Gute Tage, schlechte Tage
Was macht hier auf dem Trek eigentlich einen guten und was einen schlechten Tag aus? Das habe ich mich auf dem Weg hinauf nach Gokyo gefragt. Was ist ein guter Tag für mich, was ein schlechter? Und wie sieht das bei meinen Gästen aus? Die Vermutung liegt nahe, dass es da ganz eklatante Unterschiede gibt.

Wir wandern durch den raubereiften und mit Flechten behangenen Märchenwald zwischen Mong und Dole auf dem Weg nach Gokyo.
Bei mir ist die Antwort ganz einfach, Alles dreht sich um das Befinden meiner Gäste. Sind sie gesund? Wie ist die Stimmung in der Gruppe? Wenn sich alle fit fühlen und bei guter Laune sind, dann bin ich zufrieden und glücklich.
Allerdings habe ich auf den 40 Touren gelernt, die ich in den vergangenen 26 Jahren geführt habe, dass es bei meinen Gästen viel komplizierter ist.

Ich konnte mich nicht sattsehen an den Raureifkunstwerken, die der Nebel an die Büsche und Bäume gezaubert hat.
Die Erwartungen sind ganz verschieden. Die Ansprüche ebenso. Die Palette reicht von heiterem Genuß von großartigen Bergblicken bis zu beinharten sportlichen Ambitionen.
Manche können sich einfach nicht frei machen von den Dingen, die ihnen daheim auf der Seele brennen. Dann wird es für mich ganz schwer, herauszufinden, was eigentlich nicht stimmt, wenn jemand schlecht drauf ist.

Flechten, schon ganz und gar wenn sie vom Reif verschönert werden, haben etwas besonderes. Sie verzaubern den Wald.
Eine Sache aber drückt verständlicherweise immer ein wenig aufs Gemüt. Nämlich wenn man durch die spektakulärste Gebirgslandschaft auf unserem Planeten wandert und nichts sieht. Dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, das solche Tage nicht zu den guten gehören.
Genau das war zwei Tage lang der Fall, und das ist immer ein bisschen schade. Auf den beiden Etappen von Namche nach Mong und von dort nach Machermo sind wir ausschließlich im Nebel unterwegs gewesen.

Ich fand die Stimmungen, den wallenden Nebel und die verzauberten Wälder wunderschön. Aber ich kenne ja die Bergblicke rings herum schon. Für meine Gäste war es womöglich nicht ganz so zauberhaft wie für mich.
Wir haben natürlich versucht, das Beste daraus zu machen und uns an den raubereiften Bäumen und Flechten zu erfreuen. An den wallenden Nebeln. Aber wir sind wegen der großartigen Bergblicke hier.
Gestern nun (09.03.) wurden wir erlöst. Morgens sah es allerdings noch nicht danach aus, und mir gingen so langsam die motivierenden Sprüche aus: Doch dann lichtete sich der Nebel und gab den Blick frei auf die grandiose Kulisse von Cholatse, Taboche und natürlich den 8201 m hohen Cho Oyu.

Als wir in Machermo losmarschiert sind, lichteten sich die Nebel, und wir befanden uns plötzlich über den wallenden Wolken im Tal. Die Luft war kristallklar und die umliegenden Superberge präsentierten sich makellos schön!
Nach den trüben Tagen war die Luft glasklar, der Himmel stahlblau und die Fernsicht entsprechend phantastisch.
Wir waren ganz allein unterwegs und fühlten uns wie die Könige der Welt. Zumindest ich fühlte mich so. Mir wird das niemals langweilig werden, solche Momente erleben zu dürfen. Nie!

Der strahlend weiße, 8201 m hohe Cho Oyu (Göttin des Türkis) erschien uns am Talschluss wie eine Fata Morgana.
Nach vier entspannten Stunden Gehzeit trafen wir im 4750 m hoch gelegenen Gokyo ein. Nach der obligatorischen Rara-Nudelsuppe zum Mittagessen und dem ebenso unvermeidlichen Akklimatisationsspaziergang gab es in der Nachbarlodge ein Kaffeekränzchen bei echtem Kaffee. Die schleppen hier bis auf fast 5000 m Höhe riesige italienische Kaffeemaschinen hinauf.
Am Abend gab es Swiss Rösti und dann wurden Karten gekloppt bis uns die Sherpani unmissverständlich zu verstehen gab, das sie nun schlafen will.
Heute nun stand der erste große Höhepunkt unserer Tour auf dem Programm, der 5380 m hohe Gokyo Ri. Los ging es gegen halb acht. Eher loszugehen hat wenig Sinn, weil sonst die Sonne von hinten auf die Weltberge scheint, und wir dann nur eine Bergsilhouette vor uns haben. Einen Scherenschnitt quasi.
Am besten ist, wie fast immer in den Bergen, das Streiflicht. Und genau das hatten wir, als fast alle auf dem Gipfel des Gokyo Ri eintrafen. Jessica hat heute auf den Gokyo Ri verzichtet, weil sie sich ein bisschen ausruhen wollte.
Morgen werden wir Gokyo in Richtung Dragnag und den Cho-La-Pass verlassen. Allerdings nicht alle. Frank, Jessica und Jana werden von Gokyo nach Phortse (3900 m) absteigen, um von unten herum in das Khumbu-Tal zu gelangen.

Mein Team auf dem Gokyo Ri. Im Hintergrund der Everest, der Lhotse und über dem Kopf von Te Kumar ist auch noch die Spitze des Makalu zu sehen. Würde man vom Standort des Fotografen nach rechts schauen, könnte man auch noch den Cho Oyu sehen. Vier 8000er auf einen Blick. Und das, ohne die Hände aus den Taschen zu nehmen. Das gibt es nur hier.
Alle anderen wollen über den 5420 m hohen Cho-La-Pass zum Khumbu-Gletscher. Nach drei Tagen, wenn alles nach Plan läuft, feiern wir Wiedervereinigung in Lobuche. Von dort aus geht es dann weiter nach Gorak Shep und zum Everest Basislager.
Aber dazwischen gibt es anstrengende Tage mit Atemnot gratis am Pass. Über gedrückte Daumen freuen wir uns, weil die bestimmt helfen…
Natürlich drücke ich euch ganz fest die Daumen! Und hoffentlich geht es ohne Atemnot über den Pass!
Die raubereiften Flechten, Sträucher und Bäume …. ein Gedicht! Aber mit Sonne ist die Landschaft natürlich noch grandioser!
Viele Grüße an euch alle!
Vielen Dank, liebe Veronica. Alle freuen sich über Dein Mitfiebern und die guten Wünsche!