Gepäckpoker

Es war im Frühsommer 1989. Mauerfall, Wende, Wiedervereinigung waren Vokabeln, die ich zu der Zeit noch nie gehört hatte. Deshalb war diese erste große Reise nach Tadschikistan ins Fan-Gebirge zum Pik Energie auch so ein großes Abenteuer für mich. Reisen waren wir aus dem Osten nicht gewohnt, ganz im Gegenteil.

Da war gestern morgen schon ein Transporter nötig, um all unser Zeug zum Flughafen zu bringen.

Und es gab nichts. Was für Kopfstände wir machen mussten, um haltbares Essen zu besorgen! Und Ausrüstung hatte ich schon gar keine. Heute nicht vorstellbar, wie ich damals losgezogen bin. Ich besaß weder Bergschuhe, noch einen Rucksack, oder Schlafsack, keinen Pickel oder Steigeisen, kein Zelt, keine Klamotten, nichts.

Die Wartezeit auf dem nagelneuen Superflughafen in Istanbul verging wie im Flug.

Zum Beispiel bestand mein Schlafsack am Berg aus zwei zusammengenähten Stepdecken in denen wir zu dritt lagen! Ein Bergsportladen wie den tapir gab es leider noch nicht.

Zu meinem ersten echten Gipfel fuhr ich mit geborgtem Außengestängerucksack, selbstgenähten Sachen und ein paar Botten, die schon nach 14 Tage auseinanderfielen. Pickel, Steigeisen, Gurt, Daunensachen – Fehlanzeige.

Unsere Agentur bereitete uns einen herzlichen Empfang und erwartete uns mit Blumen für jeden.

Als wir gestern morgen zum Flughafen fuhren, um nach Pakistan zum Laila- und Hidden Peak zu reisen, begleiteten uns nicht weniger als 15 Gepäckstücke mit einem Gesamtgewicht von 310 Kilogramm.

Ausrüstung vom Feinsten und Besten, was man für Geld kaufen kann. Die Zeiten haben sich diesbezüglich sowas von geändert. Ich könnte seitenweise darüber schwärmen, was es heutzutage für großartige Sachen gibt. Und ich weiß das sehr zu schätzen.

Das Briefing mit unserer Agentur und dem pakistanischen Alpinclub hat seit meinen letzten Aufenthalten hier Gott sei Dank viel von seinem offiziellen und ziemlich nervigen Charakter verloren. Man kam in unser Hotel und nach einer halben Stunde war die Sache erledigt.

Was ich allerdings überhaupt nicht schätze, ist das Einpacken von dem ganzen Zeug. Es ist wie mit der Rieseneisbombe. Selbst wenn man Eis liebt hat man sich irgendwann überfressen und kann das Zeug dann nicht mehr sehen. Und dieses Mal war es besonders quälerisch, weil wir ja für zwei Berge packen mussten.

Ein Großteil des Gepäcks wird direkt in das Basislager des Hidden Peaks geschickt. Nur der geringere Teil begleitet uns über den knapp 5700 m hohen Gondogoro Pass zum Laila Peak und wieder zurück. Und vergessen dürfen wir trotzdem nichts.

Das geht es hin das viele Geld.

Irgendwann hatten wir dann doch sämtlichen Krempel verstaut, und die erste Hürde dieser Reise bestand nun darin, dies alles in den Flieger zu bekommen, ohne noch ärmer zu werden oder einen Nervenzusammenbruch zu kriegen.

Doch die Dame am Schalter war sowas von zuvorkommend, verrechnete unser Zusatzgepäck mit dem Freigepäck unserer Begleittrekkinggruppe und zack war fast alles eingecheckt und nur noch vier Gepäckstücke übrig. Und für die haben wir dann auch gerne bezahlt. Und so war schon der allererste Anfang unserer Tour entspannter als erwartet.

Heute Nachmittag gab es dann noch eine Stadrundfahrt unter anderem zur Faisal Moschee, eine der größten Moscheen der Welt. Mehr als 70000 Gläubige können hier gleichzeitig gen Mekka beten. Gesponsert hat sie König Faisal von Saudi Arabien.

Der nächste spannende Moment solch einer Reise wartet dann am Ankunftsflughafen. Davor gruselt es mich regelrecht. Alptraumhaft ist der Gedanke, dass das Gepäckband läuft und läuft und wenn es stehen bleibt, fehlt die Hälfte unserer Ausrüstung.

Die Gelegenheit auf einem Kamel zu reiten, wäre günstig gewesen. Aber es ging einfach nicht, denn wir waren ständig umzingelt.

Und deshalb ist die Spannung an diesem Gepäckband mit Händen zu greifen. Doch alles fuhr irgendwann auf uns zu, kein einziges der insgesamt 23 Gepäckstücke unserer 11 köpfigen Gruppe fehlte.

Es war ein ganzer Felssturz der uns und vor allem mir da vom Herzen fiel. Denn es gibt kaum etwas unangenehmeres, als gleich zu Beginn einer solchen Reise den Gästen zu erklären, dass sie sich nun in ihre Unterwäsche reinteilen und sich einen neuen Schlafsack besorgen müssen. Das wäre nicht das erste Mal.

So viele Selfies wurden von uns sicher noch nie gemacht. Vor allem unsere Mädchen zogen die Aufmerksamkeit der jungen und männlichen Sonntagsausflügler geradezu magisch an und konnten sich vor ihnen irgendwann kaun noch retten.

Den Rest unseres ersten Reisetages verbrachten wir mit ein bisschen Ausruhen, dem unvermeidlichen Briefing, Buchhaltung und einer kleinen Stadtbesichtigung im Schnelldurchlauf, denn schon morgen brechen wir in die Berge auf.

Rund 1000 Kilometer Busfahrt auf dem berühmten Karakorum Highway liegen vor uns. Und ob wir und unsere Mägen das heil überstanden haben, berichte ich hoffentlich auch noch einmal so komfortabel wie in diesem Moment sprich mit WLAN im Hotel in Skardu, bevor es dann in die Berge geht und wir bei der Kommunikation nur noch auf unser Satellitentelefon angewiesen sind.

Soeben in einem afghanischen Restaurant. Kein Mensch konnte die ausgesprochen leckeren Sachen, die man für uns auftrug, aufessen.

Soweit der erste rasche Lagebericht, während alles schon längst schläft, denn morgen früh klingelt um drei Uhr der Wecker. Alles läuft also bestens bei uns, der einzige Wermutstrofen ist lediglich die unerträgliche Hitze. Über 40 Grad im Schatten geben uns das Gefühl, unter einem riesigen Toaster zu sitzen.

Aber unser Bus ist bequem und klimatisiert…

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5 Antworten

  1. Veronica sagt:

    Gute Weiterfahrt!

  2. Hildegard sagt:

    Super, dass alles so gut geklappt hat. Schöne Weiterreise.

  3. Hilke sagt:

    Weiterhin einen reibungslosen Ablauf und viel Spass

  4. Anne Petersein sagt:

    Lieber Olaf! Alles Gute Euch allen, bleibt v.a. gesund, möge das Glück und die Tüchtigkeit Euch hold sein. 40 Grad ist in der Tat heftig, wir können hier dagegen nur mit angenehmen 30 Grad aufwarten. Ich freue mich auf Deine Reiseberichte. Paß gut auf Dich auf! Liebe Grüße- Anne

  5. Petra Weichsel sagt:

    Hallo liebe Simona,

    wir wünschen Dir eine gute Reise, viel Spaß, viel Kraft und Durchhaltevermögen. Wir denken an Dich!

    Liebe Grüße aus Würzburg
    Petra, Nicole und Werner

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