Mera – Der höchste Punkt.

Das menschliche Streben nach Anerkennung treibt seltsame Blüten. Die einen stacheln sich selbst zu geradezu unerhörten Leistungen an, um einem ruhmlosen Leben in der Bedeutungslosigkeit zu entgehen, die anderen wollen das auch,  tun aber nur so, als würden sie etwas großartiges leisten. Sie versuchen es nicht einmal.Mein Lieblingsbeispiel dafür sind die Klienten des Herrn Furtenbach. Für 150000 Euro soll es nun mit Hilfe des Narkosegases Xenon nur noch eine Woche!! dauern, um auf den Everest zu kommen.

Der Everest im Abendlicht vom Gokyo Ri aus fotografiert.

Die Diskussion ist im vollem Gange. Ist das mit dem Xenon etwa unfair? Nein, ist es nicht. Diese Art und Weise auf einen großen Berg zu steigen, ist bloß nach wie vor lächerlich. Denn ob mit oder ohne Xenon, mit oder ohne Hypoxiezelten in heimatlichen Wohnzimmern, ein alberner Selbstbetrug bleibt ein solcher Aufstieg so oder so.

Denn was soll das für eine Leistung sein, wenn alles, was an einem hohen Berg mühsam, kraftraubend, zeitintensiv und gefährlich ist, von anderen als einem selbst erledigt wird und man zu allem anderen Überfluss auch noch massenhaft Zusatzsauerstoff atmet?

Der Mera Peak von Norden. Im Vordergrund der Hauptgipfel, also der höchste Punkt des Berges. Das kleine Zipfelchen links der Bildmitte ist der 15 m niedrigere Mittelgipfel.

Man hat sich an diese nicht ernst zu nehmende Absurdität inzwischen so gewöhnt, dass es gar nicht mehr darum geht, wer den Kunden den Krempel hochträgt, die Lager errichtet, die Fixseile verlegt oder den Weg durch den Schnee spurt. Oder wie lachhaft hoch die Durchflussrate des zusätzlichen Flaschensauerstoffs tatsächlich ist, den natürlich auch die Sherpas hochschleppen! Wer sonst?

Wenn es endlich einen richtig leistungsfähigen Helikopter gibt, dann katapultiert der Herr Furtenbach die Klienten in naher Zukunft von Kathmandu auf den Everest-Gipfel in sagenhaften zwei STUNDEN! Das ist dann wirklich schnell. Ein Gipfelfoto sähe nach einem solchen „Aufstieg“ auch bloß nicht viel anders aus als bei denen, welche sich wowöglich wochenlang aus eigener Kraft da hoch gekämpft haben.

Das Basislager am Mera Peak auf dem Mera La (5400 m). Das ist ein Pass, der das Hinku-Tal im Westen mit dem Honku-Tal im Osten verbindet.

UND für diese überragend schnelle Zeit sollte Herr Furtenbach meiner Ansicht nach dann mindestens 300000 Euro verlangen! Übrigens wäre auch das nicht unfair, nur noch um ein vielfaches dekadenter und lächerlicher als die Wochenvariante mit Xenon.

Kundschaft wird sich auch dafür ganz bestimmt leicht finden. Vielleicht ist ja der Everest-Gipfel demnächst ein angesagter Ort, um sich das „Ja-Wort“ zu geben?

Es geht aber auch eine Nummer kleiner. Hier im Khumbu zum Beispiel ist es inzwischen bei vielen Agenturen gang und gäbe, Berge anzubieten, auf die man die Kunden niemals wirklich steigen lassen will. Das ist gar nicht vorgesehen. Es werden irgendwelche Vor-Huckel als Gipfel definiert. Diese werden dann ehrlicherweise als False Summit, oder weniger ehrlich, als Süd-, Ost- West- oder Mittelgipfel bezeichnet. Der höchste Punkt des Berges sind diese dann aber keineswegs.

Übrigens leicht bei Google nachprüfbar.

Das auf knapp 5800 m hoch gelegene Hochlager am Mera Peak.

Den wahren höchsten Punkt zu erreichen, ist nämlich für Gelegenheitsbergsteiger oft viel zu anspruchsvoll, wie zum Beispiel beim Lobuche Peak oder aufwendiger wie beim Mera Peak.

Nichtsdestotrotz wird dann behauptet, oben gewesen zu sein. Was ist schon dabei? Ein paar Dutzend Meter mehr oder weniger fallen doch kaum ins Gewicht, bzw. auf. Nicht einmal ein Experte könnte auf den Gipfelfotos den Schwindel erkennen.

