Aufgeholt

Dabei fing es gar nicht gut an. Am zweiten Ruhetag, an dem ich mich ja irgendwie für den zweiten Aufstieg ins Lager 1 fit machen wollte, meldete sich zu allem Überfluss nun auch noch Sven krank.

Dass mit diesem Durchfall hier, ist ein wirklich großes Problem. Buchstäblich nirgendwo sonst, habe ich das ähnlich erlebt, außer eben hier. Und ich habe mich nun wirklich viel in irgendwelchen Basislagern herumgetrieben. Am Koch liegt es nicht. Der gibt sich enorme Mühe. Wir rätseln ständig, woran wir uns hier ein ums andere Mal infizieren. Wir wissen es nicht, denn das Wasser ist eigentlich in Ordnung und wird außerdem grundsätzlich mindestens 10 Minuten gekocht.

Unser Zelt und Jacob im 5900 m hoch gelegenen ersten Hochlager. Im Hintergrund ragt der Hidden Peak mit seiner Westflanke auf.

Glücklicherweise meldete sich Sven am Abend wieder einsatzbereit. Er hatte den ganzen Tag nur schwarzen Tee und Reissuppe zu sich genommen. Außerdem ist er hart im Nehmen. Und auch ich fühlte mich halbwegs wieder hergestellt.

Also ließen wir am Donnerstagmorgen (04.07.) abermals um 2.00 Uhr den Wecker klingeln. Eine reichliche Stunde später stiegen wir in den Eisbruch ein. Es ging von Beginn an gut vorwärts. Etwas Eile ist sowieso von Vorteil, weil es schier unerträglich heiß wird, wenn die Sonne zum Vorschein kommt. Trotz unserer Unpässlichkeiten erreichten wir gegen 9.00 Uhr das Lager 1.

Das Zelt musste allerdings noch einmal fast komplett abgebaut werden, weil nach zwei Sonnentagen der buckelpistenartige Untergrund nicht gerade zu einer bequemen ersten Hochlagernacht einlud. Also schaufelten wir eine neue Plattform und kochten, was das Zeug hielt.

In Bildmitte Eisbruch Nr. 2., der etwas kleinere und auch zahmere Bruder des großen Gasherbrumeisfalls, der 1000 Höhenmeter tiefer zum Ursprung des gewaltigen Baltorogletschers wird. Hat man dieses zweite Eislabyrinth überwunden, steht der Hidden-Peak-Aspirant auf dem 6400 m hoch gelegenen Gasherbrumsattel. Hier wird Camp 2 aufgestellt.

Eigentlich, so unser Plan, wollten wir nach einer Nacht wieder ins Basislager absteigen. Aber da wir ja durch die Transportprobleme über eine Woche im Hintertreffen sind, fanden wir die Idee verführerisch, nicht ab- sondern aufzusteigen, das Lager 2 einzurichten und dann noch eine zweite Nacht im Lager 1 zu bleiben. Wir hätten einen Aufstieg eingespart und ein wenig von der verlorenen Zeit aufgeholt.

Doch ob das überhaupt möglich sein und einen Sinn haben würde, wollten wir nach der ersten Hochlagernacht entscheiden. Sven und ich hatten gerade noch mit unseren Eingeweiden zu tun, und die erste Nacht in einem Hochlager, zumal wenn der Höhenunterschied zum Basislager mehr als 800 Höhenmeter beträgt, ist auch bei bester Gesundheit oft genug eine Zumutung.

Gegen vier Uhr morgens gab es ein erstes zugegebenermaßen verschlafenes Gespräch. Auf- oder Abstieg, das war hier die Frage. Alle hatten die erste Nacht gut überstanden, und so entschieden wir uns für den Aufstieg. Um 5.00 Uhr begannen wir mit dem Kochen, kurz nach 6.00 Uhr brachen wir auf. Wir fühlten uns alle gut genug, um zuversichtlich sein zu können, dass 500 m höher gelegene Lager 2 zu erreichen, eine Zeltplattform auszuschaufeln, unser Zelt aufzustellen und anschließend wieder ins erste Lager abzusteigen.

Hier unser zweites Hochlager auf dem Gasherbrumsattel in 6400 m Höhe. Wir umgaben das Zelt mit einer ansehnlichen Schneemauer vor allem in Richtung Osten. Denn über den Sattel pfeift nicht selten orkanartiger Wind aus östlicher Richtung. Rechts im Hintergrund die Nordwand des Hidden Peak, durch die wir zum Lager 3 aufsteigen werden.

Und es hat funktioniert. Dabei hat uns nicht nur geholfen, dass wir die Zähne zusammengebissen haben. Es hilft uns gerade auch, was uns auf dem Weg hierher so viel Verdruss bereitet hat. Die Schneemassen des vergangenen „Jahrhundertwinters“, von dem hier immer wieder die Rede ist, bahnt uns nun den Weg über das Spaltenlabyrinth des Gasherbrumgletschers.

Im Vergleich zu meinem letzten Versuch am Hidden Peak mit Christoph 2012 ist vieles auf dem Weg zu den Lagern 1 und 2 deutlich einfacher. UND bei unseren beiden Aufstiegen am Montag dieser Woche (01.07.) und Donnerstag bis heute (04.-06.07.) hatten wir geradezu perfektes Wetter.

Gerade sind uns die Berggötter des „Versteckten Gipfels“ offensichtlich hold. Mögen sie es doch bitte noch ein Weilchen bleiben, denn nun wird es hier bald so richtig ernst!

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2 Antworten

  1. Daniela sagt:

    Hallo ihr Drei,
    Es freut mich wirklich sehr, dass es bei euch bergauf geht – buchstäblich! Ich war heute bei einer Fashion Show und als nach diversen Vorstellungen auf einmal ein Model in Daunenjacke rein kam, hätte ich fast lauthals losgelacht. Dann sprang mein Kopfkino an und ich habe mir drei echte Daunenjackenträger auf dem Laufsteg vorgestellt… Ihr seht schon, das ständige Warten auf Neuigkeiten von euch kann einen verrückt machen! Ich verstehe auch jetzt erst so richtig, warum die News so wichtig sind… Jacob hat sich ja auch schon durchgerungen mal eine zu schreiben, sehr amüsant 🙂 Ich denke an euch und sende euch ganz viel montane Energie, Daniela

  2. Ulf sagt:

    Hört sich gut an Jungs. Ich drück vor allem Dir lieber Olaf ganz feste die Daumen. Genießt. Bleibt mit dem eigenen Körper im Gespräch. Fühlt euch geherzt 🙏

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