Was macht Anna?

Die Wahrheit ist, die praktischen Dinge interessieren viele Menschen am meisten. Wenn ich in Firmen, die mal einen etwas spannenderen Input haben wollen, als Vortragsredner zu Gast bin, dann gibt es meist die Möglichkeit, mir im Anschluss an den Vortrag Fragen zu stellen und über meine Antworten zu diskutieren.

Es ist 6 Uhr morgens. Anna muss aus den Daunen und sie dann in die Packsäcke einsperren.

Wenn man aber denkt, dass dann vor allem solche Fragen kommen wie: Warum begibt man sich freiwillig in Lebensgefahr? oder: Was macht man, wenn jemand hoch oben in der Todeszone an einem 8000er nicht mehr weiter kann? Oder: Was denke ich über die Benutzung von zusätzlichem Sauerstoff aus Flaschen? Oder: Wie stehe ich zum alljährlichen Massenandrang am Mount Everest?

Dann irrt man sich.

In der Sherpaküche. Die Sherpani bereitet Chapathi (links) und Pancake (rechts) zu.

Ich könnte die Liste der Fragen noch ein Weilchen fortsetzen, die ich stellen würde. Stattdessen kommen am häufigsten ganz andere Fragen. Unangefochten auf Platz 1: Wie geht man da oben auf die Toilette? Oder: Wie kalt ist es? Oder: Was esst ihr? Oder: Was machen Frauen, wenn sie ihre Tage bekommen? Oder, auch gern gestellt: Was passiert, wenn etwas passiert?

Wir brechen jeden Morgen gegen 7.30 Uhr auf. Alle sind sehr pünktlich. Sobald die Sonne auf unseren Pfad scheint, ist sogleich Ausziehpause angesagt.

Auch diese Liste könnte ich verlängern.

Und nun gehe ich einfach mal davon aus, dass das Interesse, unsere Tour durch die Khumbu-Region des Himalayas betreffend, womöglich ebenfalls in die eher praktische Richtung geht.

Also werde ich versuchen, vielleicht ein paar Fragen zu beantworten, in dem ich berichte, was Anna so den ganzen Tag hier macht:

Unsere Etappen sind momentan relativ lang, weil wir uns in der geringen Höhe, in der wir uns bewegen, keine Gedanken um etwaige Höhenprobleme machen müssen. Das geht erst in ein paar Tagen los.

Anna und ich teilen uns die Zimmerchen in den Lodgen. Sie sind in der Regel so winzig, dass ständig der Hintern des anderen im Weg ist, wenn man morgens packen muss. Deshalb klingelt mein Wecker schon um 5.45 Uhr. Ich packe unbehelligt, Anna schläft noch eine Viertelstündchen weiter.

Bin ich fertig, muss Anna aus den Daunen. Ich verschwinde aufs Klo und anschließend in den Dinningroom. Nun hat Anna ein wenig mehr Platz. 

Wir müssen unsere Siebensachen schon vor dem Frühstück in die Taschen verstauen, damit die Träger aufbrechen können, wann sie wollen.

Annas liebste Beschäftigung. Bloß gut, dass Hundeflöhe so klug sind, in der Regel dort zu bleiben, wo sie sind und nicht den Wirt zu wechseln. Sonst hätte ich womöglich ein Problem mit Annas Hundeliebe.

Jeden Tag um 6.30 Uhr gibt es Frühstück. Das haben wir alle gemeinsam so festgelegt, weil morgens das Wetter immer gut ist, die Sonne scheint und die Luft schön klar ist. Am Nachmittag trübt es sich ein. Das typische Wintermonsunwetter, nach dem man die Uhr stellen kann.

Wir trinken Kaffee und schwarzen Tee und essen verschiedene Sorten aus Mehl gemachte Fladen, wie tibetisches Brot, Chapathi, oder Pancake. Alternativen sind Müsli oder ein Brei aus Gestenmehl, Zampa genannt. Eier gibt es natürlich in unterschiedlichen Darreichungsformen auch.

Das Lieblingsgetränk dieser Gruppe ist eindeutig Ginger-Lemon-Honey-Tee. Ich fürchte demnächst Magendurchbrüche wegen der vielen Säure.

Anna hat das tibetische Brot am liebsten.

Gegen 7.30 Uhr brechen wir zu unserer Tagesetappe auf. In den letzten 5 Tagen sind wir im Durchschnitt 18 Kilometer gelaufen und haben dabei etwas mehr als 2000 Höhenmeter im Auf- bzw. Abstieg bewältigt.

Die erste Pause ist die Ausziehpause, die zweite eine Teepause in der es auch Kekse gibt. Alle lieben Coconut Cockies. Pause Nummer drei ist eine etwa einstündige Mittagspause. Wir haben dann immer schon mehr als die Hälfte unseres Tagespensums geschafft.

Unsere Lieblingskekse. Heute habe ich ausnahmsweise mal andere Kekse als die allseits beliebten Coconut-Cockies ausprobiert, und prompt gab es Beschwerden. Dabei liebe ich diese Kekse auch sehr. Sie sind nämlich immer die billigste und die am weitesten verbreitete Sorte.

