Jeep-Rodeo

Ich bin ja abenteuerliche Jeepfahrten vor allem aus Pakistan schon gewöhnt. Außerdem sollte die Fahrt von Phaplu nach Surke kurz vor Lukla nur sechs Stunden dauern. Das dürfte noch zumutbar sein, hoffte ich. Meine Gäste mussten ja möglichst bei Laune bleiben. Deshalb sollte es nach dieser Busfahrt bitte keine Pleiten, Pech und Pannen mehr geben.

Unsere beiden Jeeps vor unserem Hotel in Phaplu. Mahindra, indisches Fabrikat. Scheinbar nicht kaputt zu kriegen.

Fast pünktlich trafen die Jeeps an unserer Lodge in Phaplu ein. Das war schon mal gut. Wir hatten sie für um 9.00 Uhr bestellt. Unser Gepäck wurde verladen, wir quetschten uns dann auch noch rein und los ging das Rodeo.

Um es zusammenzufassen: Eine eigentlich völlig unbefahrbare „Straße“ wurde dennoch befahren. Sogar von Bussen und LKW. Und genauso fühlte es sich auch an.

Ich bin inzwischen felsenfest überzeugt, das Opfergaben auf dem Armaturenbrett nützlich sind. Das mache ich jetzt auch.

Ich musste wirklich kein Hellseher sein, um mir auszumalen, dass diese Fahrt totsicher ebenfalls die ein oder andere Überraschung für uns bereithalten würde.

Und natürlich kam es dann auch so. Als erstes stellten wir fest, dass der Jeep, in dem ich saß, wir hatten zwei gechartert, irgendwie zu schwach auf der Brust für seine Aufgabe war. Außerdem stimmte irgendwas mit der Kupplung nicht. Dieser Geruch wird mir so schnell nicht mehr aus der Nase gehen. Ich hätte keinen Pfifferling für diesen Jeep indischer Fabrikation gegeben.

Unser supercooler Jeepfahrer lenkte gern mit einer Hand. Auch wenn er nicht telefonierte.  Außerdem hatte er ein Faible für schöne Dinge in seinem Gefährt.

Aber ich gebe es gleich zu. Ich hatte die Leidensfähigkeit dieses Autos schwer unterschätzt.

Nicht zu überschätzen war die Kaltschnäuzigkeit unseres Fahrers. An seiner Stelle hätte ich Blut und Wasser geschwitzt. Denn auf dieser Strecke hätten wir bei einer Panne ziemlich alt ausgesehen. Und nach meiner Einschätzung hing ja die Funktionstüchtigkeit unseres Fahrzeuges am seidenen Faden.

Sieht weniger steil aus als es wirklich war. Hier kam unser Fahrzeug mit uns drin nicht mehr hoch.

Doch er machte einen relativ souveränen Eindruck. Er telefonierte während der Fahrt seelenruhig und lenkte dabei das ächzende Gefährt lässig mit einer Hand auch über die haarsträubendsten Passagen.

Manchmal mussten wir zwar aussteigen und laufen, weil unser Auto die Steigung einfach nicht mehr bewältigen konnte und die Kupplung schrecklich rutschte. Aber das taten wir gerne, weil wir ja zunehmend Angst um unser liebes Autochen hatten und wollten, dass es weiterfuhr.

Wir haben vergeblich versucht, diese Klamotte von der Straße zu bekommen.

Den ersten längeren Aufenthalt hatten wir, weil Steinschlag die „Straße“ blockierte. Ein LKW, welcher vor uns fuhr, kam nicht vorbei. Wir schon. Allerdings war es Millimetersache. Und vorher musste der LKW natürlich von der Straße.

Die nächste Verzögerung dauerte schon deutlich länger. Ein Bus kam an einer Steigung nicht mehr weiter. Hier hatten sich schon mindestens ein Dutzend andere Jeeps gestaut. Das musste schon länger dauern.

Viel breiter hätte unser Jeep nicht sein dürfen.

Doch auch hier vollzog sich so eine Art Wunder. Undenkbar in Deutschland. Ein Bagger schob den Buss mit seiner Schaufel den Berg hinauf. Und plötzlich war auch dieses Hinderniss aus dem Weg geräumt.

Kurz vor dem Ziel allerdings schien es zumindest mir so, dass ein komplett quer gestellter, mit Sand beladener LKW nie und nimmer aus dem Weg zu räumen sein würde. Die Vorderräder hingen schon halb über dem Abgrund. Das Heck hatte sich tief in die Steilwand der anderen Straßenseite gebohrt.

Es wird mir immer ein Rätsel bleiben, wie es dieser LKW ohne Allrad an diese Stelle geschafft hat.

