Der Schwäbische Grand Canyon, Teil 2

Bevor ich zum ersten Mal irgendwohin zum Klettern fahre, besorge ich mir logischerweise einen Kletterführer. Und wie ich am Schluss des ersten Teils meiner Donautalbetrachtungen schon anmerkte, ist ein guter Kletterführer für mich so eine Art Katalysator. Er beschleunigt die Lust dort zu sein und endlich selbst Hand anzulegen. Und in diesem Werk zum Donautal findet sich alles, was das Herz begehrt: Übersichtsfotos der einzelnen Spots, Karten, um sie leicht zu finden, gute Topos und viele verbale Tipps und Einschätzungen zu fast jeder einzelnen der ca. 850 im Führer verzeichneten Routen.

Ihr haben wir alles zu verdanken. Der hier noch ganz und gar nicht schönen blauen sondern eher grünen Donau. Urs beim Kaffeepäuschen unter der Falkenwand.

Eine übersichtliche Gliederung und ein Register erleichtert das Auffinden der Felsen. Wir erfahren auch eine Menge rund um das Donautal und über die anderen Möglichkeiten, welche einem bei Wetterpech das leidige Warten auf Sonnenschein verkürzen können. Auch eine nach Schwierigkeiten geordnete Liste mit Routenempfehlungen trägt zum Komfort des Benutzers bei.

Sogar einen kleinen Kletterknigge findet man hier, von dessen Beachtung leider einige Kletterer soweit entfernt sind wie die Erde vom Mond. Mehr zum Thema Kletterführer gibt es übrigens in einem anderen Beitrag auf meiner Homepage.

Urs probiert meine Risshandschuhe im Ausstiegsriss des „Direkten Ameisenweges“ an der Falkenwand. Eine laut Kletterführer „unangenehme Rissbreite“. Also ich fand das nicht 🙂

Als ich nun Anfang September zum ersten Mal mit dem Kletterführer in der Hand durch das Donautal fuhr, gab es nach der ersten Euphorie über die vielen großartigen Felsgestalten rasch auch Ernüchterung. Mir schien nämlich ein Satz aus dem Kletterführer nicht ganz zutreffend zu sein. „Die Anzahl der für das Klettern gesperrten Felsen sei vergleichsweise gering“ steht dort. Das Gefühl hat der uneingeweihte Kletterer mit Erstkontakt nicht gerade, und leider bestätigt sich dieses Gefühl all zu sehr nachdem er nicht mehr uneingeweiht ist.

Große Bereiche, wie zum Beispiel die bizarre Felsenstadt der Lenzenfelsen sind für uns Kletterer gänzlich tabu. Und selbst an freigegebenen Felsen dürfen viele Wege nicht mehr begangen werden, was für mich oft kaum nachvollziehbar war. Ich kann den Wehmut der Donautaler Klettergemeinde gut verstehen.

Klettern in der linken Herzkammer des „Däle“ an der Alten Hausener Wand. Hier klettere ich den „Schatzenpfad“. Unten die Zentrale des Donautales: Hausen im Tal. (Foto: Janina Graeber)

Das Potential, welches uns Kletterern zur Verfügung steht, ist aber dennoch großartig und vor allem sehr vielfältig. Denn der ambitionierte Kletterer wird eben nicht nur bohrhakenübersäte Wände finden, wo er sich von einem Finger(tropf)loch zum nächsten hangelt, um bei der Nachbarroute gleich dasselbe zu tun. Hier wird Vielfalt groß geschrieben und das hat mir im „Däle“, wie die heimischen Kletterer ihr kleines Tal liebevoll nennen, mit Abstand am meisten gefallen. Übrigens weiß ich inzwischen von einer freundlichen Kommentatorin, das Däle tatsächlich mit „Kleines Tal“ übersetzt werden muss.

Hier gibt es alles, was das Herz begehrt. Risse, Rippen, Reibung, Kamine, Wände und eben auch Löcher, an denen sich die Schwerkletterer sehr schön die Fingersehnen abreißen können. Alles da! Auffällig ist auch, dass bombenfestes und brüchiges Gestein einander abwechseln. Manchmal schon in ein und derselben Route. Aber selbst das gefällt mir, muss man hier öfter einmal schauen, wie man zusätzlich absichern kann.

