Khari Rimpoche
Schon seit meiner allerersten Reise hierher in die Khumburegion des Himalayas im Jahr 1994 besuche ich das Nonnenkloster in Thamo. Ich war damals sehr zeitig auf dem Weg nach Thame, um weiter nach Lungden zu laufen.
Mir fielen einige Chorten, sehr viele Gebetsfahnen und eine offensichtlich alte Gompa (Kloster) etwas oberhalb des kleinen Ortes Thamo auf. Das machte mich neugierig und obwohl es kurz vor 6 Uhr morgens war, traf ich viele Nonnen, die in ihre Gompa eilten. Sie luden mich ein, an ihrer allmorgendlichen Puja teilzunehmen. Obwohl wir uns überhaupt nicht verständigen konnten, verstanden wir uns.
Damals wusste ich nicht, wie oft ich in den folgenden Jahren hierher wiederkommen würde. In den ersten Jahren waren noch keine Gäste mit mir unterwegs. Und immer brach ich entweder von Namche oder von Thame so zeitig auf, dass ich morgens um 6 Uhr an der Puja in der Khari-Gompa teilnehmen konnte.
Das änderte sich aber in dem Moment, als ich 1998 begann, Gäste zu führen.
Man muss wissen, dass bis heute die „überzähligen“ Nachkommen, also die, welche entweder nicht verheiratet werden konnten oder jene, welche kein Anrecht auf ein Erbe haben, in die Fremde gingen, bzw. immer noch gehen, um Geld zu verdienen oder in ein Kloster. Dort werden sie von der Gemeinschaft versorgt. Die Gegenleistung dafür ist die professionelle Durchführung von religiösen Ritualen. Das wichtigste ist die Puja.
Der Zweck einer Puja vor einer Expedition oder einer langen Trekkingtour ist, die Verärgerung der Götter zu besänftigen, denn auf einer solchen Unternehmung entstehen schlechte Gerüche, die Götter werden gestört. Andererseits möchte man aktiv das Wohlwollen der Götter hervorrufen, die dem Glauben der Sherpas nach auf den Bergen wohnen. Nur auf diese Weise wird sichergestellt, dass einen die Berggötter unversehrt lassen.
Und die Einheimischen, mit denen ich nun immer öfter unterwegs war, legen sehr viel wert auf die Einhaltung dieser Rituale. Kein Sherpas setzt seinen Fuß auf einen Berg, ohne vorher eine Puja abgehalten zu haben.
Und ich wollte meinen Begleitern nicht nur meinen Respekt erweisen, sondern mir auch selbst ein gutes Gefühl verschaffen. Man mag sich gern darüber lustig machen, aber ohne eine Puja begebe ich mich inzwischen nicht einmal auf eine Trekkingtour im Khumbu.
Deshalb gehe ich auf dem obligatorischen Akklimatisationsausflug nach Thame auf dem Hinweg immer am Khari-Kloster vorbei und bestelle für den nächsten Tag, an dem wir wieder zurück nach Namche laufen, bei meinen Nonnen eine Puja.
Sie dauert etwa eine Stunde. Danach wird meist noch Tee getrunken, viele Fotos gemacht und dann natürlich bezahlt. Schließlich ist das vor allem auch eine Dienstleistung. Und meine Gäste geben immer viel oft sogar sehr viel mehr als nötig. Damit haben meine Gäste mitgeholfen, die neue Gompa zu finanzieren, an welcher mehr als 15 Jahre gebaut wurde. Vor vier Jahren ist sie endlich fertig gestellt worden.
Die Nonnen brauchten unbedingt eine neue Gompa, denn der Zustrom an überzähligen und meist sehr armen Kindern und auch tibetischen Flüchtlingen reist nicht ab.
Doch nicht nur deshalb ist es so wichtig, die Nonnen in der Khari-Gompa zu unterstützen. Denn hier werden die uralte tibetische Kultur und die tibetische Tradition bewahrt, die ja in Tibet selbst dem Untergang geweiht sind.
