Aller guten Dinge

Wir wollten uns mit dem ganz großen Berg messen und heil wieder herunter kommen. Das haben wir getan. Uns dreien geht es gut, wir sind heute vom Lager 2 kommend wieder im Basislager eingetroffen.

Doch was alles geschehen kann, was da oben auf einen lauert, mit welchen perfiden Mitteln sich ein Berg gegen einen wehrt, dass muss man selbst erlebt haben. Der Hidden Peak hat scheinbar was gegen mich.

Ich hatte mir in der letzten News ja schon meine Gedanken darüber gemacht, dass wir in vollem Bewusstsein in Dinge reingehen, von denen wir nicht wissen, ob wir die Kontrolle verlieren werden oder eben nicht.

Dem ersten Kontrollverlust kamen wir alle drei sehr nahe, als wir nach unserem Nachtaufstieg am Dienstag (16.07.) durch den Gasherbrumeisfall im Lager 1 eintrafen.

Unser schönes großes „Storm King“ der Firma MSR war platt. Offensichtlich ist der Zeltname eine Art Sarkasmus, mit dem ich aber nichts anfangen kann.

Unser Zelt sah aus, als wäre eine Dampfwalze drüber gefahren. Glück im Unglück war, dass wir hier nicht übernachten, sondern nach einer längeren Kochpause sogleich ins Lager 2 weitergehen wollten.

Anstatt Rast und Kochen bargen wir das Zelt und retteten, was zu retten war. Dann trotteten wir weitere 500 Höhenmeter bis ins 6400 m hoch gelegene Lager 2. Als wir oben ankamen, gab es Grund zu großer Freude, denn wir sahen schon von weitem, dass unser Zelt noch stand. Alles andere wäre eine große Katastrophe gewesen.

Doch leider trübte sich die Freude wieder etwas ein, denn, wie das unten stehende Foto zeigt, konnten wir auch hier nicht nach den 1400 Höhenmetern mit dem Teekochen beginnen. Der Schnee hatte den Weg in unser Zelt gefunden.

Es hat eine ganze Weile gedauert, bis wir es uns in diesem Zelt gemütlich gemacht hatten. Wir waren alle drei ziemlich angestrengt, als wir endlich drin lagen.

Am nächsten Morgen sollte nun der Aufstieg ins 7100 m hoch gelegene Lager 3 an der Reihe sein. Und hier nun nahm das Unheil so richtig seinen Lauf. Die Nacht im zweiten Lager hatte Jacob hart ran genommen. Er war krank geworden. Auf halbem Wege ins dritte Lager musste er aufgeben und ins Lager 2 zurückkehren.

Sven und ich kämpften uns die 700 Höhenmeter ins Lager 3 hinauf nur um feststellen zu müssen, dass der Berg mit uns irgendwie tatsächlich keine Gnade kannte. Das hochlagererprobte Zelt, VE 25 von TNF, war buchstäblich in Fetzen gerissen.

Eigentlich war der Besteigungsversuch hier schon zu Ende. Mit meinen Nerven war ich es auch. Wie konnte das sein? Warum warf sich uns der Berg mit solcher Erbarmungslosigkeit entgegen? Damit habe ich einfach nicht gerechnet.

Gott sei Dank war das Zelt noch da. Denn drinnen war unser Kocher und Svens Daunenanzug. Ohne beides wäre hier tatsächlich Schluss gewesen.

Der Berg hatte offensichtlich kriegerische Absichten. Und wir nahmen den Kampf auf. Es gab dort oben im Lager 3 ein aufgegebenes, uraltes Zelt, dass wir jetzt zu unserer Behausung machten. Außer abzusteigen, blieb uns nichts anderes übrig.

Dort drinnen verbrachten wir den darauffolgenden Tag, aßen, tranken und versuchten, so gut es eben in 7100 m Höhe geht, uns zu regenerieren.

Am Abend, wir trauten unseren Augen kaum, stand plötzlich gegen 17.30 Uhr Jacob vor unserem Zelt. Er hatte sich die 700 Höhenmeter durch das „Japaner Couloir“ zu uns herauf gekämpft, um am nächsten Morgen mit uns gemeinsam den Gipfelversuch zu starten.

