Gefahr im Verzug

Seine Meinung zu äußern, kann heutzutage sehr quälerisch sein. Bist Du anderer Meinung als ich, bist Du mein Feind und Feinde werden bekämpft. Ganz besonders einfach geht das im Netz. Da kann man hasserfüllte Kommentare absondern und braucht dem anderen dabei weder in die Augen zu schauen, noch seinen rechten Haken zu fürchten.

Der Blick Richtung Westen auf die Route „Viva Espana, eine wunderbare Linie, die Holger Kühne 1998 erstbegangen ist.

Vielleicht geht es in diesem speziellen Fall aber auch anders, trotzdem die Sachlage kompliziert und vielschichtig ist und es von verschiedenen Seiten gleich mehrere berechtigte Interessen gibt. Wir Leipziger Kletterer stecken gerade in einer solch komplizierten Sachlage. Es geht um einen der wichtigsten Kletterspots hier in der Region, es geht um den Holzberg bei Böhlitz.

Die beiden absoluten Highlights im Holzberg. Der Sektor „Valentinstag“ mit einigen der schönsten Routen in ganz Mitteldeutschland. Jacob klettert gerade „Schmalspur“. Doch absolut einmalig ist der Sektor „Sonnenplatte“. Diese Reibungsplatte ist die größte Platte Mitteldeutschlands. Und wer wissen will, was Reibung ist und wie weit man es damit treiben kann, der ist hier genau richtig.

Bis 1975 wurde dort über viele Jahre Quarzporphyr abgebaut. Ein drei Hektar großes und bis zu 40 m tiefes Loch entstand und mit ihm eine über dreihundert Meter lange Felswand. Trotzdem dauerte es zwölf Jahre bis 1987 hier die ersten Routen entstanden.

Mit der Wende und vor allem ab 1997 gab es durch das große Engagement von Leipziger und Wurzener Kletterern allen voran Holger Kühne, René Riedel und Ralf Görner einen großen Schub an Erstbegehungen. Und wir Kletterer dürfen in diesem Zusammenhang auf keinen Fall Gerald Krug und seinen großartigen Kletterführer vergessen. Er hat nach meinem Gefühl vielleicht am meisten zur Entwicklung und dem Bekanntwerden unserer Klettergebiete beigetragen.

Der Blick von der Sonnenplatte nach Südosten auf den Mittelteil der Kletterwände des Holzberges.

Die Besitzer des Holzberges waren zu dieser Zeit die sehr zugänglichen Sächsischen Quarzporphyrwerke. Mit ihnen konnte ein Nutzungsvertrag abgeschlossen werden. Doch der gute Dialog mit diesem Betreiber nahm nach der Übernahme des Holzberges durch die Basalt AG ein jähes Ende. Sämtliche Vereinbarungen zum Klettern am Holzberg wurden aufgekündigt und das Klettern verboten.

Die Basalt AG war keineswegs ein so gesprächsbereiter und klettererfreundlicher Partner wie ihr Vorgänger. Langwierige und hartnäckige Verhandlungen begannen, und wieder war es dem Einsatz der Oberen des Leipziger Alpenvereins und der IG Klettern zu verdanken, dass trotz aller Schwierigkeiten ein neuer Vertrag für den Holzberg zustande kam. Für den Zinkenberg gelang das leider nicht, dort ist das Klettern derzeit verboten, und das Schicksal des wichtigsten Wahrzeichens des Klettersports in unserer Region, der „Schwarzen Wand“ ist uns noch in trauriger Erinnerung. Sie wurde allen Rettungsbemühungen zum Trotz gesprengt. 

Es war schon fast eine Nacht- und Nebelaktion, die Sprengung der Schwarzen Wand. Ein großer Verlust. Seit der Eröffnung des Südweges 1925 wurde hier geklettert.

Aber der Holzberg als Klettergebiet blieb uns erhalten. 

Vor ein paar Monaten nun hat die Basalt AG den Holzberg an die Firma KAFRIL verkauft. Diese Firma ist in Großzschepa, also nur fünf Autominuten vom Holzberg entfernt, ansässig. KAFRIL ist spezialisiert auf Abbruch und Erdbau. Und der Holzberg ist für sie ein Glücksfall. Seiner Zeit gab es von der Bergbaubehörde eine Genehmigung zum Gesteinsabbau am Holzberg verbunden mit einem sogenannten „Abschlussbetriebsplan“, der nach dem Ende des Abbaus die Wiederauffüllung des von Menschenhand entstandenen Loches vorsieht. Es besteht also bis heute eine gesetzliche Pflicht zur Verfüllung.

