Das scharfe Ende
Für einen Gelegenheitskletterer oder einen Anfänger stellt sich die Frage kaum. Denn das Seil kommt in der Regel von oben. Abstürzen kann man also nicht, doch dieses gewisse Kribbeln ist trotzdem da, denn die Angst vor dem Fallen ist uns tief ins Gehirn geritzt. Diese Angst und das gleichzeitige Wissen, das nicht wirklich etwas passieren kann, ist vermutlich der Grund dafür, warum der Klettersport so einen gewaltigen Boom erlebt. Hunderttausende zieht er in seinen Bann, denn er verspricht einen mächtigen Kick, ist aber im Grunde völlig harmlos mal vom menschlichen Versagen abgesehen.
Doch gerade umgekehrt ist es, bindet man sich am sogenannten „Scharfen Ende des Seils“ ein. Dann kann man nämlich fallen! Das ist für die meisten von uns ein Alptraum, besonders natürlich für die, welche vorsteigen. Doch es gibt auch hier gewaltige Unterschiede. Die Palette beginnt bei sogenannten „cleanen“ Routen, in denen der Vorsteiger die Zwischensicherungen, die ihn auf seinem Weg nach oben bei einem Sturz halten sollen, selbst anbringen muss. Auch die Stände, an denen er den Nachsteiger zu sich herauf holt, muss er selbst bauen. So eine Kletterei erfordert viel Erfahrung und Können, ist material-, zeit- und kraftaufwendig aber auch die ehrlichste und stilvollste Art auf einen Gipfel zu kommen, die es gibt. Fallen ist eigentlich verboten. Doch wann kann man das Fallen beim Klettern wirklich ausschliessen? Solche Dinge wie Wettersturz, Vereisung oder Griffausbruch sind in den Bergen allgegenwärtig. Erstbegehungen wurden früher häufig so gemacht und manche Routen blieben dann auch für immer sauber.
Das andere Extrem sind moderne Routen, die perfekt mit Bohrhaken abgesichert sind. Diese Sicherungspunkte liegen nur wenige Meter auseinander. Das Fallen ist hier eigentlich ziemlich ungefährlich, sofern der Sicherungsmann sein Handwerk auch beherrscht. Schwere und schwerste Routen an der absoluten Sturzgrenze können nun nahezu gefahrlos geklettert werden. Das nennt man dann Sportklettern. Zwischen diesen beiden Extremen gibt es zahlreiche Varianten. Häufig sind in bestimmten Regionen eigene Regeln entstanden oder haben sich erhalten wie zum Beispiel in unserer kleinen Sächsischen Schweiz, wo noch die sehr strengen Regeln der Erschliesser gelten, was den Sächsischen Sandstein zwar weltberühmt macht, aber auch vielen ein Dorn im Auge ist. Denn das Klettern ist hier eine ziemlich ernste Angelegenheit.
Vielleicht ist das ja auch der Grund, warum ich gerade wieder im Klettererschlaraffenland bin. Urlaub von der Angst sozusagen. Nach meinem ersten Kennenlernaufenthalt hier in den südfranzösischen Dauphinéalpen gemeinsam mit Fabian im Mai und Juni stand sowieso fest, dass ich nicht das letzte Mal hier gewesen bin. Doch dass keine zwei Monate vergehen und ich schon wieder da bin, zeigt, wie groß die Anziehungskraft ist. Besonders die unglaubliche Vielfalt hat es mir angetan. Vorgestern sind wir Reibungswege auf Granit geklettert, gestern waren wir in löchrigen Konglomeratwänden unterwegs, heute haben wir uns die Arme im herrlich rauen scharfkantigen Kalk langgezogen. Die Möglichkeiten sind schier unendlich. Dass einzige nervige ist, sich nach langem Hin und Her für irgendein Klettergebiet zu entscheiden. Doch mit diesem schwierigen Problem werden wir nun noch weitere 14 Tage leben müssen 🙂
Lieber Olaf,
schön, dass es in deinen News auch immer mal wieder Infos für Leute gibt, die eigentlich gar nichts über’s Klettern wissen – so wie ich! Wenn ich das Foto von Janina sehe, kribbelt’s mir in den Knien vor lauter Höhenangst! Ich würde keine drei Meter hoch kommen!
Euch beiden noch viel Spaß in Frankreich!
Veronica
Hallo Ihr Lieben,
es ist schön zu wissen, dass das einzige Problem die Auswahl des Klettergebietes darstellt.
Dann wünsche ich weiterhin eine so gute Wahl! 🙂
Freu mich über das Foto.
Viele Grüße von Mutt und Andrea.