Doch als noch am gleichen Tag (Donnerstag, den 18.07.) um 23.00 Uhr der Wecker klingelte, entschied er sich, nicht mit uns loszugehen. Nach dem eisenharten Aufstieg von Lager 2 zu Lager 3 war es ohne Regeneration nicht machbar, sogleich die 1000 Höhenmeter bis zum Gipfel dranzuhängen. Es war von Jacob auch eine Entscheidung im Sinne von Sven und mir.

Eine halbe Stunde nach Mitternacht am Freitag sind wir aufgebrochen. Und noch immer wollte sich der Berg nicht geschlagen geben. Wolken, kein einziger Stern am Himmel, leichter Schneefall. Eigentlich hätten wir im Zelt bleiben müssen. Doch die ganzen vorangegangenen Tage zeigte sich der Hidden Peak von seiner Schokoladenseite. Wir hofften, dass sich das Wetter mit aufgehender Sonne bessern würde.

Und vermutlich weiß der Leser nun auch schon, dass sich das Wetter nicht besserte. Nach wochenlangem Sonnenschein, hatten wir den einzigen schlechten Tag für unseren Gipfelversuch erwischt.

Was mir auf dem dreizehn stündigen Aufstieg zum höchsten Punkt alles durch den Kopf ging, lässt sich relativ rasch aufschreiben. Ich wollte umkehren, nach jedem einzelnen Schritt und tat es doch nicht. Ich weiß nicht, was einen dort oben antreibt, obwohl ich ja schon ganze Vorträge zu diesem Thema gehalten habe.

Ab und zu rissen die Wolken kurz auf, so dass wir sogar ein Beweisfoto abliefern können. Selbst Siebentausender, wie auf dem Bild die Chogolisa sehen vom Gipfel eines Achttausenders winzig aus.

Die Leidenschaft hat tatsächlich gesiegt, denn um Punkt 14.00 Uhr betraten wir den gefährlich schmalen Gipfelgrat. Es war zu diesem Zeitpunkt sicher der ungemütlichste Ort auf Erden. Fotos machen zu müssen, war eine regelrechte Strafe und gefährlich dazu. Der Wind drohte uns vom höchsten Punkt zu fegen. Noch in der Niederlage war der Hidden Peak vollkommen unversöhnlich.

Nun sind wir wieder unten und wenn ich hochschaue, dann blickt ER auf mich herab, in bestem Abendlicht und völlig ungerührt. Ob wir Erfolg haben oder an ihm zu Grunde gehen, ficht einen solchen Berg nicht an.

Bei mir ist das anders, wie man sich denken kann. Ich bin ja auch kein Berg. Und deshalb bin ich jetzt, gerade in diesem Moment traurig, weil ich an Jacob denken muss…

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19 Antworten

  1. Rando sagt:

    Glückwunsch! Große strategische und kämpferische Leistung! Ich hoffe, Ihr seid mittlerweile alle wieder soweit hergestellt, dass Ihr Euch schon richtig freuen könnt. Wir jedenfalls freuen uns wirklich SEHR für Euch! Ihr seid ein starkes Team – und da schließe ich Jakob ausdrücklich mit ein. Respekt! Ruft aus dem Flachland – Rando

  2. Daniela sagt:

    Lieber Olaf, Jacob und Sven,
    Leben ist nicht Haben, sondern Sein – mehr Sein, als was ihr gerade erlebt habt, geht nicht. Ihr habt meine absolute Hochachtung! Es ist sicherlich unmöglich, sich auch nur annähernd realitätsnah vorzustellen, wie es sich anfühlt was ihr erlebt habt – physisch wie psychisch, die Hochs und die Tiefs, den Mut und die Verzweiflung. Und dann auch noch dieser arge Wermutstropfen! Nun sammelt erst einmal wieder Kräfte und wenn ihr zurück seid, dann freue ich mich auf jede einzelne Geschichte über die Kämpfe am Versteckten Berg. Bis bald, Daniela

  3. Jens K. sagt:

    Hi Olaf, hi Sven, Gratulation!
    Ihr habt es tatsächlich geschafft, Hut ab, tolle Leistung, ich freue mich für Euch.
    Jakob ist noch jung, er wird es verkraften und wiederkommen.
    Kommt gut ganz herunter und zurück.
    Beste Grüße
    Jens

  4. Anne Petersein sagt:

    Lieber Olaf, lieber Sven und lieber Jacob!
    Herzliche Gratulation zu Eurer beeindruckenden Teamleistung, allen Widrigkeiten zum Trotz. Kommt gesund vom Berg runter, regeneriert Euch von den Strapazen. Dem Jacob wünsche ich gute Besserung.
    Liebe Grüße
    Anne

  5. Hunza Guides sagt:

    Dear Olaf and team,

    Heartiest Congratulations from Hunza Guides! we are really happy that all of you are back to BC safe..