Für weit über eine Millionen Kubikmeter Schutt und Erdaushub ist im Holzberg noch Platz! Für eine Firma, die mitten im Bauboom ständig Erdaushub und Bauschutt unterbringen und dafür teuer bezahlen muss, sicher ein großartiges Kaufobjekt. Außerdem ist in diesem Zusammenhang wichtig zu wissen, dass nicht nur fast 200 Arbeitsplätze auch in Zukunft erhalten werden müssen. Die Firma ist darüberhinaus fest in der Region verwurzelt, hat ein exzellentes Standing und einen guten Ruf. Die sechsstellige Investition in den Holzberg schien eine großartige, zukunftssichernde Entscheidung für das Unternehmen zu sein.

Eine Schlingnatter im Holzberg. Völlig harmlos für den Menschen und streng geschützt geht ihr Bestand trotzdem dramatisch zurück. Und der Grund dafür ist, wie könnte es auch anders sein, die Zerstörung ihres Lebensraumes. (Foto: Mario Frosch)

Und ganz besonders bedeutend für uns Kletterer war die Tatsache, dass uns die Firma KAFRIL sofort und ohne Auflagen weiterhin die Ausübung unseres Sports im Holzberg erlaubte.

Doch es gibt einen entscheidenden Haken an dieser Sache. Damit das Loch am Holzberg, der ja genau genommen schon lange kein Berg sondern eine Grube ist, nicht voll Wasser läuft, wurde selbiges abgepumpt. Der Wasserspiegel stieg zwar im Laufe der Jahre trotzdem an, aber nur gerade soviel, dass sich am Boden der Grube ein Flachwasserbiotop entwickeln konnte. Und man musste kein Naturschutzexperte oder Biologe sein, um zu sehen, dass es immer wertvoller wurde.

Die Natur eroberte sich das verlorengegangene Terrain mit aller Macht zurück. Der Holzberg dient heute als Nahrungsreservoir, Brutplatz und Lebensraum für zahlreiche zum Teil sogar streng geschützte Tierarten.

Die Eidechsen sind am Holzberg noch allgegenwärtig. Wenn ich nicht andauernd nur Kletterer fotografieren würde, dann könnte ich hier noch Graureiher, Weißstörche, Fledermäuse und jede Menge Lurche präsentieren.

Wir alle, die wir den Holzberg lieben, weil wir dort so vorzüglich in allen Schwierigkeitsgraden klettern können, sahen es mit großer Freude. Und alle anderen, die dort Erholung suchten oder die, wie die Böhlitzer Bürger in unmittelbarer Nachbarschaft zu Hause sind, freuten sich ebenfalls über den Rückeroberungsfeldzug der Natur.

Doch wenn die Pflicht zur Verfüllung des Holzberges tatsächlich bestehen bleibt, wird dieser Feldzug demnächst beendet sein. Dann werden im Verlaufe der kommenden Jahre zehntausende LKW, eine Rechnung spricht von 120000, durch Böhlitz fahren und das Biotop „überprägen“. Schönes Wort für zuschütten.

Ich habe auf den beiden Info-Veranstaltungen der Böhlitzer Bürger und der Firma KAFRIL in der vergangenen Woche gelernt, dass in den nächsten Jahren mindestens 26 m aufgeschüttet werden sollen. In einem Wortbeitrag vom Firmenchef Jens Karnahl war sogar von 30 bis 35 m die Rede. Da bleibt also nicht viel von den grandiosen Wänden des Holzberges übrig, ganz zu schweigen vom Biotop.

Der Gasthof „Zur Königslinde“ in Böhlitz war in der vergangenen Woche Schauplatz von zwei aufeinanderfolgenden Veranstaltungen. Am Dienstag informierte die Firma KAFRIL über ihre Pläne, am Mittwoch präsentierte die Böhlitzer Bürgerinitiative ihre Ansichten zum Thema.

Deshalb ist es wenig überraschend, dass sich dagegen massiver Widerstand der Bewohner von Böhlitz regt. Eine Bürgerinitiative wurde gegründet, eine Online Petition ins Netz gestellt, Unterschriften gesammelt. Eine nach meinem Empfinden äußerst ge- und entschlossene Anti-Überprägungsfront hat sich da gebildet, die alle Hebel in Bewegung setzen will, um die Bauschuttdeponie im Holzberg zu verhindern. Ein hehres Ziel, denn es steht außer Frage, dass das Biotop im Holzberg schützenswert ist und in der heutigen Zeit, wo wir um jeden Quadratmeter Natur kämpfen sollten, das Zuschütten einen unzeitgemäßen Frevel darstellt.

Doch die Firma KAFRIL hat ebenfalls hehre Ziele. Sie muss auch in Zukunft Erdaushub und Bauschutt deponieren können. Und das wollte sie nicht irgendwo, sondern in einem Loch, für das die gesetzliche Pflicht besteht, es zu verfüllen. Es geht hier nicht zu letzt um viele Arbeitsplätze an denen Familien und deren Existenzen hängen. Die Position der Firma KAFRIL ist deshalb leicht zu verstehen und noch besser nachvollziehbar. Aber das gilt für den Standpunkt der Böhlitzer Bürger natürlich ganz genauso.

Mitbegründer und Chef der Bürgerinitiative ist der Böhlitzer Gunter Winkler.

Nur bei uns Kletterern ist das mit dem Standpunkt schwierig! Die Verfüllung wird Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte in Anspruch nehmen. Wir Kletterer würden dort weiter klettern können, nun allerdings mit Blick auf eine ständig wachsende Bauschuttdeponie und permanent einfahrende LKW, welche ihre Ladung abkippen. Das Biotop wird allerdings keine Gnadenfrist bekommen wie wir Kletterer. Und ich ganz persönlich glaube auch nicht, dass die versprochenen naturschützerischen Ausgleichs- und Umsiedlungsmaßnahmen das verloren gehende Flachwasserbiotop auch nur annähernd ersetzen können.

Und plötzlich sitzen wir Kletterer zwischen allen Stühlen. Schlagen wir uns auf die Seite der Böhlitzer Bürgerinitiative, riskieren wir womöglich das Wohlwollen der Firma KAFRIL als Besitzer unseres Holzberges. Dieser kann alle Vereinbarungen für null und nichtig erklären und uns das Klettern im Holzberg verbieten und zwar für immer. Und wie wir alle wissen, ist so ein Verbot auch ganz leicht durchzusetzen.

Nehmen wir die Verfüllung des Holzberges hin, weil wir ja noch auf Jahre dort klettern können und wollen, werden wir, nein, ab jetzt kann ich nur noch für mich sprechen, werde ICH immer mit einem sehr schlechten Gewissen Hand an den Quarzporphyr des Holzberges legen. Anstatt mich klar zu positionieren, würde es mir in dem Fall letztendlich egal sein, dass wieder einmal die Natur auf der Strecke bleibt. Hauptsache, wir können ungestört weiter klettern.

Ich würde mich ziemlich egoistisch finden…

 

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11 Antworten

  1. Erhard Klingner sagt:

    Es würde sicher schon gut sein, wenn alle Kletterer zu einem gemeinsamen Standpunkt kommen würden. Dein Text war dazu schon eine gute Grundlage.

    • Olaf Rieck sagt:

      Das wäre sicher gut. Doch nach den Meinungen, die ich bisher zu diesem Thema gehört habe, wird das ein hartes Stück Arbeit.

  2. Marco Kliszak sagt:

    Danke Olaf, wunderbar zusammengefasst und so wertungsfrei, wie es nur sein kann. Ich wünsche mir, dass die, sicher berechtigten, Standpunkte nicht eskalieren und dadurch die Vernunft und dann immer viel mehr, auf der Strecke bleiben.

  3. Lieber Herr Dr. Rieck,

    danke für den wunderbar ausgewogenen Artikel. Ich würde mich, und da spreche ich für mich als Kletterer, klar für die Seite einer noch anhaltenden Diskussion mit der Fa. Kafril einsetzen mit dem Ziel die Verfüllungspläne und auch die Versetzungspläne für das Biotop ggf auch mit der Unterstützung der Klettererschar in Form von Umsiedlungsaktionen in ein ähnlich gut angelegtes Biotop. Es kann doch nicht so schwer sein ein solches zu finden, bei der Anzahl von Restlöchern in der Gegend. Ggf. könnte man sogar über eine Teilung der Populationen nachdenken. Kann man nicht die Tiere irgendwie einsammeln. Ich weiß, das klingt naiv und utopistisch, aber es wäre eine (fixe) Lösungsidee. Ziel wäre, im weiteren Verlauf den Erhalt der Wände durch ein dauerhaftes und grundbuchlich gesichertes Recht am Grundstück für die Klettererschaft langfristig zu sichern.

