Die Bürste und der Klimaschutz

Ich weiß nicht, ob es für ein Buch reichen würde. Aber es ist schon eine Menge an großartigen, skurrilen, rührenden und traurigen Erlebnissen zusammen gekommen im Laufe der vielen Jahre, die ich mit anderen Menschen in den Bergen verbracht habe. Gerade ist wieder etwas lustiges passiert.

Wir kamen vom Eisklettern und waren unterwegs in eine Kneipe in Matrei. Ich schaute im Auto auf dem Beifahrersitz in den Spiegel von der Sonnenblende auf meine von Mütze und Helm angeklatschten Haare. Toll würde ich aussehen dort in der Kneipe. Etwas gedankenverloren sagte ich so in die Runde, das ich jetzt eine Haarbürste bräuchte. Und zack drei Sekunden später reichte mir ein großer, starker Mann von hinten eine tiptop Haarbürste nach vorn. Keinen Kamm oder sowas. Er hatte eine Haarbürste im Rucksack! Beim Eisklettern! Ist das zu fassen? UND wenn eine Haarbürste den Weg in diesen Rucksack gefunden hatte, was um alles Welt war da noch drin?

Das sind die drei tapferen Recken am Ende ihres ersten echten Eisfalles. Und einer hat mich mit der Bürste beglückt 🙂

Diese Frage ist nicht unberechtigt, sind es doch nur noch wenige Tage, bis ich mit meinen Gästen im 21. Jahr nach Nepal aufbreche. Und ich weiß genau, dass sich bei ihnen in den vergangenen Tagen beim Packen vieles, wenn nicht gar alles um die Frage drehte: Was muss ich um jeden Preis mitnehmen, um die vier Wochen „Hardcore“-Trekking in Nepal auf jeden Fall zu überleben?

Eine Haarbürste jedenfalls nicht. Und auch sonst ist eher weniger mehr, denn wir dürfen nie vergessen, das Menschen womöglich unbenutztes, völlig überflüssiges Zeug über steinige Wege und verschneite Pässe schleppen müssen. Dies zu vermeiden, sollte für uns Ehrensache sein. Und nicht nur für uns, sondern auch für alle anderen, die in dem Land ohne Straßen unterwegs sind.

Ein Traumtag für uns bei der Überquerung des Renjo-Passes. Und da wir das Spuren im frisch gefallenen Schnee für unsere Träger übernahmen, war es auch für sie kein Alptraumtag.

Für mich waren die beiden ersten Monate des Jahres ausgefüllt wie selten. Vor allem der Februar. Zwei Wochen Vortragstournee durch Norddeutschland und anschließend nur mit einer kaum 48 stündigen Klamottenwaschpause 14 Tage Vorbereitungskurs auf den Nirekha Peak in Nepal. Und die Zeit bis zur Abreise nach Nepal reicht auch gerade zum Abarbeiten des Liegengebliebenen und zum Packen. Dies war auch der Grund für die lange Funkstille bei meinen Wortmeldungen an dieser Stelle.

Aber das hat nun ein Ende. Über unsere diesjährige Nepaltour wird es wie immer eine Menge zu erzählen geben. Es kann hier also wie gewohnt mindestens einmal wöchentlich ein schriftlicher Rapport über unsere Erlebnisse abgerufen werden. Gedacht ist das vor allem für die Angehörigen und Freunde meiner Gäste und selbstverständlich auch für die, die irgendwann ebenfalls gern einmal mit mir gemeinsam am Fuß des Mount Everest unterwegs sein möchten.

Wenn sich alle anderen in ihren Daunensäcken wälzen, geht bei mir nicht selten die Schreiberei los. Aber ich verliere die Hoffnung ja nie, dass womöglich auch mal der ein oder andere Gast ebenfalls in die Tasten hauen wird. Allerdings bei strengem Frost im Zelt und Eisfingern oft eben nur ein Wunschtraum.