  6. Sven Wagner sagt:

    Lieber Olaf, große Gratulation! Deine Beharrlichkeit hat sich ausgezahlt und diesen Erfolg hast du dir wirklich verdient. Endlich auf dem Hidden Peak stehen! Ich bin aber vor allem froh, dass du gut wieder runter gekommen bist. Ich wünsch euch nun noch einen sicheren Heimweg. Glückwunsch natürlich auch ans Team.

  7. Holger Weigelt sagt:

    Hallo Ihr Drei, Respekt für Eure Leistung. Auch wenn ich das nicht annähernd nachempfinden kann, was Ihr leisten musstet. Bei dem Anblick der Zelte währe ich glaube verzweifelt. Für Jacob tut es mir sehr leid, dass er es trotz allem Willen aufgeben mußte. Rechtzeitiges Umkehren ist sicher die bessere Alternative und keine Niederlage. Das wisst Ihr aber besser als ich. Aber er hat sicher trotzdem einen großen Anteil an Euerm Gipfelerfolg und sein Tag wird kommen. Da bin ich mir sicher. Gut zu wissen das Ihr alle gesund im Basislager angekommen seid.
    Also herzliche Glückwünsche von Holger und Hildegard
    Nun seht zu das Ihr jetzt gut nach Hause kommt. Wir freuen uns schon auf den Vortrag.

  8. Peter Gothe sagt:

    Hallo Olaf,
    ich gratuliere Dir, Sven und Jacob zu Eurer Leistung, auch wenn es bei Jacob nicht ganz gereicht hat, was mir sehr leid tut. Seine Entscheidung gegen den Aufstieg nötigt Respekt ab und zeigt was, für ein starkes Team Ihr seid.
    Vor allem ist es schön zu wissen, dass Ihr wieder wohlbehalten unten seid und Du endlich deinen Sack abholen konntest. (Den Spruch kenne ich von Dir. 🙂 )
    Die Überschrift Deines Blogs trifft also voll zu, obwohl ich mir vorstellen kann, dass Du mit einmal auch zufrieden gewesen wärst. Aber Berge sind eben Berge.

    Und nun kommt gut nach Hause.
    Bis zu Deinem Vortrag viele Grüße
    Peter

  9. Detlef Weyrauch sagt:

    Hallo Olaf, Sven und Jacob,
    das Wichtigste ist, dass ihr gesund wieder vom Berg zurück seid. Mein herzlichster Glückwunsch zu dieser Leistung. Ich glaube, aufgrund der vielen Widrigkeiten kann man diese nicht hoch genug einschätzen. Im dritten Anlauf hat’s geklappt. Für Jacob war es der erste Versuch. Er hat also noch zwei offen, um mit dir Olaf gleichzuziehen.
    Eine tibetische Weisheit besagt: „Wer über sich selbst hinausgehen will, muss in sich selbst hinabsteigen.“ Ihr habt beides geschafft, alle drei. Kommt gut nach Deutschland zurück.
    Viele Grüße Detlef

  10. Kai Bittner sagt:

    Hallo Olaf, Sven und Jacob,
    herzlichen Glückwunsch und meinen allergrößten Respekt vor dieser gewaltigen Leistung…physich…aber vor allem mental.
    Ich kann mich den Vorschreibern nur anschließen.
    So viele Unwägbarkeiten auf der ganzen Expidition und dann doch oben zu stehen…gewaltig.
    Toll das Ihr alle heil wieder unten seit…Ich freue mich schon auf den Vortrag dazu.

    Beste Grüße aus dem Erzgebirge

    Kai

  11. Die Schwanefelder sagt:

    Hallo Olaf, Jacob und Sven!
    Wir freuen uns riesig zu lesen, dass ihr alle drei wieder heil vom Berg runter gekommen seid. Man kann nur den Hut vor euch als Team ziehen für die Leistungen, die ihr erbracht habt – trotz aller Widrigkeiten, die der Berg aufbot. Glückwunsch an Olaf und Sven, dass ihr den Gipfel erkämpfen konntet. Und ganz großen Respekt für Jacob, dass du trotz Krankheit noch soweit gekommen bist und dich dann dem Ziel schon so nahe für die Gruppe entschieden hast. Es fällt vielleicht grad schwer, aber: Kopf hoch!

