Nicht in ihrer Haut

Stellen Sie sich vor, man sagt Ihnen plötzlich, es ginge um Leben und Tod von Tausenden und Sie müssten jetzt schnell Entscheidungen treffen. Nur leider wüssten Sie gar nicht, was eigentlich los ist, denn von Virologie, Epidemiologie oder gar Mathematik haben sie gar keine Ahnung. Also holen Sie sich den Rat von Experten, möglichst den Besten ihres Faches.

Jene nun müssen beweisen, dass sie zu Recht konsultiert worden sind. Und sie wollen sich auf gar keinen Fall in die Nesseln setzen. Sie müssen sich quasi übertreffen im Aktionismus, es bleibt ihnen tatsächlich nichts anderes übrig. Vor allem deshalb, weil sie selber ebenfalls gar nicht genau wissen, womit sie es wirklich zu tun haben. Ein Grund, warum das Wort „neuartig“ so inflationär Verwendung findet. Trotzdem müssen die Entscheider umsetzen, was diese Experten raten und wir tun, was die Entscheider in die Schutz-Verordnungen schreiben.

Ich wollte in den vergangenen drei Monaten weder in der Haut der Experten noch in jener der Entscheider stecken.

Janina Graeber in der Ostkante am Nonnenfels.

Aber ich finde ja, in Deutschland hat man das alles ganz gut hinbekommen und auch die Folgen des Ganzen werden in unserem Land für die Menschen deutlich weniger zu spüren sein als anderswo. Und ich persönlich bin besonders dankbar, dass Herr Maas meine Gruppe und mich aus Nepal zurückgeholt hat und ich als Soloselbstständiger nicht im Regen stehengelassen werde. Wer, so wie ich, viel in der Welt herumgekommen ist, weiß zu schätzen, hier geboren zu sein.

Mein Metier ist die Reise- und Veranstaltungsbranche. In Pandemiezeiten denkbar ungünstig. Aber nun geht es auch bei mir nach zwei Monaten Totalstillstand und vielen Absagen leider auch für das kommende Jahr langsam wieder los. Innerhalb Deutschlands darf gereist werden und vielleicht können wir ja schon bald auch wieder in die Alpen fahren.

Ich habe die Zeit des Stillstandes genutzt. Der neue Vortrag ist fertig, wir könnten sofort zur Bilderreise nach Pakistan an den Hidden Peak aufbrechen. Der Kartenvorverkauf für die drei Vortragstermine in Leipzig am 23. und 24. Oktober im Zeitgeschichtlichen Forum hat im April begonnen. Hier gibt es nähere Informationen dazu!

Auch der neue Kalender ist fertig, ich habe ihn soeben frisch von der Druckerei abgeholt. Ab sofort kann er im Online Shop oder viel besser im tapir erworben werden. Die Bilder stammen alle von meinem nun endlich erfolgreichen dritten Versuch im letzten Jahr am 8080 m hohen Hidden Peak im Karakorum. 

Menschen haben an solchen Riesenbergen nichts zu suchen, sollte man meinen. Denn hier erwartet sie Atemnot, Kälte, maßlose Strapazen und nicht zuletzt allgegenwärtige Gefahr. Nirgendwo sonst haben wir Menschen uns Natur so wenig zum Untertan gemacht wie an den Achttausendern. Trotzdem werden wir Alpinisten von diesen Weltbergen magisch angezogen. Die Schönheit und Erhabenheit der grandiosen Landschaften, die ich auf den Fotos im Kalender zu zeigen versuche, liefern dafür vielleicht einen Teil der Erklärung.

Genutzt habe ich die Zeit auch, um mir und meinen Klettergästen neue Gebiete zu erschließen. Ich war sehr auf den Elbsandstein und die Möglichkeiten rings um Leipzig fixiert. Der Anlass, intensiver nach Alternativen zu schauen, ist allerdings denkbar traurig. Der neue Eigentümer des Holzberges hat den Nutzungsvertrag mit den Kletterern gekündigt und das Betreten des Holzberges unter Strafandrohung verboten. Somit fällt einer der wichtigsten, schönsten und größten Klettergärten Mitteldeutschlands zumindest vorläufig aus.

Doch die Alternativen zum Beispiel am Katzenstein bei Pobershau, an der Zschopau rings um Wolkenstein, an den Kriebethaler Wänden oder an den Teufelssteinen bei Johanngeorgenstadt sind neue tolle Ziele für zukünftige Kletterabenteuer.

Links die 55 m hohe Zentralwand unter dem Wolkensteiner Schloss und rechts der sogar mehr als 60 m hohe Nonnenfels bei Pobershau. Allerdings sind das keine Ziele für Kletterneulinge, muss man hier doch bei der Sicherung oft Eigeninintiative zeigen, was ich persönlich ganz großartig finde. Die Handhabung von Keilen und Friends und das Klettern in Mehrseillängenrouten sollte man hier unbedingt beherrschen.

Es ist zwar schon Anfang des Jahres erschienen aber nun habe auch ich endlich ein Exemplar bekommen. Ich spreche vom Zentralorgan des Österreichischen Alpenvereins namens „Bergauf“. Das Magazin ist das Pendant zur „Panorama“ des Deutschen Alpenvereins. Die erste Ausgabe des Jahres 2020 widmete sich dem meiner Ansicht nach sehr relevanten Thema „Werte“ in unserem Sport. Die Redaktion hatte mich um einen Artikel zu diesem Thema gebeten. Zwei andere Wortmeldung dazu sind aber auf alle Fälle lesenswert. Hier findet man diese Ausgabe und auch alle anderen zum Nachlesen, Ausdrucken oder downloaden.

Ich finde das Thema „Werte“ vor allem auch in Hinblick auf die vergangenen Monate so besonders naheliegend, konnten wir (hier im Osten) nach über 30 Jahren mal wieder spüren, was es heißt, wenn einer der wichtigsten Werte, nämlich der Wert der Freiheit plötzlich geopfert werden muss. Es war so wie immer, wenn plötzlich etwas nicht mehr zu haben ist: Man vermisst schmerzlich, dessen Wert einem zuvor gar nicht recht bewusst war.

Woran mich dieses Virus wieder erinnert hat, ist zweierlei: Erstens unsere Freiheit ist nicht selbstverständlich. Von Heute auf Morgen kann es damit vorbei sein. Aus vielen Gründen. Ich wusste das ja schon. Ich bin schließlich ein Kind der DDR. Und Zweitens: Vielleicht ist es eine gute Idee, gerade jetzt ein wenig vorsichtiger sein, mehr als zu Zeiten von Kontakt-, Ausgangs- und Arbeitsbeschränkungen. Dann wird die ZWEITE WELLE ganz einfach im Sande verlaufen!

 

 

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Eine Antwort

  1. Thomas Schmidt sagt:

    Ja, cool, das wir bald wieder in die Alpen können !!!
    Der Sommer kann kommen…

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