Der Mera-Peak, zu dem wir gerade aufbrechen, ist genauso ein Beispiel dafür. Der Klassiker sozusagen. Der Mera hat drei Gipfel, die aber keineswegs als eigenständig gelten können. Der Nordgipfel (6476 m) bildet die höchste Erhebung des Mera Peaks. Der Mittelgipfel erreicht eine Höhe von 6461 m, der weiter östlich gelegene Südgipfel zählt 6065 m.

Auf dem Weg zum höchsten Punkt des Mera, dem 6476 m hohen Nordgipfel, schauen wir auf den 15 m niedrigeren Mittelgipfel.

Bestiegen wird aber fast ausschließlich der Mittelgipfel. Der Weg zu ihm liegt sehr viel näher am Hochlager. Will man den eigentlich höchsten Punkt des Berges erklimmen, also den nördlich vom Mittelgipfel gelegenen Hauptgipfel, muss man mindestens noch ein oder zwei Stunden Aufstieg dranhängen. Das macht aber kaum jemand. Drei Stunden zusätzlichen Auf- bzw. Abstieg für lächerliche 15 Höhenmeter?

Ich allerdings bin diesbezüglich ziemlich störrisch. Denn genau auf diese 15 Meter kommt es mir nämlich an, wenn ich von mir behaupten will, auf dem nun mal 6476 m hohen Mera-Peak-Gipfel gestanden zu haben. Eigentlich völlig selbstverständlich.

Übrigens was das Schwindeln anbelangt, geht es auch drei Nummern größer: Leben, Sterben, Lügen

Am Gipfel des Mera 2015 mit Sven, Katrin und Urs. Foto: Sven Kortmann

Zwei Mal habe ich das inzwischen schon gemacht, das dritte Mal wird definitiv die größte Herausforderung an diesem Berg. Ich habe diesmal 10 Gäste, die sich mir anvertraut haben.

Doch auf dieser Tour gibt es mit der Überschreitung des fast 5800 m hohen Amphu Labtsa noch eine weitere Hürde, die wir uns zu überwinden vorgenommen haben. Und diese wird sicher noch viel anspruchsvoller und herausfordernder als der Mera selbst. Denn über den anspruchsvollen Pass muss auch unser gesamtes Gepäck.

Es werden Fixseile für die Träger notwendig sein, ihre Lasten werden abgeseilt. Alle müssen mit anpacken. Ich bekomme jetzt schon leicht feuchte Hände, wenn ich mir das vorstelle.

Der Blick vom Mittel“gipfel“ des Mera. Und der ist nicht 6452 sondern 6461 m hoch. Quelle: Wikipedia, Michael Töpfer

Es wird in den nächsten drei Wochen also wieder spannend hier auf dieser Seite, allerdings nur, wenn wenn wir die Leine finden, an welcher wir ab und zu auch mal „on“ sein können. Nicht zu letzt, weil auch der Anmarsch aufregend zu werden verspricht. Denn diesmal ist die Bus- und Jeepfahrt von vornherein eingeplant.

(die fleißigen Leser erinnern sich: Nepalstart mit Hindernissen,  Jeep-Rodeo )

Mehr Meinung von mir zum Furtenbachprinzip

zu den anderen Blogbeiträgen der ersten Tour im März:

Khumbu-Trek, der 40ste

Gute Tage, schlechte Tage

Nepals größter Gletscher

Glück muss man haben

Die letzte Hürde, Teil 1

 

 

 

Das könnte dich auch interessieren …

4 Antworten

  1. Ehlert sagt:

    Herzliche Grüße aus Leipzig an Dich und Deine Gruppe, die sich Dir anvertraut hat.
    Kein Morgen vergeht, an dem nicht die erste Handlung des Tages ist, Deinen Blog zu durchstöbern.
    Habt eine gute Zeit, akzeptables Wetter, viel Kraft, Ausdauer und vor allem gute Laune bei Eurem Vorhaben.
    Die Daumen sind kräftig gedrückt…..und es kommt vielleicht der Tag, wo ich Nepal auch einmal kennenlerne.
    LG Vera

  2. Veronica sagt:

    Ich drücke euch kräftig die Daumen für ein gutes Gelingen und freue mich auf die kommenden News!

  3. Veronika Meischner sagt:

    Ich wünsche euch gutes Gelingen. Kommt gesund nach Hause. Dein Blogbeitrag ist wie immer sehr gut und treffend geschrieben.
    LG an alle im Team.
    Veronika

  4. Jens Klawonn sagt:

    Lieber Olaf, gleich 10 Alpinisten?! Ob da beide Daumen noch reichen?! Unsere haste Du auf jeden Fall!!
    Liebe Grüsse aus Markkleeberg
    Anne&Jens

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen