Schöne Aussichten!

Es gibt Fehler, die so offensichtlich sind, dass es einen bei dem Gedanken schaudert, dass sie tatsächlich begangen worden sind. So geschehen bei der Auswahl eines Lagerplatzes auf der Alm Phangka, etwa 40 Minuten Gehzeit von Machermo entfernt im Tal des Ngozumba-Gletschers.

Das ist die Alm von Phangka. Und was sehen wir? Eine nagelneue Lodge genau an dem Ort der Katastrophe. Die Menschen werden aus Schaden offensichtlich nicht immer klug!

Eine japanische Gruppe mit vielen Teilnehmern und einer noch deutlich größeren Zahl von Küchenpersonal und Trägern befand sich 1995 auf dem Weg zwischen Machermo und Gokyo. Mindestens drei bis vier Tage braucht man von Namche Basar aus, um die letzten Lodgen im Ngozumba-Tal auf der Alm von Gokyo zu erreichen.

Die Japaner waren autark unterwegs. Sie hatten eine komplette Küchenausrüstung, ein großes Messzelt, Zelte für das Personal und natürlich für die Teilnehmer dabei. Auch Essen und Brennstoff führten sie mit sich.

Diese Gedenktafel war viele Jahre nicht an ihrem Platz. Nun ist sie wieder da.

Da die Japaner eine so große Gruppe waren, brauchten sie natürlich auch eine Menge ebenen Platz für ihre vielen Zelte und da bietet sich die Alm Phangka tatsächlich an. Doch dieser Lagerplatz liegt direkt unter der Ostflanke des Phangka Ri, einer Lawinenabschussrampe wie sie im Buche steht. Nun ist diese Tatsache gar kein Problem, solange kein Schnee liegt. Doch es gab massenhaft davon. Wer hat bei solchen Bedingungen diesen Lagerplatz gewählt?

Mong La (3973 m) ist ein kleiner Sporn, auf dem vier Lodgen stehen. Dieser wunderschön gelegene Ort ist einer meiner Lieblingsplätze hier im Khumbu und war die erste Station auf unserem Weg von Namche Basar hinauf zum Gokyo Ri.

Eine katastrophale Lawine tötete 25 Menschen, 13 Japaner, 12 Nepali. Gestern (13.03.) kamen wir auf unserem Weg nach Gokyo an diesem Ort vorbei. Und jedesmal erschüttert mich der Gedanke an die Tragödie, die sich hier abgespielt hat, vor allem weil sie so vorhersehbar und unnötig war.

Bei immer noch perfektem Wetter sind wir in drei Tagen von Namche Basar (3450 m) über Mong La (3973 m) und Machermo (4410 m) nach Gokyo (4766 m) gelaufen.

Unser alltäglicher Rara-Suppen-Lunch in der Sonne mit grandiosem Ausblick. Im Hintergrund die 6856 m hohe Ama Dablam.

Wir sind auf der Jagd nach schönen Ausblicken auf die Berggiganten im Herzen des Himalayas, also den Everest und seine Trabanten. Dafür bietet der Gipfel des über der Gokyo-Alm aufragenden Gokyo Ri (knapp 5400 m) erstklassiges Potential! Vier 8000er kann man von seinem höchsten Punkt sehen. Mir fällt auf Anhieb kein anderer Ort auf der Welt ein, an dem man mit Händen in den Taschen einfach so hinlaufen kann und dann gleich vier über 8000 m hohen Weltbergen gegenüber steht.

Unsere Träger sind grundsätzlich schneller als wir. Das ist gleich aus mehreren Gründen ein sehr gutes Zeichen. Hier sind sie auf den letzten Metern vor Machermo (4410 m). Im Hintergrund ragt die gewaltige Südostwand des Cho Oyu auf (8201 m). Er ist der sechsthöchste Berg der Erde.

Aber ganz so einfach ist es eben doch nicht.