    Liebe Grüße aus der Heimat!
    Volker, Regine, Kerstin, Karl, Friedemann und Ludwig

  12. Veronica sagt:

    Hallo Olaf und Sven,
    herzlichen Glückwunsch zum Gipfelerfolg! Auch Jacob herzlichen Glückwunsch, er hat sicherlich viel zum Erfolg beigetragen, auch wenn er selbst am Ende nicht auf dem Gipfel stehen konnte.
    Schön, zu hören, dass ihr gut wieder unten angekommen seid!
    Liebe Grüße,
    Veronica

  13. Andreas Venter sagt:

    Hallo Olaf und Sven,
    auch von mir die herzlichsten Glückwünsche zu dieser großartigen Leistung, zum Gipfelsieg. Ich ziehe meinen Hut vor Euch. Ich habe aus der Ferne mitgefiebert und alle Daumen gedrückt. Ihr seid ein tolles Team und auch Jacob gilt mein Respekt zu seiner Entscheidung für das Team.
    Kommt gesund wieder nach Hause .
    Ich warte schon voller Spannung auf den Vortrag über Euer Abenteuer.
    Viele Grüße aus Thüringen von Andreas

  14. Stephan Seifert sagt:

    Hallo Jacob, Olaf und Sven,
    eigentlich war es ja fast unvorstellbar und hätte es nicht geklappt, wäre das sowas von grausam gewesen … Nun war es das nur für Jacob und seine Entscheidung ist derart respektabel, dass mir die Tränen kommen, wenn ich nur daran denke, dass der Gipfel eben beinahe für Euch alle drei erreichbar war. Ganz großen Respekt für Eure großartige Leistung.
    Nun müsst Ihr nur noch gut nach Askole kommen und die lausige, aber auch talabwärts grandiose Jeepfahrt von dort nach Skardu und die Hitze in Islamabad überstehen und gut wieder nach Hause kommen …
    Seid fest umarmt.
    Herzliche Grüße, Stephan (und Petra).

  15. Ingo sagt:

    Glückwunsch Euch allen! Kommt gesund wieder.
    Ingo

  16. Axel Püschel sagt:

    Auch von mir herzlichen Glückwunsch! Super Teamarbeit! … jetzt kommt alle Drei wieder gesund zurück.

  17. Alex Krüger sagt:

    Lieber Jacob, lieber Olaf, lieber Sven,
    was Ihr gemeinschaftlich geschafft habt ist außerordentlich und aller Ehre wert! Unseren herzlichsten Glückwunsch dafür und höchsten Respekt vor dieser Leistung!!
    Getreu dem weisen Spruch, wonach der Weg das Ziel ist, seid Ihr alle angekommen und teilweise darüber hinaus gegangen. Ihr könnt mächtig stolz darauf sein – wir hier sind es in vollem Maße.
    Bitte erholt Euch und kommt frohen Mutes wieder.
    Eure Austeiger aus Berlin

  18. Jana sagt:

    Hallo Jungs,
    herzlichen Glückwunsch zu eurem grandiosen Erfolg. Es ist großartig, dass es 2 von euch geschafft haben, ganz oben zu stehen, aber es ist noch viel gigantischer, dass ihr ALLE DREI gesund und munter wieder nach Hause kommt. Und nichts anderes zählt. Wieviel Mut und Selbstkenntnis nötig ist, so eine Entscheidung zum Abbruch zu treffen, kann ich nur zu gut nachvollziehen. Ging mir ja 2005 am Everest ähnlich… Ich wurde damals in den Kommentaren z.T. dafür ausgelacht und verhöhnt, das müssen sehr dumme Menschen gewesen sein.
    Darum noch einmal meine absolute Hochachtung an euch alle drei! Ihr habt eine Wahnsinnsleistung erbracht! Ihr könnt stolz auf euch und euer Team sein!
    Liebe Grüße aus dem sehr heißen München
    Jana

  19. Bernd Weimann sagt:

    Lieber Olaf, die herzlichsten Glückwünsche zur Bezwingung. Schön, dass ihr wieder gesund unten seid. Berg heil. Gruß Bernd Weimann und Familie

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