:

 

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3 Antworten

  1. Detlef Weyrauch sagt:

    Hallo Olaf,
    herzlichen Glückwunsch euch beiden zum Gipfelerfolg. Ist das mit der Größe des Gipfelplateaus ernst gemeint? Schaut man sich das erste Foto an, will man das gar nicht glauben. Ich habe zwar keinen Berg bestiegen, werde morgen aber meine Reha in Bad Düben beenden. Es geht mir gut. Hinsichtlich Fitness habe ich große Fortschritte gemacht und bin recht zuversichtlich. Wir sehen uns im Oktober im Elbsandsteingebirge.
    Viele Grüße von Detlef

    • Olaf Rieck sagt:

      Ich freue mich außerordentlich, dass zu hören. Den Rest des Tages macht mir das gute Laune!
      Und Du hast womöglich den größten Berg Deines Lebens bestiegen, wenn auch in übertragenem Sinn.

      Und ja, dass mit dem Gipfelplateau ist tatsächlich ernst gemeint. Dieser Brocken ist der größte Stein der Erde. Der ist einfach mal größer, als er auf diesem Foto aussieht!

      Weiter gute Fortschritte und herzliche Grüße

  2. Thomas Schmidt sagt:

    Großartig, Glückwunsch euch beiden!!!
    Und danke auch für die atemberaubenden Fotos sowie die einfühlsamen Erklärungstexte…

    Bis die Tage, Thomas

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