Dem Himmel so nah, Teil 2

Wir sind zurück in der Zivilisation. Nach einem Eilmarsch vom Basislager nach Arando und einer abermals sehr schüttellastigen und abenteuerlichen Jeepfahrt nach Skardu, sind wir gestern wieder in der Wifi-Zone gelandet. Ich kann nun anders als im Basislager aus dem Vollen schöpfen, was die Anzahl als auch die Auflösung der Bilder anbelangt. Die Zeit des endlosen Sendens der winzigen Fotos via Satellit ist in den letzten Tagen dieser Reise vorbei.

Aufbruch um Mitternacht vom dritten Hochlager (6300 m) zum Gipfel.

Und zum Schluss bin ich noch den Gipfeltag bzw. -tage schuldig. Und womöglich auch das Fazit dieser Reise, welches aber auch gern von jemand anderem als von mir geschrieben werden sollte/könnte oder vielleicht sogar auch müsste.


Die Nacht des Aufbruchs war mondlos und deshalb stockfinster. Ein prächtiger Sternenhimmel breitete sich über uns aus. Und vor allem war diese Nacht sehr kalt. Zumindest mich hat das regelrecht überrascht. Ich hätte um ein Haar meine warme Berghose gar nicht angezogen. Doch solange wir uns bewegten, war die Kälte erträglich.

Traumhaftes und glasklares Morgenlicht auf die Eisriesen rund um den Spantik. Wir schauen aus etwa 6800 m Höhe nach Südwesten. Sogar der Nanga Parbat ist gut sichtbar weit hinten in der oberen Mitte des Bildes.

Max und ich hatten besprochen, dass die beiden Seilschaften möglichst zusammenbleiben sollten. Doch es zeigte sich bald, dass es in Max‘ Gruppe deutlich langsamer voran ging. Zuerst warteten wir mehrfach, bis wir wieder vereint waren.

Nachdem wir einen Bergschrund überwunden hatten, dauerte es besonders lange, ehe die andere Gruppe wieder hinter uns auftauchte. Das Warten wurde zu einer Gefahr. Den ersten, der uns aus der hinter uns aufsteigenden Seilschaft von Max erreichte, fragte ich, ob alles in Ordnung sei. Und nachdem er das bejahte, gingen wir weiter.

Unter den imposanten Gipfelwechten des Spantik. Schönes Foto aber nicht so gewollt. Wir hatten im Dunkeln den rechten Weg verfehlt.

Wir konnten einfach nicht länger warten. Meine Gruppe drängte zum Weitergehen, weil allen sehr kalt war. Als ich mich nach einer Weile umsah, tanzten keine Scheinwerferkegel mehr hinter uns über den Schnee.

Waren die anderen umgekehrt? Oder nur von einem Aufschwung verdeckt? Bald wurde klar, dass Max und seine Gruppe den Rückzug angetreten hatten. Warum kehrten die anderen um?

Die letzten Schritte zum höchsten Punkt des Spantik.

So sollte die ganze Sache auf keinen Fall ablaufen, doch in dieser Situation gab es nach meiner Ansicht keine andere Option als ebenfalls umzukehren oder weiter aufzusteigen. Wir entschieden uns für letzteres.

Obwohl wir schon vier Stunden unterwegs waren, immer noch tiefschwarze Nacht. Die Spur eines pakistanischen Sonntagsbergsteigers, dem drei starke Hochträger alles abnahmen, was anstrengend am Berg war, sogar das Gurt- und Steigeisenanlegen, endete abrupt. Und das obwohl er uns berichtet hatte, auf dem Gipfel gewesen zu sein.

Sven und Ludwig haben es geschafft!

Ich hatte Probleme, mich zu orientieren. Und prompt verstiegen wir uns in der Dunkelheit auch. Wir waren einfach viel zu früh aufgebrochen.

Nachdem wir schon aufgegeben hatten und auf dem Abstieg waren, fanden wir nun endlich im Tageslicht doch noch den richtigen Weg. Gegen 6.45 Uhr morgens, inzwischen bei herrlichem Sonnenschein und bester Fernsicht, standen Laureen, Ludwig, Sven und ich auf dem höchsten Punkt.

Ludwig, Sven, Laureen, ich und der tapir auch auf dem Gipfel des 7027 m hohen Spantik.

