Ich wollt, ich wär ein Huhn

Sie sind fast täglich ein Thema. Wir alle lieben sie, fotografieren und beneiden sie auch. Ich spreche von unserem lebenden Fleischvorrat, unseren Hühnern. Sie sind dermaßen ihrem Schicksal ergeben und voller Vertrauen, dass sie keinen Schritt zur Seite weichen, wenn sie im Weg sitzen. Sie bewegen sich selten, lassen sich streicheln und genießen offensichtlich die letzten Tage ihres Lebens, denn sie wissen nichts vom Tod.

Wir dagegen schon. Zwei Japanern hat der Spantik in dieser Saison bereits das Leben gekostet. Sie waren einfach zu unvorsichtig. Ein Wechtenabbruch wurde ihnen zum Verhängnis. Vor allem im oberen Bereich des Spantik-Südgrates muss man höllisch aufpassen.

Nachdem (siehe die „Gratwanderung“) wir das erste Mal ins Camp 2 aufgestiegen waren und ich beim nachmittäglichen Hitzeabstieg mit fast der gesamten Gruppe ins Camp 1 die mental forderndsten Stunden dieser Reise hatte, gab es tatsächlich im Basislager einen Ruhetag. Das Wetter zwang uns dazu. Wir sind also nicht wie geplant am 4. sondern erst am Montag, den 5. August wieder ins Lager 1 aufgestiegen.

Unser Plan war kühn. Aber kühne Pläne werden einem häufig durch Wetterprognosen aufgezwungen. Wenn ich eines in den 35 Jahren seit dem Pik Energie 1989, meinem ersten 5000er, gelernt habe, dann, dass man Gelegenheiten nicht verstreichen lassen darf. Berge sind Diven. Nö, jetzt will ICH nicht mehr, scheinen sie uns Menschenzwergen schadenfroh zu sagen.

Auf dem Weg ins 6300 m hoch gelegene Lager 3. Wir schauen auf diesem Bild fast auf den gesamten endlos langen Südgrat des Spantik. Sowohl Lager 1 als auch Lager 2 befinden sich auf diesem Grat. Noch weiter unten der beeindruckende Chogolungma-Gletscher.

Wir hatten von Falk einen Wetterbericht bekommen, der uns eine ganze Woche schönes und stabiles Bergwetter prophezeite. Die mussten wir nutzen. Warum also nicht die Gelegenheit beim Schopfe packen und vielleicht sogar schon den Gipfel in die Überlegungen mit einbeziehen? Für eine ganze Woche schleppten wir Nahrung und Gas ins Lager 2. Auch Fixseile trugen wir hinauf, Befestigungsmaterial wie Schneeanker und Abalakov-Schlingen, Eisschrauben, Zelte, lange Heringe für die Fixierung der Zelte im aufgeweichten Schnee usw. Die Schlepperei war eine Tortur.

Alle kämpften im Rahmen ihrer Möglichkeiten mit. Und so hatten wir am 6. August ein komfortabel ausgestattetes Lager 2 am Berg sowie das Material, um 1000 Meter Steilhang abzusichern. Zwei Seilrollen mit jeweils 200 Meter Statikseil hatten Hochträger einer anderen Expedition unter die Steilflanke getragen.

Am nächsten Tag (7. August) musste Max ran. Sven und ich hatten die Aufgabe, 800 m Fixseil in das steilste Stück der Route zum Gipfel zu installieren. Ein gewaltiges Stück Arbeit. 200 m hatten Max und Sven dort in den Tagen zuvor schon eingebaut. Doch ich freute mich trotz der zu erwartenden Strapazen auf diese Aufgabe, denn die Gruppe zu führen ist wesentlich anstrengender, wenn auch nicht körperlich.

Das Lager 3 (6300 m) im Angesicht einer furchteinflößenden Riesenwechte, von denen es hier sehr viele gibt. Leider ist eine von ihnen zwei unvorsichtigen Japanern zum Verhängnis geworden.

Der Plan sah vor, dass Max und die Gruppe Sven und mir an den frisch von uns beiden installierten Seilen folgen. Bis auf eine Höhe von 6100 m wollten wir alle gemeinsam kommen. In dieser Höhe gibt es einen komfortablen Absatz an einem kleinen Felssporn. Hier freuten wir uns alle auf eine längere Pause. Anschließend sollte die Gruppe wieder absteigen. Dieser Aufstieg war vor allem für die Akklimatisation wichtig.

Während die anderen unter der Führung von Max die 600 Höhenmeter wieder ins Lager 2 (5500 m) abstiegen bzw. abseilten, versicherten Sven und ich weitere 300 Meter Aufstieg bis auf die Spitze eines imposanten Schneegipfels. Von dort bis zum Lager 3 sind es nur wenige hundert Meter Gehgelände.
Nachdem das geschafft war, sind auch wir beide erschöpft, aber sehr zufrieden mit unserer Arbeit, wieder ins Lager 2 abgestiegen. Nach dieser Anstrengung und zur Verbesserung unserer Akklimatisation war am 8. August ein Ruhetag zwingend.

Nun war der Weg ins Lager 3 und auch der zum Gipfel gebahnt. Jetzt lag es nur noch an uns. Das Wetter würde mitspielen. All das war uns bewusst. Jetzt oder nie, lautete die Devise.
Nun wurde es also so richtig ernst für uns am Spantik.

Zum nächsten Artikel: „Dem Himmel so nah, Teil 1“

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Eine Antwort

  1. Detlef Weyrauch sagt:

    Liebe(r) Olaf, Luisa, Bernd, Helmut und alle anderen, schön, dass ihr alle wieder heil im Basislager angekommen seid. Das Abenteuer in Pakistan ist eine ganz andere Nummer als unsere diesjährige Trekkingtour in Nepal. Die Verantwortung des Chefs ist ungleich größer. Ich hätte diese nicht übernehmen wollen. Ich glaube, das kann man nur machen mit Olafs unglaublicher Erfahrung in den Bergen über die vielen Jahre. Ich hatte am 13.08. mit der wiederholten Teilnahme am Lumsa-Lauf in Halle (Saale) bei 30°C auch einen kleinen Höhepunkt. Es sind Spenden von über 2300 € zusammen gekommen, die direkt der Schule in nepalesischen Dorf Lumsa zugute kommen. Da wir im Februar diese Schule besucht hatten und sehr herzlich empfangen worden sind, freut mich das ganz besonders. Nun bin ich gespannt auf die weiteren Berichte vom Spantik. Viele Grüße von Detlef

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