Wir essen jeden Tag zum Lunch eine Rara-Nudelsuppe mit Gemüse. Die ist rasch zubereitet, liegt nicht so schwer im Magen und bietet Kohlenhydrate sowie Flüssigkeit zugleich. Und sie schmeckt allen und das schon seit 25 Jahren.

Heute kam Thomas auf die Idee, ausrechnen zu wollen, wie viele von diesen Suppen ich schon gegessen habe. Er kam auf 700! Und noch immer freue in mich jeden Mittag drauf.

Heute (9.3.) Raratime zum Lunch in Kharikola. Sonne, Wärme und ein toller Ausblick. Das Leben ist gerade sehr schön!

Je nach dem wie lang die zweite Hälfte unserer Tagesetappe ist, gibt es noch eine zweite Teepause oder eben auch nicht. Heute (9.3.) gab ist keine, weil wir schon 14.30 an unserem Tagesziel in Bupsa eingetroffen sind.

Unsere Träger waren vor uns angekommen. Bis jetzt haben sie es jeden Tag geschafft, vor uns am Tagesziel zu sein. Ein untrügliches Zeichen, dass sie gut mit der Last zurecht kommen und sich nicht über Gebühr schinden müssen.

Die traditionelle Sherpaküche hatte früher eine Feuerstelle. Heute gibt es oft noch einen Gaskocher dazu. Trotzdem ist es für die Hausfrau nicht so einfach, für 18 Mann zu kochen. Soviele Leute sind wir mit unseren Trägern und Te Kumar.

Nach der Ankunft am Tagesziel müssen zuerst drei Dinge erledigt werden: Die Zimmer beziehen, die Daunensachen aus ihrem Gefängnis befreien sowie das Abendessen bestellen.

Das Abendessen müssen wir deshalb sofort nach unserer Ankunft ordern, damit die Sherpani genug Zeit hat, unser Essen zu machen. Unser Dinner muss nämlich immer ganz frisch zubereitet werden, und das dauert für unsere große Gruppe viele Stunden.

Und um ihr die Arbeit noch mehr zu erleichtern, bitte ich meine Gäste, alle dasselbe zu bestellen. Da die Grundnahrungsmittel Reis, Nudeln und Kartoffeln sind, wird sich das Essen über kurz oder lang sowieso wiederholen. Momentan machen wir es so, dass jeden Tag einer von uns das Abendessen für alle auswählt. Morgen ist Anna dran.

Heute gab es das nepalesische Nationalgericht: Dhal Bhat. Reis, Gemüse, was oft Kartoffeln sind und Dhal, welches in der Regel eine Linsensoße ist. Die Einheimischen essen das einfach mal jeden Tag.

Nach dem Abendessen wird noch mal Tee bestellt oder in diesen geringen Höhen gerne auch ein Bier. Die Kartenspiele werden gezückt. Hier gibt es eine sehr spielfreudige Skatfraktion. Doch gerade jetzt wird mal kein Skat gekloppt sondern Tobias bringt den anderen „6 nimmt“ bei, welches schon im vergangenen Jahr Abend für Abend gespielt wurde.

Anna nutzt die Abende oder auch die halben Nächte lieber zum Tagebuchschreiben.

Nach dem Streicheln von kleinen Hunden Annas zweite Lieblingsbeschäftigung.

Aller spätestens gegen 21 Uhr kehrt dann Ruhe in der Lodge ein, oft schon wesentlich eher. 10 Stunden in den Schlafsäcken sind keine Seltenheit. Denn das ist der mit Abstand kuschligste und vor allem wärmste Ort in so einer Lodge, vor allem wenn der Ofen aus ist.

Momentan gibt es in unseren Herbergen meist aber noch gar keine Öfen. Vielleicht ist das der Grund, warum ich heute schon um 20.30 Uhr ganz allein hier unten sitze.

Anna ist schon eine ganze Weile verschwunden. Wie jeden Abend wird sie wohl noch ein Weilchen in ihrem Schlafsack schreiben.

Mir fallen die Augen zu, und ich freue mich drauf, jetzt auch gleich ins Bett zu gehen. Doch schreiben werde ich dort ganz bestimmt nicht mehr.

Und morgen um 5.45 Uhr klingelt der Wecker …

 

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4 Antworten

  1. Liebing, Gerd sagt:

    Wir sind recht froh, dass wir an der Reisegeschichte von Anna so direkt teilhaben können. Hut ab vor dem Mädchen! Bleibt alle gesund und habt gutes Wetter. Wir sind bei euch!
    LIebe Grüße von Helga & Gerd, Freyburg

  2. Helmut Hartmann sagt:

    Hallo lieber Olaf, pass mal schön auf Anba und den Rest auf! Grüße Helmut

  3. Ehlert, Vera sagt:

    Liebe Grüße an Olaf, Anna und die ganze Gruppe,
    danke für den tollen Tagesablauf, den wir nun gut nachempfinden können.
    Wir hoffen, dass das eine oder andere Fellknäuel nicht noch einen Platz im Gepäck findet, obwohl man da schon schwach werden könnte 🙂
    Eine schöne Tour weiterhin……und viele Streicheleinheiten und ein volles Tagebuch!!
    Ronny u. Vera

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