Für alle Interessenten sei noch erwähnt, dass es solche Berichte ja schon aus den vergangenen Jahren gibt. HIER sind seit 2009 immer im Februar und März fast 100 Beiträge über unsere Touren in Nepal zu finden. Die Erlebnisberichte zu den von mir geführten Nepaltouren sind also nicht wirklich neu. 

Genauso wie die immer wieder vorgebrachten Beschwerden, dass viel, oft und weit Reisende wie ich, mit ihrer Passion das Klima belasten würden. Und das ist tatsächlich auch für mich zunehmend ein Problem, dem ich bislang nicht genug Aufmerksamkeit gewidmet habe. Doch gerade jetzt nimmt die Sensibilität für dieses Thema auch bei mir deutlich zu. Die Folgen des Klimawandels sind zu schmerzhaft offensichtlich. Und so lassen einen folgende Zahlen dann nicht mehr kalt:

Dieses Bild stammt aus dem Jahr 2007 und zeigt meinen Freund Lakpa Gelbu Sherpa auf dem Weg zur Gipfeleiswand des 6189 m Island Peak. Er ist sicher nach wie vor der meistbestiegene Sechstausender der Welt. Allein ich stand 26 mal auf seinem Gipfel. Hier war die Welt an diesem Berg noch halbwegs in Ordnung.

Mein Flug nach Nepal und wieder zurück setzt 3721 kg CO₂ frei. In einem Jahr Autofahren mit einem Mittelklassewagen bei 12000 km Fahrleistung kommen 2000 kg zusammen. Ein klimaverträgliches Jahresbudget eines Menschen sollte 2600 kg nicht überschreiten, damit es auch klimaverträglich bleibt. Ein Inder hat eine durchschnittliche Jahresemission von 1600 kg CO₂. 

Aber es gibt Möglichkeiten, seinen CO₂-Ausstoß zu verringern. Auch mir war das bekannt. Doch woher weiß man, ob seine Kompensationszahlungen tatsächlich dort ankommen, wo ein echter Ausgleich für meine Klimasünden geschaffen wird?

Dieses Bild vom Island Peak stammt aus dem Jahr 2011 und ist genau am gleichen Standpunkt fotografiert wie das oben. Und es ist kaum zu glauben, das zwischen den beiden Fotos nur vier Jahre liegen. Fast die gesamte Eisauflage der Gipfelwand ist verschwunden. Deshalb war 2011 auch das letzte Jahr, in dem ich an diesem mir sehr wohlgesonnenen Berg unterwegs war. Der Island Peak ist in jeder Hinsicht ein Symbol für den starken Rückgang des Eises im Himalaya. Nirgendwo sonst auf der Welt ist dieser Rückgang so massiv und deshalb dermaßen augenscheinlich.

Und an dieser Stelle kommt einer meiner diesjährigen Gäste ins Spiel. Sie arbeitet als Expertin für Wiederaufforstung für das Bundesumweltministerium, ist in dieser Funktion in der ganzen Welt unterwegs und weiß aus naheliegenden Gründen diesbezüglich Bescheid. Sie kennt sogar die Leute persönlich, welche die Klimaschutzorganisation atmosfair betreiben, über welche man die Auswirkungen zum Beispiel seiner Flugreisen abmildern kann. Und als ich mich ausgestattet mit diesem Wissen mit den Projekten von atmosfair beschäftigt habe, fiel es mir ganz leicht, meinen Beitrag zu leisten.

Und meine Gäste und alle anderen können das auch tun und zwar in Zukunft mit der Gewissheit, dass man Geld kaum besser ausgeben kann als für solche Klimaschutzprojekte. Ach, und das Tüpfelchen auf dem i ist die Tatsache, dass das Prozedere auf der Homepage von atmosfair mit dem der Beitrag ausgerechnet und beglichen wird, so einfach und schnell zu machen ist, dass sogar ich, als jemand, der mit solchen Dingen immer auf Kriegsfuß steht, nicht die Spur eines Problems hatte. Das gibt einen dicken Pluspunkt! 