Weil hier in den letzten Wochen eine Menge Schnee gefallen ist, wurden wir abschnittsweise auf matschigen und glatten Wegabschnitten ziemlich gefordert. Aber zumindest seit einer Woche taut es bei unserem Dauerkaiserwetter wie wild, und deshalb wird es nicht mehr lange dauern und der Schnee ist weg.

„Glück im Spiel, Geld für die Liebe“ ist das abendliche Motto beim Kartenspielen. News-Schreiben kann dann zu einer echten Herausforderung werden, weil es am Spieltisch immer hoch her geht.

So gut wie weg ist er erfreulicherweise schon auf dem nach Süden ausgerichteten Weg hinauf zum Gokyo Ri, den wir vorgestern (14.03.) (fast) alle bestiegen haben. Wolfgang wollte nicht mit uns gehen, hatte jedoch eine gute Ausrede. Er war nämlich 2018 schon oben und hatte mehr Lust, den hinteren Teil des Ngozumba-Tales zu erkunden. Bijay, einer meiner stärksten und erfahrendsten Träger, welcher schon seit vielen Jahren mit mir gemeinsam unterwegs ist, begleitete ihn.

Hochalpiner geht es nicht mehr. Und da hat der Anblick der Lodgen von Gokyo schon ein bisschen was von einer Fata Morgana. Nur das es keine ist. Da stehen zwischen der Seitenmoräne des Ngozumba-Gletschers und dem Gokyo Ri tatsächlich ein Dutzend zum Teil überraschend komfortabler Herbergen.

Wir anderen brachen kurz vor halb 9 Uhr auf. Noch früher loszugehen, garantiert zwar fast schon schönes Wetter zumindet bis Mittag, aber der Sonnenstand ist ungünstig. Die Superstars wie Everest, Lhotse, Nuptse, Makalu, Pumo Ri und noch einige andere werden von der im Osten aufgehenden Sonne von hinten beleuchtet. Man sieht also nur ihre Silouetten. Deshalb gehe ich später los, aber möglichst nicht so spät, dass die großen Berge schon in Wolken gehüllt sind.

Ich hatte mein Stativ mit hinauf getragen, und so sind wir alle drauf auf dem offiziellen Gipfelfoto unseres ersten Fünftausenders auf der diesjährigen Tour. Auch unser neues Teammitglied begleitete uns bis zum Gipfel. Er hat ein Fell, vier Beine und wegen seiner großen Ohren heißt er Gäntzscher. (v.l.n.r.: Kumar mit Gäntzscher auf dem Arm, Luisa, Jan, davor Sabine, ich, Ronny, Angela)

Vorgestern hat es funktioniert, aber eben gerade so, denn seit dem Gokyo-Ri-Tag haben wir nach einer Woche Traumwetter wieder das normale, klassische Wintermonsunwetter mit Wolken ab Mittag. Alle, die aufgebrochen sind, haben auch den Gipfel erreicht und sind nun überglücklich über ihren ersten Fünftausender auf dieser Tour, genauso wie ich!

Angela und Sabine beim Gipfelkuscheln nach einer tollen Leistung!

Übrigens am eindrucksvollsten wird der Everest und seine Nachbarn vom Abendlicht beleuchtet. Es ist jedoch ein ziemlich seltenes Glück in dieser Jahreszeit, am Abend einen von Wolken völlig freien Everest geboten zu bekommen. Darauf zu spekulieren, und deshalb auf den morgendlichen Aufstieg zu verzichten, ist nicht ratsam. Wenn es sich abzeichnet, dass die Wolken tatsächlich ausbleiben und man scharf auf ein Foto vom höchsten Berg der Welt in leuchtendem Abendrot ist, dann muss man wohl oder übel in den sauren Apfel beißen und am Nachmittag noch ein zweites Mal hinauf auf den Gokyo Ri steigen bzw. sprinten.