Ich klettere der „Rottweiler Weg“ an der Falkenwand. Hier unten noch recht brüchig, oben bombenfest. Keine Seltenheit an der Donau. (Foto: Jacob Andreas)

Apropos Absicherung. Die einheimischen Sanierer waren wirklich nicht gerade sparsam mit den bombensoliden Klebehaken. Selbst in den alten Klassikern findet der meist dafür dankbare Kletterer sie zu Hauf. Für mich als im Elbsandstein sozialisierter Kletterer sind das geradezu paradiesische Zustände. Aber von südfranzösischen Verhältnissen ist man dennoch ein Stück weit entfernt. Mir gefällt auch das besonders gut.

So helfen eine Auswahl an Keilen und Friends in gängigen Größen und ein paar Keflarschlingen dem ängstlichen Donautalaspiranten manchmal über den einen oder anderen etwas sportlichen Hakenabstand hinweg. Nach meinem Geschmack würde es der Vielfältigkeit gut tun, wenn es doch auch noch die eine oder andere vollkommen cleane Route mehr im Däle gäbe.

Einen schönen großen Friend zur Nervenberuhigung ist immer eine sehr gute Sache und hier ganz oft leicht zu verlegen. Janina in der „Fischerverschneidung“ am Fischerfels.

Ein wenig unangenehm dafür aber im Kalk unabwendbar ist, dass viele der superschönen Wege in den unteren und mittleren Schwierigkeitsgraden häufig schon ziemlich poliert sind. Für den unkundigen Leser zur Erklärung: Durch das viele Greifen und Treten auf die Schlüsselstrukturen einer aus Kalkstein bestehenden Route verlieren diese ihre Rauheit und sehen irgendwann aus wie polierter Marmor. Und sie fühlen sich dann auch so an. Das erschwert das Klettern oft nachhaltig, weil der Grip auf diesen Strukturen natürlich immer miserabler wird.

Urs an einem der Stände in „Leere Welt“ am Rolls Royce unter den Felsen im Donautal, dem Schaufels. Er repräsentiert die höchste Felswand Deutschlands außerhalb der Alpen.

Zum Schluss noch ein ganz besonderes Dankeschön an diejenigen, die dort ganz offensichtlich ihr kleines Klettergebiet liebevoll hegen, pflegen und eine Menge dafür tun, dass wir überhaupt dort klettern können. Wenn man so wie ich schon viel herum gekommen ist, fallen einem die sorgsam gepflegten Zustiege, das blitzsaubere Felsumfeld und die geradezu vorbildlich in Schuss gehaltenen Routen sofort ins Auge. Mit wieviel Arbeits- und Zeitaufwand das verbunden ist, kann sich der routenkonsumierende Freizeitkletterer oft nicht mal im Traum vorstellen.

Janina und Urs und ich natürlich auch noch an einem Abseilstand. Hier kann man sich auf die Qualität der Haken wirklich verlassen. Und man sieht den beiden an, dass sie das auch völlig entspannt tun.

Und gerade weil die heimische Klettergemeinde so hart um jeden einzelnen Fels, ja sogar jede einzelne Route kämpfen musste und wohl auch immer noch muss, ist es von so immenser Bedeutung, zu akzeptieren, dass es Regeln gibt, die unbedingt eingehalten werden müssen. Wir erwiesen uns einen schlechten Dienst, sperrte man uns unsere Kletterfelsen wegen der Missachtung von Naturschutzbelangen unter unseren Händen weg. Und das gilt natürlich im Donautal genauso wie auch im Elbsandstein oder anderswo. Wann wird das endlich auch der letzte Kletterer begreifen?

Wer mehr über die Arbeit der Donautaler Klettergemeinde erfahren will oder sich engagieren möchte, der wird auf der Homepage der IG Klettern Donautal/Zolleralb ganz sicher fündig.

 

 

 

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2 Antworten

  1. Christian Pech sagt:

    Deine beiden Artikel über das Donautal machen richtig neugierig und Lust auf dieses Gebiet. Vielen Dank dafür.
    Da müssen wir unbedingt mal hin. Man müsste eben mehr Zeit für die wichtigen Dinge (wie Klettern) haben.

    • Olaf Rieck sagt:

      Wirklich auch ein Gebiet, wo alle auf ihre Kosten kommen. Geradezu ideal für Euch (uns). Lass es uns also angehen.

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