Aller Anfang

Die beiden ersten Trekking-Tage vergehen wie im Fluge! Ständig stolpere ich über Steine, weil ich irgendwelche Berge angaffe. Fehlt nur noch, dass mir jemand sagt, ich solle doch bitte mal den Mund zumachen.
Die erste Karte von meiner Kamera ist vollgeknippst und die eigentlichen Knaller waren noch nicht einmal zu sehen. Ich zwinge mich und bringe mich zur Raison – ich muss Bilder löschen. Zudem habe ich Depp neben meiner Thermosflasche auch noch meine große Speicherkarte vergessen.

Das Laufen hat nun endlich begonnen. Endlich geht es los! Nicht mehr bangen und hoffen, das Gepäckpoker möge gut gehen. Nicht mehr wie auf einer Rüttelplatte sitzend, Wirbel für Wirbel seine Anatomie vom Sitzfleisch aufwärts kennen lernen. Endlich ist der Startschuss gefallen. Es geht los. Der Hidden Peak rückt mit jedem Schritt näher. Doch halt! Ist das wirklich der Anfang? Wo fand dieses, für unsere Maßstäbe, Mammutprojekt seinen Ursprung?

Ich wache auf in unserem Zelt. Heute steht ‚Ruhetag‘ auf dem Plan. Es regnet. Nicht viel, aber es regnet. Sind da Schneeflocken mit dabei? Nein. Das täuscht. Ist das Zelt nicht richtig dicht? Ich erinnere mich an das letzte Mal in Indien und werde schlagartig hektisch und verpacke alles wasserdicht, was nur geht. Mist! Es tropft! Doch zum Glück nicht allzu lange.

So im Schlafsack liegend sinniere ich. Wo war der Quell dieser nun anstehenden Ereignisse? Im Start der Turbinen auf dem Leipziger Flughafen? In der Packodyssee? In den Stunden, die wir geskyped haben, Pläne schmiedeten, Eventualitäten kalkulierten und organisierten? Nein. Eigentlich ging für mich alles ganz anders los.

Meine Eltern fuhren mit mir und meinem Bruder nach Leipzig, um einen Vortrag im Gasometer vom „Oli“ anzuschauen. Damals verbanden ich mit meinem Patanonkel genau zwei Sachen. Zum einen der fieseste Bauchmuskelkater meines Lebens vom Gekitzelt-Werden (ziemlich sicher, dass Olaf immer noch den Weltmeistertitel dafür inne hat), zum anderen die Erinnerung an mich, heulend, in Sachsen in einer vier baumelnd – Olaf von oben sichernd und mir erklärend, dass ich mich nicht so anstellen solle.

Jacob, mein Paten“kind“ mit Patenonkel (Laureen Schaper).

Der Vortrag fesselte mich in Gänze. Ich war vollständig begeistert. Einige Wochen später hatte ich genug Mut gesammelt, um Kontakt mit Olaf aufzunehmen und ihm via Mail zu fragen, ob er mich nicht mal mitnehmen würde zum Hidden Peak. Ich weiß nicht wieso, aber ich wollte zu diesem Berg und ihn zudem noch besteigen. Bergsteiger werden. Einige Mails später unser erstes Telefonat: O: Na, was hast du denn bis jetzt schon alles feines gemacht in den Bergen? J.: Nicht viel. Ein wenig Klettern. O.: Soso. Und was bist du so geklettert? J.: Die rote neue 7+ in der Halle. Toprope. O: Aha. Hattest du denn überhaupt schon mal Steigeisen an den Füßen? J.: Nein. O: Hmm. Das ist schlecht! Das sollte man aber schon, wenn man zu einem 8000er fährt, oder meinst du nicht?

Auwai! Ich war ein träumendes Greenhorn. Aber was für eines!! Der Hidden Peak rückte erstmal in sehr weite Ferne. Aber zumindest der Geschichte mit den Steigeisen wollten wir zeitnah Abhilfe verschaffen. Wir verabredeten uns im Sommer, um mir auf dem Taschachferner etwas Metall an die Füße zu zaubern und den ersten Gletscherkurs zu verpassen. 2014 – erst mein Eiskletterkurs, dann drei 6000er in Peru, bei denen ich schon mal ordentlich die Hände aus den Taschen nehmen durfte. 2017 gemeinsam mit dem nun drittem im Bunde, dem dicken Sveni, auf den Shivling. Und jetzt?

Khubertse, für mich der einer der schönsten Biwakplätze auf dem Weg zu den Basislagern der ganz großen Giganten hier im Karakorum (Foto Olaf Rieck).

Jetzt ist es endlich soweit. Gasherbrum. Der schöne Berg, wie er in der Sprache der Balti heißt. Ein Riese aus Fels, Schnee und Eis, den ich nur von Bildern und Erzählungen kenne. Jetzt hat er mich in seinen Bann, in seine unmittelbaren Kreise gezogen. Die Spannung tobt vulkangleich in mir, obwohl ich mich, gerade bei den Verheißungen der aktuellen Saison, in absolut mönchsähnlicher Ruhe üben sollte.

Laureen wird neben mir wach. Die Uhr sagt „Du kannst aufstehen – Frühstück ist fertig“. Morgenroutine. Wir schälen uns aus unseren Flauschbehausungen und in unsere Klamotten. Das Wetter klart auf… Berge! Sich aus den Wolken befreiende Granitgiganten im ersten Streiflicht der Morgensonne. Wahnsinn! Diesmal merke ich wirklich, wie der Mund offen steht, als man den Great Trango Tower das erste Mal sieht.

Morgen werden wir den Baltoro – Gletscher mit seinen 1200 Quadratkilometern betreten. Übermorgen dann Urdokas. Dort verspricht man uns das Kronjuwel an Ausblicken in einer Arena der Karakorumberge: Nameless Tower, Great Cathedral und wie sie nicht alle heißen. Wir bleiben gespannt..

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