Barre des Ecrins

Die Dauphiné beeindruckt mich vor allem wegen der schier unendlichen Möglichkeiten, die Kletterer und Bergsteiger hier gleichermassen haben. Es fängt bei gut abgesicherten Klettergärten an und endet bei über 1000 Meter langen kombinierten Routen auf wirklich grossartige Gipfel. Die Gegend hier ist ein Alpinisten- Eldorado. Besonders drei Berge sind es, welche die Region hier prägen und die selbst mich, der nun schon eine ganze Reihe der Weltberge zu sehen bekommen hat, sehr faszinieren: La Meije, 3983 Meter, Mont Pelvoux, 3943 Meter sowie mit 4102 Metern der Barre des Ecrins, als höchster Gipfel der Region und gleichzeitig westlichster und südlichster Viertausender der Alpen. Ihn hatte Fabian schon über seinen Südpfeiler bestiegen. Nun wollte er mit mir über seine stark vergletscherte Nordseite aufsteigen und seinen Gipfelgrat überschreiten. Einen Teil des Aufstieges sollte in einer steilen Rinne, einem sogenannten Couloir, erfolgen.

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Dieses hungrige Murmeltier, welches wohl soeben aus dem Winterschlaf erwacht war, verband eine gemeinsame Vorliebe mit mir: Kekse! Aber ich habe gern mit ihm geteilt.

Um an die Nordseite zu kommen, muss man etwa 1200 Meter aufsteigen. Der längste Teil dieses Anmarsches führt über den Glacier Blanc. Um diese 1200 Höhenmeter nicht auf unserer Klettertour in den Knochen zu haben, absolvierten wir diesen Aufstieg an den Wandfuss schon vorgestern Abend. Dort verbrachten wir in 3100 Meter Höhe eine ziemlich unbequeme Nacht in meinem Minizelt. Doch ich bin für den spätabendlichen Aufstieg und die kurze schlaflose Nacht mit einem phantastischen Abendlicht entschädigt worden. Erst kurz vor 22 Uhr, als wir an unserem Biwakplatz angekommen waren, verlosch das Licht auf der Nordwand des Barre des Ecrins.

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Zwischen dem noch angeleuchteten Barre des Ecrins und dem links von ihm stehenden Barre Noire gibt es eine steile Rinne, die in die Scharte zwischen den beiden Bergen führt. Von dort aus wollten wir dann den Gipfelgrat von links (Ost) nach rechts (West) überschreiten und auf dem Normalweg zu unserem Zelt zurückkehren.

Morgens um halb vier klingelte der Wecker. Nach einer Tasse Tee und ein paar vor dem Murmeltier geretteten Keksen, wollten wir in unser Couloir einsteigen. Wir hatten es eilig, weil wir uns vor der erbarmungslosen Hitze fürchteten. Inzwischen scheint hier seit drei Tagen die Sonne von einem wolkenlosen Himmel. Und da in den Bergen noch immer massenhaft Schnee liegt, durften wir vor allem wegen des langen Abstieges keine Zeit verlieren. Doch wir kamen sehr gut vorwärts, weil wir uns entschieden, sowohl das 300 Meter lange und 50 bis 60 ° steile Couloir als auch den Grat seilfrei zu begehen. In der Nacht hatte es gefroren, so dass die Verhältnisse nahezu perfekt waren.

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Schon kurz nach acht Uhr hatten wir den Gipfel erreicht. Hier oben liessen wir uns ausgiebig Zeit, die umliegenden Berge zu betrachten. Und Fabian hatte dort oben sogar Lust, noch eine kleine Yoga-Einheit zu absolvieren. Diese spirituelle Praxis ist für ihn von ausserordentlicher Bedeutung, und er beherrscht die Übungen bis zur Perfektion. Ganz sicher hat diese Passion auch ganz viel mit seinen Fähigkeiten beim Klettern zu tun, ist also Teil seines „Geheimnisses“. Ich kann mir sehr gut vorstellen, auch damit anzufangen. Doch eines hab ich jetzt schon darüber gelernt: Yoga ist ein eisenhartes Geschäft, welches grosse Willenskraft erfordert und leider auch sehr viel Zeit kostet. Doch Beweglichkeit, Kraft und Gesundheit sind der Lohn.

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Ausser einer zweiten Seilschaft war niemand anderes an diesem Tag am höchsten Punkt des Berges. Allerdings tummeln sich auf dem Glacier Blanc und einem benachbarten Schneegipfel immer noch sehr viele Skitourengeher, die wir natürlich auf dem endlosen Abstieg durch die Nordwand unseres Berges und besonders auf dem Gletscher um ihre Ski beneideten. Wir sanken oft bis zu den Knien im nassen sulzigen Schnee ein.

Diese kleine Bergtour war sicher einer der Höhepunkte meines Abstechers in die Dauphiné. Und wenn Zeit ist, steigen wir vielleicht noch auf den Pelvoux, den ich ganz besonders attraktiv finde. Doch in den nächsten Tagen wird erst einmal wieder geklettert, denn die durchgewetzten Fingerkuppen haben sich inzwischen ganz gut erholt. Ein besonders schönes Ziel für die kommenden Tage ist die 3131 Meter hohe Aiguille Dibona, die wie die Spitze eines Eispickels in den Himmel ragt. Wenn das Wetter hält, werden wir vielleicht übermorgen versuchen,  dort eine Route zu klettern.

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2 Antworten

  1. Madeleine sagt:

    Und täglich grüßt das „Murmeltier“ SMILE

    Viel Spass und grüße aus dem Oschatzer Lande

  2. Hallo ihr Beiden,
    schön, dass man euer Leben so schön verfolgen kann. Viel Spaß und Freude noch auf euren Touren.
    Herzliche Grüße
    Volker und Christine (Papa und Mama von Fabian)

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