Laila – Die Schlüssel zum Erfolg

Wenn ich einmal zusammenrechne, also alle Unternehmungen mit Expeditionscharakter und alle geführten Touren nach Nepal und anderswohin, dann komme ich auf etwa 60 große Reisen seit 1988. Es gab viele sehr erfolgreiche Touren, und es gab Touren, die deshalb unvergesslich sind, weil sie so quälerisch waren.

Erfolg oder Misserfolg hat nicht immer etwas mit dem Erreichen des Zieles zu tun. Einige meiner großartigsten und erlebnisreichsten Unternehmen, blieben ohne Gipfelerfolg, wie zum Beispiel der Fitz Roy 2010, der Hidden Peak 2012 oder der Monte Sarmiento auf Feuerland 2016.

Ob eine Reise ein großartiges Erlebnis oder ein Flop gewesen ist, hat also eher selten etwas mit dem Gipfelerfolg zu tun. Wie das Team funktionierte und harmonierte ist das entscheidende.

Unser komplettes Team im Messzelt beim Abendessen im Basislager: v.l.n.r. Thomas, Mafuz, Sarafat, Fida, ich, Max.

Und hier haben wir schon DEN Schlüssel zum Erfolg unseres Abenteuers an der Laila. Wir drei kannten uns vorher zwar kaum. Aber das hat mich im Vorfeld zu keinem Zeitpunkt beunruhigt. Ich wusste um das Können von Max und Thomas, ich kannte ihre alpine Biographie und hatte uneingeschränktes Vertrauen in ihre Motivation.

Ich steige von Thomas an einem Schlingenstand gesichert im mittleren Drittel der Gipfelwand vor. Foto: Max Jackisch

Wir drei haben am Berg wie ein Uhrwerk funktioniert. Jeder konnte jede Aufgabe übernehmen. Kondition und Können in Hinblick auf die Anforderungen an der Laila waren sehr ausgeglichen. Jeder hat auf den anderen geachtet, keiner wollte sich in irgendeiner Weise hervortun. Das jedenfalls war mein Eindruck.

Wenn es unterschiedliche Meinungen gab, wurde abgewogen, argumentiert, überzeugt und entschieden. Und dann wurde sich auch daran gehalten.

Unser meistverfluchter Wegabschnitt vom Lager 2 zum Wandfuß an einer sehr moderaten Stelle. Wenn es tatsächlich haarig wurde, waren wir so sehr mit uns selbst beschäftigt, dass ein Gedanke ans Fotografieren gar nicht erst aufkam. Foto: Max Jackisch

Es war einfach eine Freude mit den beiden jungen Leuten am Berg zu sein. Aber auch abseits von der Laila hat es Spaß gemacht. Es gab viele anregende Gespräche und noch mehr gutmütige Frotzeleien und eigentlich die gesamte Zeit auf dieser Reise beste Laune.

Das zum Großen und Ganzen.

Doch es gab ein paar Details, die unbedingt erwähnenswert sind. Da ist zum Beispiel das große und schwere Jagdfernrohr von Max.

Max hatte dieses Monster von Fernrohr tatsächlich fast immer dabei und hat es auch ständig benutzt.

Durch die Ausrichtung der Gipfelwand nach Südwesten und die übergroße Wärme waren große Teile der Firn- bzw. Eisauflage der Gipfelwand abgeschmolzen. Es galt auf unserer anvisierten Route quer durch die Wand, einen Weg durch die Felsriegel zu finden. Und dabei hat uns Max´ Fernrohr wirklich großartige Dienste geleistet.

Max und Thomas im Nachstieg auf der von Tag zu Tag immer dünner und prekärer werdenden Eisauflage der 650 m hohen Gipfelwand.

Ein weiterer Punkt auf dem Weg zum Erfolg war das Fixseil. Hier bin ich Max und Thomas sehr dankbar, dass sie sich von mir überzeugen ließen. Sie waren nämlich nicht gerade begeistert von der Vorstellung, das 200 m lange Seil dort hoch und auch wieder runter zu tragen und einen ganzen Tag damit zu „vertrödeln“, es anzubringen.

Es widersprach auch ihrer Vorstellung von einem schnellen und eleganten Durchstieg einer Wand. Es war nicht ihr Stil.

Max und Thomas konnten buchstäblich keinem Felsen widerstehen. Hier in lupenreinem Faustrissstil im Rakaposhi Basislager.

Doch die beiden ließen sich von mir überzeugen. Max war es dann sogar, der das Seil hochgetragen hat. Und im Nachhinein sind sich alle einig, dass wir ohne das Seil am Gipfeltag mächtig in Zeitnot geraten wären. Max meinte in einer schwachen Minute, dass es uns womöglich den Gipfel gerettet hat.

Doch selbst das tollste Team mit dem längsten Seil und dem coolsten Fernrohr nutzt nichts, wenn das Wetter nicht mitspielt. Und hier hatten wir das nötige Glück. Doch auch diesbezüglich haben wir vieles richtig gemacht.

Lastentragen im Schneetreiben vom Basislager zum Camp 1.

Erstens waren wir in der Lage, uns Wetterberichte zu besorgen. Dem Satellitentelefon sowie Falk, Uwe und Steffen sei Dank! Wir hatten alles fix und fertig vorbereitet als das gute Wetter dann da war, denn wir haben den Lageraufbau auch bei schlechtem Wetter vorangetrieben.

Glück mit dem Wetter ist tatsächlich einer DER Schlüssel zum Erfolg, schon ganz und gar im Karakorum.

Der Blick in unsere Basislagerküche. Hier hilft noch einer der Träger (rechts) mit bei der Chapatiherstellung.

