Brechende Welle von links
Nun ist sie vollendet, die 220 Kilometer lange Umrundung Rügens in meinem Prijon-Kajak. Doch nicht dass ich mich jetzt für unser Abenteuer Magellanstraße auf dem Weg zum Monte Sarmiento gewappnet fühlen würde. Eher im Gegenteil. Zwei Mal bin ich gekentert und sah keineswegs gut dabei aus.
Das vorherrschende Gefühl danach ist ein deutlicher Anflug von Erleichterung. Denn für das Wasser bin ich wohl nicht geboren. Doch wenn ich in den vergangenen Tagen etwas gelernt habe, dann, dass ich trotzdem noch viel Zeit auf dem Wasser verbringen müsste. Und zwar auf offener See mit wechselnden Winden, Strömung, Gezeiten und auch sonst widrigen Verhältnissen. Die waren nämlich auf der eben beendeten Tour mit denen, die uns in Feuerland erwarten, nicht zu vergleichen.
Kajakfahren unter schwierigen Bedingungen auf dem Meer erfordert nicht nur eine Menge Übung. Es braucht Erfahrungen, die man nur auf vielen Paddel-Kilometern erwerben kann. Wenn ich ständig darüber nachdenken muss, was in dieser oder jener Situation getan werden muss, dann ist der Kopf schneller unter Wasser, als einem lieb ist.
Am meisten haben mir die Etappen auf der Ostseite der Insel zu schaffen gemacht. Die letzten Tage hatte der Ostwind, der hier schon seit vielen Tagen konstant weht, doch ziemlich aufgefrischt. Die Wellen kamen also meistens direkt von der Seite. Ich hatte deshalb reichlich Gelegenheit, eine Übung, die wir mit Peter Nicolai in unserem Kurs absolviert haben, in der Realität anzuwenden.
Wenn man etwas tun muss, was gar nicht real ist, man also nur simuliert, dann kann das ziemlich albern aussehen. So kam ich mir vor, als wir bei Peter üben mussten, wie man sich verhält, wenn eine brechende Welle einen von der Seite erwischt. Peter rief: “ Brechende Welle von links, brechende Welle von rechts“ und wir mussten uns der imaginären Welle entgegenwerfen. Man MUSS also unbedingt das Gegenteil von dem tun, was man eigentlich tun möchte: Sich nämlich nach der anderen Seite weg ducken. Doch wenn man diesen Fehler macht, dann ist das Kentern unvermeidlich.
Kopf, Körper, sein ganzes Gewicht der Welle entgegen und sich mit dem Paddel dabei auf ihr abstützen. Eine Überwindung! Gleich die erste brechende Welle, die auf der Ostseite Rügens hinter Kap Arkona bald zu hunderten immer von links kamen, hat mich dermaßen umgehauen! Ich hatte auch nicht die Spur einer Chance, wieder hochzukommen, obwohl ich gedacht habe, es diesbezüglich mit dem Schlafsack und der Isomatte auf Deck leichter zu haben.
Nur ein Beispiel von so einigen auf dieser so überaus lehrreichen Tour. Vor allem habe ich gelernt, dass ich noch weiter üben muss. Deshalb bleibe ich auch noch ein paar Tage hier, suche mir das windigste Plätzchen Rügens und stürze mich in die brechenden Wellen von vorn, von hinten und vor allem von der Seite.
Dann weiss ich nun, dass wir in Feuerland geduldig auf wirklich gute Verhältnisse für unsere Überfahrt von Punta Arenas zum Monte Sarmiento warten müssen. Wir brauchen also nicht nur am Berg unverschämtes Wetterglück.
Und noch etwas hat sich für den Rest meines Lebens eingeprägt: Nämlich wie traumhaft schön Deutschlands größte Insel ist. Einsame Buchten, großartige Steilküsten, schneeweiße Strände, spektakuläre Sonnenuntergänge. Nicht gerade eine neue Erkenntnis. Doch ich hatte das irgendwie ganz vergessen. Zu sehr war ich in den letzten 25 Jahren auf die Berge fixiert.
Trotzdem meldet sich nach fast zwei Wochen Ostsee die Sehnsucht nach Bergen und Klettern. Denn nicht zu letzt habe ich auch das hier mal wieder erkannt. Gemacht bin ich für den Berg und nicht für das Wasser oder irgend etwas anderes.
So eine schöne Erlebnis-Geschichte 🙂
Danke Olaf, dass du sie mit uns geteilt hast…
Viel Erfolg noch, Thomas
Hallo Olaf,
Schön, dass du es heil geschafft hast! Glückwunsch! Berg und Kajak sind gar nicht so weit von einander entfernt. In Tasmanien nutzen ebenfalls viele Bergsteiger/Kletterer das Kajak zur Anreise an sonst nicht erreichbare einsamen Berge.
Und weiter üben! Mit Partner wird das alles viel leichter.
herzliche Grüße
Peter
Lieber Peter,
vielen Dank noch einmal für Deinen Einsatz für uns. Du hast bewirkt, dass ich mich überhaupt allein auf diese Rügenumrundung getraut habe. Denn zu wissen, wie schwierige Situationen gemeistert werden können, ist beruhigend und motivierend zu gleich. Dass wir Dich kennen- und von Dir lernen durften, ist ein wichtiger Meilenstein auf unserem Weg nach Feuerland.
Herzliche Grüße aus dem Sachsenland
Falk und Olaf
spannende Angelegenheit, ließt sich spannend und lockt, auch mal probiert zu werden
Ja Olaf, ich war so ein Mensch vom Strand, und Deine Übungseinheiten sahen wirklich spektakulär aus. Aber Du steuerst ja ein noch viel größeres Abenteuer an. Verrückt Dein Vorhaben !!! ? Ich drücke fest die Daumen, dass es klappt !
Danke für Dein Daumendrücken! Ich glaube nämlich, dass wir es in Feuerland nötiger haben werden, als sonst!