    Diesen Ansatz sollten wir zumindest einmal diskutieren.

    Beste Grüße

    Christian Krönert

  4. Joachim Vorwerk sagt:

    Hallo,

    ich sehe die Verfüllung pragmatisch. Es wird niemand die Verfüllung aufhalten, außer dem Besitzer.

    Warum ist es in solchen Fragen nicht möglich, Interessen der Sportler und Naturschützer zu bündeln und das Ding zu kaufen. Nun leider schon etwas spät. Der DAV ist einer der größten Verbände in Deutschland! Da sind keine 500T € möglich mit der Gewähr das ganze zu besitzen?

    So wie es sich jetzt verhält, ist der Bruch im Sinne Naturschutz verloren und für das Klettern durchaus noch zu erhalten. Darauf sollte man sich besinnen. Die Themen kann man getrennt behandeln. Es schließt sich nicht aus sich als Kletterer für Naturschutz zu aktivieren, aber das sollte kein Muss sein.

    Ich würde 1000€ für einen Kauf spenden, aber das wird vermutlich ein Lippenbekenntnis bleiben, da nicht mehr käuflich.

    MfG, Achim

  5. Ein äußerst gelungener Artikel.

    Ich würde auch Geld in die Hand nehmen um das Ding zu erwerben. Wie steht denn die Leipziger Sektion des DAV dazu? Hat da jemand Infos? Gerne melden!

  6. Was wäre die Alternative für die Fa. Kafril? Der Erdaushub und Bauschutt müssen irgendwo abgelagert werden schon weil sich nicht jeglicher Bauschutt zur sinnvollen Wiederverwendung recyceln lässt. Nebenan gibt es den Köppelschen Berg. Wer schon mal dort war, auch hier hat sich über die Jahre ein Biotop entwickelt und ist somit ebenfalls keine Alternative. Der Spitzberg und div. andere alte Brüche ebenso. Schon auf Grund der Pflicht zur Verfüllung werden wir dagegen nicht viel ausrichten.
    Was wir machen können als Kletterer ist, uns mit Naturschutzverbänden zusammentun und dafür Sorge zu tragen, dass die versprochenen naturschützerischen Ausgleichs- und Umsiedlungsmaßnahmen umgesetzt werden. Zum andern sollte man mit Fa. Kafril reden um die alten Pläne, d.h. ein Aufschütten in Form einer Schräge und damit ein Erhalten der oberen Kletterwege (dort wo die meisten Wege beginnen) zu erreichen.

  7. Erhard Klingner sagt:

    Sind schon Alternativen für die Verfüllung angedacht worden?
    Z.B. Zinkenberg

    • Olaf Rieck sagt:

      Derzeit wird intensiv in den verschiedenen Interessengruppen über genau diese Dinge diskutiert. Noch aber ist nichts so konkret, als das ich darüber fundierte Auskunft geben könnte.

  8. Henry Balzer sagt:

    Hallo Olaf, Du hast es sehr ausgewogen dargestellt. Leider ist es noch komplizierter. Das letzte Wort hat das Umweltamt des Landkreises mit der Unteren Naturschutzbehörde, ob mit nicht kontaminiertem Erdaushub verfüllt (gemäß Vorgabe des Bergbauamtes) werden darf. Die Gefahr besteht, dass auf Grund des naturschutzrechtlichen Gutachtens, welches Kafril in Auftrag gegeben hat, der Bruch auf Grund der vorgefunden Fauna und Flora komplett gesperrt wird. Dann sind alle draußen. Im Falle dieser Entscheidung hoffe ich, dass sich alle an dieses Verbot halten.

    • Olaf Rieck sagt:

      Hallo Henry, herzlichen Dank für diese wichtige Klarstellung!

      Ich bin mit Leib und Seele Kletterer und Bergsteiger und sehr oft im Holzberg anzutreffen. Trotzdem steht für mich fest. Wenn ich wählen müsste zwischen der Deponie, also dem Überprägen des Biotops mit nichtkontaminiertem Erdaushub und der damit einhergehenden Erlaubnis, viele weitere Jahre dort klettern zu dürfen ODER dem Erhalt des Biotops und dem kompletten Kletterverbot, wäre für mich die Entscheidung klar. Doch hoffe ich, dass es so nicht kommen wird. Und wenn doch, dann werde ich mich daran halten, so schwer es mir auch fallen würde…

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