Er war 1999 mein erster Achttausender. Hier gesehen aus 4760 m Höhe direkt am dritten See. Links geht es hoch zum Gokyo Ri.

Gestern (15.03.) haben wir den Ngozumba-Gletscher gequert, um Tagnag zu erreichen. Es wurde eine kurze etwa dreistündige Etappe, auf der wir kaum Höhenmeter auf- bzw. absteigen mussten, also eine Art Ruhetag sozusagen.

Heute nun (16.03.) geht es auf einer langen Etappe 1000 Höhenmeter bis nach Phortse hinunter, um von dort unten herum in das dritte und wichtigste Tal im Sherpaland einzubiegen, das Tal des Khumbu-Gletschers.

Abschied vom Ngozumba-Tal. Wir steigen auf dem Foto die Seitenmoräne des Gletschers hinauf. In der Bildmitte die Herbergen von Gokyo und im Hintergrund der Cho Oyu.

Luisa und Jan werden gemeinsam mit mir und zwei Trägern die Abkürzung über den knapp  5400 m hohen Cho La (Pass) nehmen. Dieser Übergang ins Khumbu-Tal ist von Tagnag aus zwar deutlich kürzer, dafür aber anstrengender.

Am orographisch rechten Rand des Khumbu-Gletschers steigen wir dann nach unserer Wiedervereinigung bis nach Gorak Shep (5200 m) und dann sogar noch weiter bis ins Basislager des Mount Everest (5350 m) auf. Und wir wollen natürlich den Kalar Patar (5545 m) bzw. den Aussichtspunkt oberhalb seines Gipfels, auf knapp 5700 m besteigen. Von diesem Punkt aus werden wir den Gipfelaufbau des höchsten Berges der Welt am besten sehen können.

Nicht unbedingt angenehm ist der Abstieg durch das teilweise noch verschneite, steile und allzeit absturzbereite Geröll der Seitenmoräne des Ngozumba-Gletschers.

Übrigens für den der sich wundert, dass man einen Aussichtspunkt oberhalb des Gipfels eines Berges besteigen kann: Wir schweben nicht etwa über dem Gipfel des Kalar Patar. Dieser kleine Berg ist lediglich eine Erhöhung im Südgrat des 7145 m hohen Pumo Ri, die wir umgehen, um noch einmal 150 Höhenmeter weiter aufsteigen zu können.

Wenn wir das geschafft haben, wenden wir uns dem vierten Tal in der Khumbu-Region zu, dem Imja Tal. Dieses Tal ist mein absoluter Lieblingsort hier in meiner zweiten Heimat. Warum das so ist, dazu dann mehr in einem unserer nächsten Lebenszeichen aus der spektakulärsten Gebirgslandschaft der Welt.

Geröll und Eis sind der Untergrund bei der Gletscherquerung. Aber hier unterwegs zu sein, ist, mal von abgesehen von der Begehung der Seitenmoränen im Ab- bzw. Aufstieg, völlig ungefährlich.

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3 Antworten

  1. Stephan Seifert sagt:

    Hallo Olaf,
    Ihr scheint ja geradezu vom Wetterglück verfolgt zu sein. Was für Bilder … und was für Erinnerungen …
    Dir und Deinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern weiterhin viel Glück und Erfolg auf dem Wege zum Everest Base Camp und vor allem eine gute Heimkehr.
    Und natürlich besondere Grüße an Wolle und Kumar,
    Stephan.

  2. Kai Bittner sagt:

    Granatenwetter…und Traumbilder…mir tränt das Auge…Viel Spass weiterhin.

  3. Olaf Rieck sagt:

    Hallo Stephan, hallo Kai,
    wir sind tatsächlich verwöhnt auf der ganzen Linie. Und wir freuen uns darüber jeden neuen Tag und sind sehr dankbar!
    Herzliche Grüße aus dem Khumbutal
    Sabine, Angela, Luisa, Ronny, Wolfgang, Jan, Kumar, Olaf

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