Obwohl wir vier sehr glücklich über diesen Erfolg waren, mischte sich in meine Gipfelfreude auch Traurigkeit. Wir hatten die anderen vier gesehen, wie sie ohne diese großartige Belohnung, die wir gerade auf dem höchsten Punkt des Spantik genossen, den Berg hinunter stapften.

Nach einer etwa halbstündigen Gipfelrast mit ausgiebiger Fotografiererei und kleinem Picknick ging es wieder abwärts in Richtung Lager 3. Relativ rasch und ohne Probleme erreichten wir gegen 10.30 Uhr unser höchstes Lager.

Fernblick Richtung Osten auf K2, Broad Peak, die Gasherbrumgruppe und so viele andere Weltberge…

Hier erfuhren wir, warum die zweite Gruppe umkehren musste. Es ist eine Tatsache, dass für den Erfolg alles zusammenpassen muss. Wenn das gerade am entscheidenden Gipfeltag nicht der Fall ist, dann ist das Umkehren die einzig vernünftige Option.

Am darauffolgenden Tag gab es tatsächlich einen zweiten Versuch. Max startete mit der überaus starken Claudia einen erneuten Aufstieg. Für mich die herausragende Leistung auf dieser Reise, denn die beiden errreichten souverän den höchsten Punkt des Spantik und stiegen sogar noch bis zum Lager 2 ab, wo wir alle kurz vor dem Dunkelwerden wieder zusammentrafen.

Eine tolle Leistung, der ich gern mehr Aufmerksamkeit gewidmet hätte, aber die beiden sind wohl zu bescheiden dafür.

Abstieg vom Gipfel kurz vor Lager 3. Das Lager und die große Wechte sind auch schon sichtbar.

Die beiden Gipfeltage und die Diskussionen in den Tagen danach waren für mich mit die aufschlussreichste Zeit, die ich je auf einer Expedition erleben durfte. Der Grund dafür sind unter anderem sehr unterschiedliche Ansichten  zu den Geschehnissen am ersten Gipfeltag.

Ich bin vor allem froh, dass wir alle gesund und unfallfrei und mit sechsfachem Gipfelerfolg diese sehr fordernde Reise absolviert haben und wir so ein großartiges Team geblieben sind. Euch allen herzlichen Dank dafür!

Dem Himmel so nah, Teil 1

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5 Antworten

  1. Stefanie sagt:

    Herzlichen Glückwunsch an Alle die den Gipfel erreicht haben aber auch an Alle die es nicht geschafft haben. Um so ein Vorhaben überhaupt in die Tat umsetzen zu können muss man ja schon einiges mitbringen! Am Ende ist es wichtiger wieder gesund daheim zu landen um die nächsten Touren planen zu können 😉 Ich denke die Erfahrung war es wert und jeder/jede kann stolz auf sich sein. Was für eine Leistung! Das muss euch erstmal jemand nachmachen. Genießt die nächsten Tage und ich hoffe noch einige Blogeinträge lesen zu dürfen.

  2. Ingrid Hoppe sagt:

    Herzlichen Glückwunsch der gesamten Gruppe,Respekt für diese Leistung, ihr könnt echt stolz auf euch sein.Das ist ein Erlebnis was euch keiner nehmen kann.
    Danke Olaf daß wir mit interessanten Berichten und tollen Fotos ein Stück teilhaben können.
    Genießt die letzten Tage,mit sportlichen Grüßen Ingrid

  3. Johann-Peter Schaper sagt:

    Hallo Olaf (leider noch unbekannt), liebe Laureen, Ludwig und all die anderen Eurer Truppe. Ich gratuliere Euch allen für den großartigen Erfolg am Spantik Peak und für mich das unfassbar Geleistete.
    Olaf, vielen Dank, dass Du Laureen und der gesamten Gruppe diese schönen Erlebnisse ermöglichst hast und vielen Dank für den spannenden Blog.
    Ich freue mich schon sehr auf erlebnisreiche Berichte zu Hause und wünsche Euch noch tolle restliche Tage.
    Liebe Grüße von Johann-Peter

  4. Olaf Rieck sagt:

    Vielen Dank für die Gratulation, die Glückwünsche und die Grüße im Namen aller Expeditionsteilnehmer.

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