Dieses wegen seiner Perspektive sehr ungewöhnliche Bild der gesamten Südseite des Island Peaks habe ich während der Erstbesteigung des Chukhung Tse im Jahr 2008 aufgenommen. Es zeigt unter anderem auch den Imja Gletscher bzw. das was von ihm noch übrig ist. Dieser Gletscher ist der am stärksten schrumpfende Gletscher weltweit zumindest von denen, an welchen Messungen durchgeführt werden. Wegen dieses Rückganges ist dieser gewaltige See entstanden, der nach links in das Khumbutal durchzubrechen droht. Experten aus der ganzen Welt zerbrechen sich seit Jahren den Kopf darüber, wie man das verhindern könnte, denn der inzwischen viele Quadratkilometer große See wächst und wächst.

Der Countdown läuft also, die Bürste bleibt draußen, aber ich habe dennoch, wie übrigens in jedem Jahr das Gefühl, dass auch ich erstens zu viel mithabe und zweitens den ganzen Krempel nie und nimmer in meinen Rucksack bekomme. Es ist demnach alles wie immer, und das ist auch gut so. Manches ändert sich eben nie, anderes muss sich unbedingt ändern. Der Anfang ist mit atmosfair gemacht.

 

 

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4 Antworten

  1. Daniela sagt:

    Lieber Olaf, nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist… Dein Aufruf zum Klimaschutz ist fantastisch! Die Flüge machen auch meinen persönlichen CO₂-Fußabdruck zum Desaster. Nun kann man argumentieren, am besten gar nicht erst zu fliegen. Aber wenn das, aus welchen Gründen auch immer, nicht zu realisieren ist, dann ist die einzige und beste Lösung, die Emissionen zu kompensieren. Mein Klimaschutz-Zertifikat bei atmosfair ist erworben! Ich freue mich auf die Weltberge mit dir und der Gruppe!

  2. Thomas Schmidt sagt:

    Ich möchte auch am liebsten gar nicht mehr fliegen!
    Dennoch bin ich kein Mann der eisernen Disziplin + das Fliegen stark einzuschränken in dem vollen Bewußtsein des C02-Abdrucks, das ist besser als gar nichts, finde ich –> eine Abmilderung über die Klimaschutzorganisation „atmosfair“ ist für mich mehr als willkommen 🙂 🙂

  3. Helmut Hartmann sagt:

    Die Menschheit wird wohl nie begreifen, dass Sie nur Gast auf der Erde ist und dementsprechend schonend mit der Natur umgehen muss!
    Ich für meinen Teil bin zwar auch ein Rädchen in diesem Getriebe und kann ich mit einer Spende hier nur einen kleinen Beitrag dazu leisten den von mir in diesem Fall mitverschuldeten verschwenderischen Umgang mit den Ressourcen zu kompensieren. Auf diese Flüge zu verzichten ist für mich nicht machbar, der Verzicht würde aber auch nicht die Ursache des Problems beheben: Brauchen für jede Fahrt ein Auto, muss es unbedingt 24° warm in der Wohnung sein, braucht es so viele elektrische Verbraucher, muss alles in Plastik verpackt sein, wie weich muss die Wäsche sein, müssen wir jede Fläche versiegeln, jeden natürlichen Pflanzenwuchs reglementieren,… – eine endlose Liste auf der jeder sicherlich für sich Dinge findet auf die verzichtet werden kann!

    Wenn nun jeder – in seinen Möglichkeiten – etwas verantwortungsbewusster mit der Umwelt umgehen würde, dann besteht vielleicht doch noch Hoffnung und wir schaffen es trotz der immer größeren werdenden Herausforderungen beim Klima- und Umweltschutz eine lebenswerte Welt zu schaffen bzw. zu erhalten.

    • Thomas Schmidt sagt:

      beide Daumen hoch !!
      Wir Menschen müssen dringend lernen, zu verzichten…
      (und nicht zu denken, dass uns etwas weggenommen wird, sondern dass wir Ressourcen angebraucht haben, welche uns nicht „gehörten“ bzw. welche nicht für uns, sondern für unsere Nachkommen gedacht sind)

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