Es würde vermutlich Tage dauern, dieses Problem zu lösen. Und da es nicht mehr allzuweit nach Surke war, entschied ich, dass wir laufen würden.

Ich beorderte die Träger herauf, um unser Gepäck zu holen, wir stiegen nach Surke ab. Wie schön, dass es tatsächlich nur noch bergab ging. Doch es dauerte keine Stunde, da rollte der Verkehr wieder. Nicht zu fassen. Die Nepalis sind wahre Meister im Lösen scheinbar unlösbarer Probleme.

Wie ist dieser Kipper eigentlich in diese verquere Lage gekommen? Ich hätte meinen rechten Arm dafür verwettet, dass dieser LKW an diesem Tag nicht mehr von der Straße zu bekommen ist. Nun wäre ich einarmig.

Mir fiel wirklich ein Stein vom Herzen, als wir endlich nach mehr als 9 Stunden Jeep-Rodeo unversehrt an unserem Ziel eingetroffen waren.

UND meinen Gästen ging es sicher ähnlich, denn diese Jeepfahrt werden wir alle so schnell nicht vergessen. So viel steht fest.

Die Vorderräder des queren LKW standen schon halb über dem Abgrund und mussten erst einmal abgestützt werden.

Zu den anderen Blogbeiträgen dieser Reise:

Nepal-Start mit Hindernissen

Khumbu-Trek, der 40ste

Gute Tage, schlechte Tage

Nepals größter Gletscher

Glück muss man haben

Die letzte Hürde, Teil 1

Die letzte Hürde, Teil 2

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8 Antworten

  1. Veronica sagt:

    Ich staune immer wieder, wie schnell und unkompliziert manche Probleme in Nepal gelöst werden! Da können wir uns hier doch wirklich ein Beispiel daran nehmen!

  2. Dennis Schönfelder sagt:

    Das schaut schon sehr abenteuerlich aus =)

  3. Manuela sagt:

    Schön eure Reise verfolgen zu können.
    Da war ja unsere Reise im vorigen Jahr ein Langweiler ( aber trotzdem wunderschön und unvergesslich )
    Viel Spaß noch und schöne Erlebnisse.

    • Olaf Rieck sagt:

      Ich bin nur so richtig froh, entspannt und glücklich, wenn es, wie Du schreibst, „langweilig“ ist, weil alles so perfekt klappt, wie ich es gern hätte. Auch ohne Probleme gibt es hier unendlich viel zu sehen und zu erleben. Übrigens freue ich mich sehr Manuela, wenn meine Ehemaligen so was schreiben wie „wunderschön und unvergesslich“! Das macht mich auch sehr froh!

      Liebe Grüße in die Heimat…

  4. Gisela sagt:

    Das ist ja ein höchst abenteuerlichen Start eurer Reise und beeindruckend, wie scheinbar unmöglich zu lösende Probleme in kurzer Zeit gelöst werden!
    Ich denke so oft an unsere Reise vor einem Jahr zurück und freue mich auf und über die diesjährigen Blogbeiträge.
    Ich wünsche der ganzen Gruppe eine genauso unvergessliche Zeit, wie ich sie erleben durfte!

  5. Ingrid Hoppe sagt:

    Lieber Olaf ,dazu gehört ja echt ein riesen Organisationstalent,nun habt ihr alle holprigen Fahrten hinter euch und seid von jetzt an auf eure eigenen Beine gestellt. Dazu wünsche ich euch viel Kraft ,genießt es einfach und habt viel Spaß dabei. Ich denk gern an die Zeit zurück, es war mein aktivster und erlebnissreichster Urlaub.

  6. Detlef Weyrauch sagt:

    Lieber Olaf, lieber Te Kumar, genau heute vor einem Jahr standen wir gemeinsam auf dem Renjo La und haben eines der eindrucksvollsten Bergpanoramen bewundert, das unser Planet zu bieten hat. Ich denke oft daran zurück. Unsere Anreise bis dorthin war nicht ganz so aufregend wie eure diesjährige. Da wir ein Stück der „Straße“ nach Surke zu Fuß absolvieren mussten, kann ich mir die abenteuerliche Fahrt mit dem Jeep gut vorstellen. Danach wird es ja viel besser. Ich wünsche allen unvergessliche und wunderbare Erlebnisse, wie sie uns letztes Jahr vergönnt waren.

  7. Jens sagt:

    So Olaf, wenn Du immer noch Zweifel hast, ohne ein Buch zu schreiben und ohne einen Glücksbringer auf dem Armaturenbrett auszukommen, wäre jetzt die Gelegenheit darüber intensiver nachzudenken. Spannender und ereignisreicher geht es wohl nicht. Trotzdem verkneife ich mir zu sagen: bitte weiter so 😉 Passt auf Euch auf!!

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