Die Nonnen der Khari-Gompa sind sehr stolz und fühlen sich überaus privilegiert, dass gerade ihrem Kloster einer der bedeutendsten geistlichen Führer des Sherpavolkes vorsteht. Er ist die dritte Reinkarnation eines tibetischen Mönches namens Khari, der vor 60 Jahren auf der Flucht vor den Chinesen das Kloster in Thamo gegründet hat.
Es war nicht nur sehr beeindruckend, einer von ihm zelebrierten Puja beizuwohnen. Es ist vor allem unheimlich spannend, wenn ein kluger Mann wie er, der unter anderem auch in Amerika ausgebildet wurde, von seiner Auffindung berichtet. Von den Proben, die er bestehen musste, ehe die vom verstorbenen, vorherigen Rimpoche ausgesandten Mönche sicher sein konnten, dass sie tatsächlich das richtige Kind gefunden hatten.
Wo sie suchen sollten, wussten die Mönche auf Grund von zum Teil sehr konkreten Hinweisen des vorherigen Rimpoche, die er ihnen vor seinem Tod gegeben hatte. Über all diese Dinge konnten wir Khari Rimpoche ausfragen.
Das erste Mal traf ich ihn im Kloster im Jahr 2002. Wir hatten damals aber nur kurz Gelegenheit, ihn kennenzulernen und mit ihm zu sprechen. In den folgenden Jahren telefonierten wir mehrfach und ich traf ihn zwei oder drei Mal in Kathmandu. Er hatte es irgendwie geschafft, den Kontakt zu mir herzustellen, weil er von den Nonnen erfahren hatte, dass ich Jahr für Jahr ein, zwei oder in Expeditionsjahren sogar drei Mal in sein Kloster kam, um eine Puja abhalten zu lassen und für den Klosterneubau zu spenden.
Inzwischen sind wir Freunde geworden, und er begrüßte mich heute (10. März) geradezu überschwenglich und ziemlich überraschend mit einer herzlichen Umarmung.
Nach der Nacht in Thame und der Puja mit dem Rimpoche sind wir gestern noch einmal nach Namche zurückgekehrt, denn so eine Nacht tiefer als die vorherige zu schlafen, tut Körper und Seele besonders gut.
Wir sind nun an eine Höhe von ca. 3800 m Höhe angepasst und können jetzt die nächste Etappe unserer Tour in Angriff nehmen. Morgen (11. März) beginnen wir unseren Weg in das zweite Tal der Everest-Region, in dem der Ngozumba-Gletscher und der Cho Oyu alles beherrschen.
Über Mong La (4000 m) und Machermo (4400 m ) werden wir in drei Tagen die Gokyo-Alm (4750 m) erreichen. Hier thront ein kleiner Aussichtsberg namens Gokyo Ri über einem See. Mit knapp 5400 m Höhe wohl eher ein Zwerg zwischen den weltberühmten Bergriesen, aber mit einer fulminanten Aussicht auf gleich vier 8000er von seinem Gipfel.
Und wenn die Technik mitspielt, dann melden wir uns wieder, wenn wir hoffentlich gesund und munter unseren ersten Fünftausender in der Tasche haben.
Wieder sind schöne informative Eindrücke in der Heimat gelandet. Weiterhin eine erfolgreiche Tour für alle! Viele Grüße an Wolfgang von der Familie.
Neben ganz vielen wunderbaren Erinnerungen kommt ein bisschen Neid auf. So tief in das Kloster „ einzudringen „ und auch noch den Lama zu treffen ist schon einzigartig. Genießt diese fantastische, atemberaubende Landschaft und Ihre überaus gastfreundlichen Menschen. Habt eine gute Zeit, bleibt gesund und seid herzlich gegrüßt. Besonders liebe Grüße an Olaf und Wolfgang. Karin
Lieber Olaf,
Ich bin erstaunt (na eigentlich ja nicht, wir sind ja alle deutlich älter geworden!) wie erwachsen Kari Rimpoche geworden ist. Ich erinnere mich an das Treffen 2002, wie sehr mich damals seine Weisheit, seine Ruhe und die besondere Aura gefangen genommen haben. Er war ein Junge, jetzt ein gestandener Mann, der sicher noch mehr beeindruckt, als damals.
Euch alles Gute, freu mich 2025, wenn ich wieder, nach 20 Jahren, dabei sein werde!!!
Liebe Grüße Jana