Ein weiterer ist der Koch! Nicht ganz so unbeeinflussbar wie das Wetter, aber auch hier braucht man Glück. Und das hatten wir! Eine wochenlange Unternehmung wie unsere steht und fällt mit den Leuten im Küchenzelt. Und für Fida, so machte es zumindest den Anschein, war dieser eisenharte Job so etwas wie eine Berufung. Anders sind seine Kreativität, sein Fleiß und sein zunehmendes Gefühl dafür, was uns besonders schmeckt, nicht zu erklären.

Verdient vielleicht keine Extraerwähnung, ist aber trotzdem wichtig. Wenn Unwägbarkeiten lauern und dass tun sie am Berg eigentlich immer, dann sollte man besser darauf vorbereitet sein. Nichts ist ärgerlicher, als wegen falscher oder fehlender Ausrüstung zu scheitern. Aber auch hier waren wir bestens aufgestellt.

Natürlich hat die Auswahl des Kochs auch ganz viel mit einem anderen wichtigen Baustein einer solchen Reise zu tun, nämlich mit der einheimischen Agentur, welcher wir uns anvertrauen. Ich erwähnte es ja schon zwei Blogbeiträge zuvor: Die Kompetenz und Erfahrung der Agentur, welche die Tour vor Ort organisiert, ist für ein solches Unternehmen, wie unsere Reise hier in Pakistan, extrem bedeutsam.

Ohne Träger läuft nichts auf einer Unternehmung wie dieser. Viele von unseren Portern kannten mich noch von 2019.

Und da ist die Agentur eben nicht nur für die Auswahl des so wichtigen Kochs zuständig sondern vor allem auch für die Organisation des Transports unserer Ausrüstung ins Basislager.

Verlässliche Träger sind gerade in Pakistan immer schwerer zu finden. Deshalb sind gute Beziehungen einer Agentur zu den Shirdaren, also denjenigen, die für die Agenturen die Träger anwerben, pures Gold wert.

Und auch diesbezüglich, also was Erfahrung, Können und Autorität ihrer Shirdare anbelangt, sind die Hunza-Guides bestens aufgestellt.

Die Baltiträger sind extrem starke und zähe Kerle, und ich behaupte, dass sie es sogar mit den Sherpas im Khumbu aufnehmen könnten.

Zum Schluss muss ich noch eine Lanze brechen für Pakistan als Reiseland. Ich bin zum fünften Mal hier und weiß natürlich um die vielen Probleme, welches dieses Land hat, mit den Taliban, dem Terrorismus, der Korruption, dem Konflikt mit Indien, der Stellung der Frauen usw. Viele Dinge sind für mich nur schwer auszuhalten:

Auf einem Basar zu sein, wo viele hundert Menschen bzw. Männer feilschen, aber keine einzige Frau unter ihnen ist, deprimiert mich sehr.

Auch dieses Mal trugen nicht nur Träger unsere Lasten ins Basislager sondern auch Esel. Und die waren zum Teil sehr zutraulich und brauchten Streicheleinheiten.

Ebenso schwer ist es für mich, zu ertragen, dass Umweltschutz hier praktisch keine Rolle spielt, weil das Bewusstsein für die Umwelt bei den Pakistanis komplett fehlt. Und das kann man den Menschen hier natürlich nicht einmal vorwerfen.

Reflexartig lege ich meine europäischen Maßstäbe an und meine, sie wären der Weisheit letzter Schluss. Plasteflaschen wirft man nicht in den Fluss und Frauen sperrt man nicht ein und die Klimaerwärmung bedroht die gesamte Menschheit. Doch dieses Thema existiert in den Köpfen der Pakistanis überhaupt nicht.

Flüsse, Wege und Brücken sind auf den Wegen im pakistanischen Karakorum Dauerthema und gleichzeitig auch sehr lohnendes Fotomotiv. Ständig schwebt hier das Damoklesschwert von weggespülten Brücken und verschütteten Wegen über einem.

Woanders schert man sich nicht um meine An- und Absichten. Die Leute kämpfen hier mit Problemen, die ihre unmittelbare Existenz betreffen. Da gibt es keine freien Valenzen mehr für irgendetwas.

Doch können diese großartigen Landschaften, in denen der Reisende in Pakistan unterwegs ist, nichts für all das. Nirgendwo auf der Welt gibt es so gigantische Täler, Flüsse, Berge. Nie bin ich je auf so abenteuerlichen und gleichzeitig spektakulären Straßen unterwegs gewesen. Kaum je woanders habe ich  so durchgehend gut gegessen.

Der Nachthimmel im Basislager.

Und von der Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und Offenheit der (ausschließlich) Männer, denen der Reisende hier im Norden Pakistans begegnet, können wir uns alle eine dicke Scheibe abschneiden.

Ich werde wiederkommen, da bin ich mir ziemlich sicher. Und mir schwebt auch schon ein nächstes Ziel vor. Aber dass muss schon noch ein bisschen reifen.

Gipfelbild mit tapir und K2 (links). Ganz herzlichen Dank an den Bergsportausrüster tapir, welcher mir diese großartige Tour überhaupt erst ermöglicht hat!

Doch nun geht es zurück in die Heimat und auch gleich wieder weiter nach Chamonix…

zum ersten Beitrag über die Expedition zum Laila Peak

zur Expeditionsseite

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2 Antworten

  1. Egon Conzelmann sagt:

    Mit großer Freude und Bewunderung verfolge ich Deine Reiseberichte. Wenn ich stärker wäre, würde ich mich als Teilnehmer bewerben. So bleibt mir nur die Hoffnung, daß Du immer gut zurück kommst.

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