Spaßfaktor
Heute ist ein ausführlicher Artikel in der Leipziger Volkszeitung über meine diesjährige Reise zum Hidden Peak erschienen, über den ich mich sehr gefreut habe. André Böhmer, stellvertretender Chefredakteur der LVZ und Autor dieses Artikels, hat bewundernswert einfühlsam zusammengefasst, was mich vor und während dieser langen und fordernden Tour umgetrieben hat. Doch nachdem ich den Text gelesen hatte, musste ich darüber nachdenken, wie er auf einen berginteressierten Nichtbergsteiger wirken muss.
Da kommen viele Worte und Halbsätze vor, die eigentlich so gar nichts mit dem Klischee des strahlenden Gipfelsiegers zu tun haben: „Wermutstropfen, Strapazen, Entbehrungen, Trauer, Harakiri, Biegen und Brechen, Übermotivation, keine Zeit für Jubel“. Da fragt man sich als Leser wohl zwangsläufig, warum diese Leute, also wir, das überhaupt machen und wo der Spaß bei der Sache bleibt.
Und ich frage mich das natürlich auch, wieder und wieder. Und da gibt es zudem noch die Dinge, über die wir während des Interviews nicht gesprochen haben. Dinge, über die man lieber nicht spricht oder die man sogar ganz bewusst verschweigt, weil dann womöglich noch mehr Unverständnis aufkommt.
Ich bin im Juni zum Hidden Peak gereist, nachdem ich schon zwei Mal an ihm gescheitert war. 2012 nach unglaublich hartem Kampf. Viel Geld, Kraft und Zeit bleibt da auf der Strecke. Und auch Selbstbewusstsein.
Ich wusste, dass es nicht nur meine letzte Chance an diesem grandiosen Berg sein würde. Es wäre auch die letzte Gelegenheit, überhaupt noch einmal einen der über 8000 m hohen Weltberge zu besteigen. Jedenfalls wenn ich bei meinem ehernen Grundsatz bleibe, auf die Hilfe vom Sherpas und künstlichem Sauerstoff zu verzichten und meine Reisen komplett selbst zu organisieren. Und das werde ich natürlich.
Aber daraus resultierte das, was André Böhmer mit „Harakiri-Ausgangsposition“ treffend umschreibt. Was heißt denn das, „auf Biegen und Brechen“ auf den Gipfel kommen zu wollen? „Übermotivation am Berg sei immer gefährlich“, habe ich zu Protokoll gegeben. Ja, weil ich plötzlich Dinge tue, die ich zum Beispiel in den Alpen niemals tun würde. Wie am Shivling, wo wir stundenlang unter dem kreuzgefährlichen Serac in der Westwand entlangspaziert sind. Oder am Monte Sarmiento als Falk und ich in eine fast senkrechte, 600 m hohe Eiswand eingestiegen sind, wohl wissend, dass die Absicherungsmöglichkeiten alles andere als optimal sind. Oder eben am Hidden Peak wo wir oberhalb von Lager 3 in steile Flanken reingespurt sind, keinen Augenblick darüber nachdenkend, ob die Lawinengefahr überhaupt akzeptabel ist.
Das macht man einfach und verbietet sich, überhaupt darüber nachzudenken, jedenfalls während man es tut. Doch bevor ich im Juni zum Hidden Peak aufbrach, war ich mir dieser Dinge sehr bewusst. Und ich war auch unten in meinem Zelt im Basislager sehr nachdenklich. Mein Blogbeitrag „Zeit fürs Denken“ ganz unter dem Eindruck der Ereignisse kurz vor dem Aufbruch zum Gipfel am 14. Juli auf meiner Homepage veröffentlicht, beweist das ziemlich deutlich.
Doch als ich unterwegs war, oberhalb des auf 7100 m gelegenen Lager 3 hinauf in Richtung Todeszone, in einer Höhe wo sonst Düsenjets unterwegs sind, da blendet man alles aus, ist wie eine Maschine auf das Höhersteigen programmiert. Ansonsten mit Watte im Kopf oder rasenden Kopfschmerzen. Der Spaßfaktor ist in 8000 m Meereshöhe jedenfalls eher klein.
Doch wenn ich es nun dabei beließe, wäre das nur die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte ist nämlich die, die bleibt, wegen der wir das alles auf uns nehmen. Es ist die unbändige Intensität des eigenen Dasein, die man dort oben spürt, und die Lebensfreude, die einen durchflutet, wenn man dem Ganzen heil und gesund entronnen und wieder unten angekommen ist. Das hält noch heute an und ist auf die Schnelle mit Worten nicht zu beschreiben. Die Anziehungskraft dieser großen Berge ist einfach magisch! Und diese wird bei mir auch immer weiter so wirken, wie sie das nun schon seit 30 Jahren tut!
Genau heute fällt der Startschuss für die Arbeit am neuen Vortrag zur erfolgreichen Hidden-Peak-Tour. Unglaublich viel Material ist dafür anzusehen, zu ordnen und zu verarbeiten. Seit meiner Rückkehr vom Hidden Peak war dafür überhaupt keine Zeit. Ich kann mich kaum an Wochen in den vergangenen 21 Jahren als selbstständiger Einzelkämpfer erinnern, die intensiver waren. Heraus stechen dabei vor allem die acht Tage Mehrseillängencoaching im Bergell mit Daniela, die beiden Sandsteinkurse mit Claudia oder die soeben beendete Vortragstournee im Ruhrgebiet, wo die Sonne nicht mehr ganz so staubig ist wie noch 1984 als Herbert G. seinen Song schrieb.
Okay, morgen erst fällt der Startschuss für die Arbeit am Vortrag, denn heute bin ich abermals als Vortragsreisender diesmal in Halle an der Saale unterwegs. Die dortige DAV-Sektion hat mich eingeladen, auf ihrer Festveranstaltung zum 150jährigen Bestehen des DAV meinen Shivling-Vortrag zu präsentieren. Übrigens ist jeder herzlich dazu eingeladen. Für DAV-Mitglieder ist der Eintritt sogar frei, alle anderen zahlen nur 5 Euro. Das ist ein echtes Schnäppchen. Los geht es um 19.30 Uhr im Hörsaal des Geologischen Instituts, Von-Seckendorff-Platz 3.
Und am 26. Oktober ist die nächste Gelegenheit, unsere spektakulären Drohnenbilder vom Shivling zu sehen. Diesmal allerdings etwas weiter weg und zwar in Köln auf dem 12. Kölner Alpintag. Mehr Infos dazu gibt es hier!
Also vielleicht sehen wir uns noch heute oder am 26. Oktober in Köln. Und bis dahin immer eine Handbreit Luft unter dem Hintern!